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Unterhaltung Unterhaltung: Durchhalten vor Millionen

Von KATRIN LÖWE 03.04.2009, 18:28

DESSAU-ROSSLAU/MZ. - Eilig schiebt Heike Eilfeld auf dem Couchtisch die letzten Zeitschriften zusammen, von denen sich etliche im Haus stapeln. Es sind die neuesten Berichte über Tochter Annemarie, der umstrittensten Teilnehmerin aus Staffel sechs der Castingshow "Deutschland sucht den Superstar". Das "blonde Gift", wie RTL sie nennt. Die "sexy Zicke", die erotische Fotoaufnahmen macht und angeblich Konkurrenten aus der DSDS-Villa ekelt. Die 18-Jährige, die vor jedem Auftritt in den Mottoshows ausgebuht wird und die sich zuletzt von Jurymitglied Dieter Bohlen "everybodys Arschloch" nennen lassen musste.

Natürlich ist das Thema im Hause Eilfeld. Und auch bei Annemaries Fanclub in Dessau-Roßlau. "Ich habe fast geheult vor dem Fernseher", sagt die 18-jährige Ilka Zedler wütend. Mit Michael Bassing (19) und Alexander Klaus (18), die beide im Internet eine Fanseite betreiben, sitzt sie im eilfeldschen Wohnzimmer. Sie malen von ihrer Freundin ein ganz anderes Bild als das einer Zicke. Ein Partygirl, ein bisschen verrückt - "im positiven Sinne!" -, fast immer gut gelaunt und alles andere als abgehoben. "Sie ist selbst jetzt kein bisschen arrogant geworden", sagt Bassing.

Harmonie aber bringt dem Sender keine Quote. Das ist auch Mutter und Vater Eilfeld klar. "Wir sind nicht blauäugig. Annemarie ist eine Rolle zugeteilt worden", sagt Heike Eilfeld. So ungerecht die Familie das Gebaren des Senders auch finden mag. Andere etwa hätten "viel Schlimmeres" über Bohlen-Liebling Holger Göpfert gesagt. Gesendet wurde nur das Interview mit Annemarie, in dessen verkürzter Form sie ihn schlecht zu machen scheint. Worauf er sie prompt in der Sendung anging - die Quotenwächter dürften gejubelt haben.

Für Annemarie Eilfelds Familie gehören unruhiger Schlaf und die bange Frage, welcher angebliche Zickenkrieg noch ausgegraben wird, nun dazu. Aber da ist auch eine große Portion Stolz. "Annemarie hat gezeigt, dass sie dem Rummel standhält", sagt die Mutter.

Viel Post eingegangen

Währenddessen klappt Vater Eilfeld sein Laptop auf, um zu zeigen, dass seine Tochter längst nicht nur Feinde unter DSDS-Fans hat. Bohlens jüngste Verbal-Entgleisung war zu derb, glaubt der Bauunternehmer. "Seitdem hat sich im Internet ein Schutzschild über Annemarie gelegt. Die Stimmung kippt", sagt er. Und zeigt eine von rund 150 000 Mails, die über Annemaries Webseite eingingen - ein Loblied auf die Stärke seiner Tochter, die trotz allem nicht aufgibt.

300 000 Zugriffe hatte Annemaries Internetseite in drei Tagen, sagt Mario Eilfeld. In seinem Haus steht das Telefon kaum noch still. Rund 70 Fanclubs gebe es, "wenn nicht mehr". In Bayern hätten gar 50-Jährige einen Wettbewerb gestartet, wer beim Telefonvoting nach jeder Mottoshow am häufigsten für Annemarie anruft. "Wer die niedrigste Telefonrechnung hat, gibt einen aus", so Heike Eilfeld.

Ihre Telefone strapazieren auch die Dessauer Fans. "Meine Rechnung ist auf das Vierfache gestiegen", sagt Bassing. Rund 40 Mal pro Show ruft er für die 18-jährige Blondine an. Freunde sind involviert, Bekannte und Kollegen. "Auch meine Oma und mein Opa", sagt Ilka Zedler. Annemaries Eltern selbst waren ob der Zahl ihrer Anrufe nach der ersten Mottoshow vom Provider sogar kurzzeitig die Handys gesperrt worden.

Gut funktionierende Geldmaschine

Das Motto in Dessau-Roßlau heißt: Jetzt erst recht. Auch wenn das "genau das ist, was RTL erreichen will", sagt Alexander Klaus. Die Anrufe sind eine der Haupteinnahmequellen für den Sender. Bis zu 25 Millionen gehen pro Staffel ein, schätzen Experten - bei Kosten von 50 Cent pro Anruf. Dazu kommen fünfstellige 30-Sekunden-Werbespotpreise, Geld für Internetwerbung auf der DSDS-Seite oder dem Videoportal "Clipfish", für das DSDS-Magazinheft, für Merchandising-Produkte. Mit DSDS führt die Bertelsmann AG, zu der RTL gehört, die perfekte Wertschöpfungskette vor. Und rund fünf Millionen Zuschauer pro Show machen mit. Angezogen vor allem vom Soap-Charakter der Sendung, sagen Medienexperten.

Familie und Freunde können dem Ganzen dennoch Positives abgewinnen. Annemarie, die seit Jahren solo und mit verschiedenen Bands tourt, lebt ihren Traum, sagen sie. "Wo sonst könnte sie vor einem Millionenpublikum singen?" Auch Mutter Heike Eilfeld hat einen Traum: "Wünschen würde ich mir, dass sie in die Top 5 kommt, in meinen kühnsten Erwartungen sind es die Top 3."