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Schatzsuche Schatzsuche: Goldrausch im Erzgebirge

Von Mario Ulbrich 18.02.2008, 20:34

Deutschneudorf/MZ. - Goldbarren, viele Kisten davon, bis zu 1,9 Tonnen insgesamt. Das ist der Schatz, der in Hohlräumen am alten Bahnhof in Deutschkatharinenberg, einem Ortsteil von Deutschneudorf, schlummern soll. Versteckt 1945 in den letzten Tagen des Zweiten Weltkrieges. Gehoben 63 Jahre später - so stellen sich das Bürgermeister Heinz-Peter Haustein (FDP) und der Hobby-Schatzsucher Christian Hanisch aus Schleswig-Holstein vor. Wenigstens das erst einmal, weil es vielleicht auf mehr deutet. Denn: "Unsere Hauptsuche gilt nach wie vor dem Bernsteinzimmer", betont Haustein.

Bodensondierungen versprachen "100-prozentig einen Fund", doch der erste Sturm auf das Golddepot vor einer Woche misslang. Der Boden gab nichts preis, bloß eine alte Flasche. Weil die Hohlräume nicht dort waren, wo sie laut Messungen hätten sein müssen, soll die Bergsicherung Schneeberg am Freitag einen Riesenbohrer ansetzen. "Die Signale des Ortungsgerätes wurden durch Mineralien abgelenkt", glauben Haustein und Hanisch. "Es geht nur um ein paar Meter."

Ominöses Depot

Dabei hätten die beiden längst einen Goldfund präsentieren können. Glaubt man der erstaunlichen Geschichte, die Hanisch im Sommer 2007 erzählte, so hatte er den Eingang zu einem unterirdischen Depot bereits gefunden. Als Beweis legte er damals Fotos vor, die einen Goldbarren mit eingeprägtem Reichsadler zeigten. Wo also ist das Gold? "Das war eine andere Fundstelle", windet sich Hanisch heute. "Sie ist unbedeutend. Da ist nichts mehr zu holen. Mir geht es um das große Versteck am alten Bahnhof."

Schon klar, aber wo ist der Goldbarren vom vorigen Sommer? Wenn Hanisch ihn zusammen mit dem Einstieg zu jener "unbedeutenden Fundstelle" vorweisen könnte, wäre ein für alle Mal bewiesen, dass es 1945 Einlagerungen in Deutschkatharinenberg gegeben hat. Das wäre der Durchbruch, auf den die von vielen belächelten Schatzsucher jahrelang gewartet haben. Aber Hanisch kann weder den Barren noch den Eingang zeigen. Bürgermeister Haustein schätzt seinen neuen Partner freilich als seriös ein: "Hanisch ist ernst zu nehmen." Der Aufwand, den der Holsteiner bisher getrieben hat, spricht durchaus dafür. Seit Jahren sucht und recherchiert er in der Umgebung von Deutschneudorf.

Bis jetzt ist Christian Hanisch aber nur ein weiterer Schatzsucher mit einer faszinierenden Geschichte. Der verstorbene Kulturgutfahnder Siegfried Pach aus Lengefeld (Mittlerer Erzgebirgskreis) hatte ausgerechnet, dass bei Deutschneudorf Gold, Edelsteine und Kunstwerke im Wert von Milliarden US-Dollar lagern müssten - falls alle Geschichten stimmen, die über vergrabene Schätze im Umlauf sind. Christian Hanischs Geschichte geht so: Nach 1945 bauten sein Vater und dessen Kriegskameraden Häuser und lebten in Wohlstand. Offenbar kannten sie ein geheimes Wertdepot im Erzgebirge, aus dem sie sich ab und an bedienten - bis die DDR die Grenze schloss, der Schatz unerreichbar wurde.

Operation "Goldorfe"

Hanischs Vater soll bei Kriegsende als Funker an einer Operation "Goldorfe" beteiligt gewesen sein, bei der immense Mengen Gold im Erzgebirge eingelagert worden seien. Die Koordinaten, die Hanisch von seinem Vater bekam, weisen nach Deutschkatharinenberg. Hohlräume voller Gold - Hanisch sprach zuletzt vorsichtig von Edelmetallen - existieren bislang aber nur auf Computergrafiken, generiert aus Messwerten eines Gerätes, das elektromagnetische Impulse in den Boden schickt und dessen Leitfähigkeit misst. Nach Aussagen der Herstellerfirma waren die Ergebnisse eindeutig. Trotzdem wurden die Schatzsucher nicht fündig.

Das erinnert an andere Schatzjagden. Beispiel Poppenwald bei Hartenstein (Zwickauer Land): Dort forscht der Leipziger Dietmar Reimann seit Jahren nach einem alten Bergwerk, in dem bei Kriegsende Kunstschätze, darunter das legendäre Bernsteinzimmer, eingelagert worden sein sollen. Reimann hat die fundierteste Hintergrundrecherche aller erzgebirgischen Schatzgeschichten vorgelegt. 2001 hatte er sogar vielversprechende Messwerte, die mögliche Hohlräume zeigten. Aber diese wurden bis heute nicht gefunden.

Im Hartensteiner Wald sucht der Amateur-Schatzsucher Ralf Puschmann aus Frankenberg ebenfalls nach einem Weltkriegsdepot. Ein Jahr nach Reimann lagen ihm Messwerte vor, die an Eindeutigkeit kaum zu überbieten waren. Er sucht noch heute. Das Messprotokoll verzeichnete einen Hohlraum, der nicht existiert. So viele spannende Geschichten, aber keine einzige ausgegrabene Kiste. Auf dem Erzgebirgskamm geht es dieser Tage nicht nur um Gold, sondern auch um die generelle Glaubwürdigkeit der Schatzgerüchte.

Christian Hanisch und Heinz-Peter Haustein sind sich dessen bewusst. "Ich stehe unter Zugzwang", sagt Hanisch nach den bundesweiten Presseberichten. "Egal, was wir rausfischen, Hauptsache, wir fischen etwas heraus." Haustein meint: "In diesem Jahr will ich fündig werden. Es ist schon zu lange nichts passiert."

Der Autor ist Redakteur der Freien Presse in Chemnitz