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Straßenwärter auf Autobahnen Straßenwärter auf Autobahnen: Leben mit der täglichen Gefahr

Von Julius Lukas 10.07.2014, 11:21
Schilderwagen sind immer wieder in Unfälle verwickelt.
Schilderwagen sind immer wieder in Unfälle verwickelt. privat Lizenz

Zöberitz/brehna - Als der weiße Transporter an ihm vorbeirauscht, stellt David Gawer gerade einen rot-weißen Kegel auf. 75 Zentimeter sind die Verkehrszeichen aus Hartgummi groß, sechs Kilo schwer. Sie sollen den 26-jährigen Straßenwärter und seine Kollegen schützen. Ihre Baustelle an der A-9-Abfahrt bei Brehna vom Verkehr trennen. Wie wichtig sie sind, zeigt die Begegnung mit dem weißen Transporter. Mit weniger als einem Meter Abstand streift er an Gawer vorbei. Doch der Straßenwart zuckt nicht einmal: „Das wäre in der Situation auch eine schlechte Idee“, sagt er locker.

In Sachsen-Anhalt ereignete sich in den letzten Wochen eine Serie von Unfällen, bei denen Straßenwärter getötet oder verletzt wurden. Drei Menschen kamen dabei ums Leben. Der schlimmste Zusammenstoß passierte am Dienstag. Auf der A 2 zwischen Theeßen und Ziesar raste ein Lkw in eine Baustelle. Ein Straßenwärter wurde getötet, einer schwer verletzt. Auch der Lkw-Fahrer starb. Tödlich endete auch ein Unfall im Juni. Beim Abbau einer Nachtbaustelle auf der Autobahn 2 bei Magdeburg wurde ein Arbeiter von einen Lkw erfasst. Innerhalb der letzten sieben Tage sind bei weiteren vier Baustellenunfällen fünf Straßenwärter zum Teil schwer verletzt worden.

Eine Ursache für die Häufung der Vorfälle ist bis jetzt nicht gefunden worden. „Wir wissen nicht, woran es liegt“, sagt Christoph Krelle, der bei der Landesstraßenbaubehörde für Baustellen zuständig ist. Einen einzelnen Grund zu finden, sei aber auch schwierig. „Jeder der Unfälle war ein bisschen anders“, betont Krelle. Die Vielzahl der Baustellen im Land könnte ein Grund sein, genau lasse sich dies aber nicht sagen. Seine Behörde habe nun Vertreter der Polizei und der Autobahnmeistereien zu einem Gespräch eingeladen. Krelle: „Wir werden über Ursachen und Konsequenzen beraten.“  (JUL)

Gawers Arbeit ist einer der gefährlichsten Berufe in Deutschland. Das Risiko, schwer verletzt oder getötet zu werden, ist für Straßenwärter 13 Mal so hoch wie in anderen Jobs. So sagt es eine Statistik der Fachgewerkschaft für Straßen- und Verkehrsbeschäftigte, die ihren Mitgliedern deswegen eine Sterbegeldversicherung empfiehlt. „Schließlich besteht der Versorgungsbedarf bei uns allen“, heißt es dazu.

„Schon wieder einen runtergeholt“

Wie wahr das ist, zeigte sich in den letzten Tagen auf den Straßen von Sachsen-Anhalt. Erst am Dienstag gab es einen schweren Unfall auf der A 2 zwischen Theeßen und Ziesar. Zwei Menschen starben, darunter ein Straßenwärter. Er hatte Fahrbahnmarkierungen entfernt - exakt die Arbeit, die auch auf der A 9 bei Brehna gemacht wird.

Dort sitzt Marko Lochmann auf einer Fräsmaschine. Der Chef von David Gawer ist von Kopf bis Fuß in orange gekleidet. Der Lärm ist ohrenbetäubend. Angesprochen auf den Unfall von der A 2, schüttelt er den Kopf: „Da hat es schon wieder einen von uns runtergeholt.“ Nachdenklich mache das, sagt Lochmann. Auch mit seinen Kollegen spreche er darüber. Auswirkung auf ihre Arbeit habe das allerdings nicht: „Wir probieren ja schon so gut es geht, gefährliche Situationen zu vermeiden“, betont Lochmann. „Noch mehr können wir aber nicht machen.“

Wie die Baustellen sicherer werden können, beschäftigt auch Uwe Zwanzig. Allerdings ist der Chef der Autobahnmeisterei Halle-Peißen ratlos: „Wenn ich eine Idee hätte, würde ich es sagen.“ Zwanzig sitzt in seinem Büro in Zöberitz. In der Hand hält er ein dickes Heft. Darin steht, wie Baustellen zu sichern sind. „Und nach diesen Vorgaben richten wir uns immer“, sagt er. „Doch manchmal reicht das eben nicht.“

In Zwanzigs Autobahnmeisterei arbeiten 26 Straßenwärter. „Ich bin jeden Tag froh, wenn alle, die ich rausschicke, am Abend wieder zurückkommen“, erzählt er. Einmal hat das nicht geklappt. 2006 starb einer seiner Straßenwärter. Er saß in einem Schilderwagen, der immer am Anfang einer Baustelle postiert ist. Ein Lkw rammte das Fahrzeug.

Auf der nächsten Seite lesen Sie warum die schlimmsten Unfälle mit Lastwagen passieren und das tägliche Szenario an Baustellen.

„Unfälle passieren auch mit Personenwagen“, sagt Zwanzig. In die schlimmsten sind aber meist Lastwagen verwickelt. Die Ursache seien oft Unaufmerksamkeit und Fehler der Fahrer. „Mehrere Lkw fahren in Kolonne und schaffen es nicht mehr rechtzeitig auszuscheren“, beschreibt Zwanzig einen typischen Unfallhergang. Hinzu komme hohe Geschwindigkeit im Baustellenbereich. „Wir stellen die Tempobegrenzung nicht auf, um jemanden zu ärgern“, sagt Zwanzig ernst. „Es geht um unsere Sicherheit und die der Autofahrer.“ Zwanzig appelliert deswegen, mehr Rücksicht zu nehmen. „Auf den Baustellen arbeiten Menschen. Manchmal scheinen die Leute das zu vergessen.“

Ein Zusammenstoß wäre fatal

Diesen Eindruck hat auch Marko Lochmann. Seit 14 Jahren ist der Straßenwärter dabei. Unfälle hat er schon viele erlebt. „Das waren aber meistens Blechschäden.“ Ihm und seinen Kollegen sei noch nie etwas passiert, erzählt er. „Toi, toi, toi, dass das so bleibt.“

In seiner täglichen Arbeit störe ihn aber vor allem das Verhalten der Autofahrer. „Dass uns einer einen Vogel zeigt, ist da noch das Harmloseste“, sagt Lochmann. Er sei schon beworfen und beschimpft worden. Dabei müsse ihre Arbeit nur wegen der Autofahrer gemacht werden. „Und wenn wir sie nicht machen würden, könnte auf den Straßen bald gar nicht mehr gefahren werden“, sagt Lochmann und setzt sich wieder auf seine Fräsmaschine. An ihm fahren Pkw und Lkw vorbei. Weil es nur eine Autobahnabfahrt ist, sind sie nicht schnell. Ein Zusammenstoß wäre trotzdem fatal.

Dieser stetigen Gefahr ist sich auch David Gawer bewusst. Der junge Straßenwärter hat alle Kegel aufgestellt und läuft in Richtung seines Chefs. Für ihn ist es die erste Woche im Team von Lochmann. Davor hat Gawer seine Ausbildung gemacht, nun soll er sich den Arbeitsalltag erst einmal anschauen, sagt sein Chef.

Ob er trotz der Gefahren und der Unfälle noch glaubt, dass Straßenwärter der richtige Beruf für ihn ist? „Natürlich“, antwortet er ohne zu zögern. Bei der Arbeit probiere er, an die Gefahren nicht zu denken, sagt Gawer. „Angst hilft uns ja auch nicht weiter.“ (mz)

Wichtige Grenzziehung: Straßenwärter David Gawer sichert auf der Autobahn 9 einer Baustelle mit Verkehrskegeln.
Wichtige Grenzziehung: Straßenwärter David Gawer sichert auf der Autobahn 9 einer Baustelle mit Verkehrskegeln.
Günther Bauer Lizenz