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Verlässlich wie eine Uhr  Verlässlich wie eine Uhr : Bei Hans-Jürgen Sauer stand die Zeit noch nie still

Von Torsten Adam 04.02.2018, 13:55
Jeden Sonntagvormittag zieht Hans-Jürgen Sauer das 1929 in Bernburg gebaute Uhrwerk neu auf, damit die Uhrzeiger am Kirchturm nicht stehen bleiben.
Jeden Sonntagvormittag zieht Hans-Jürgen Sauer das 1929 in Bernburg gebaute Uhrwerk neu auf, damit die Uhrzeiger am Kirchturm nicht stehen bleiben. Engelbert Pülicher

Plötzkau - Was wäre ein Leben ohne Zeit? Und was wäre Plötzkau ohne Kirchturmuhr? Wohl ein ganzes Stück ärmer.

Damit den Bewohnern des Saaledorfes immer die richtige Stunde schlägt, führt der Weg von Hans-Jürgen Sauer jeden Sonntagvormittag die 200 Meter von seinem Eigenheim bis zur St.-Georg-Kirche.

Sein Auftrag: das Aufziehen des Uhrwerks. Für dieses ehrenamtliche Engagement ist der 68-Jährige beim jüngsten Neujahrsempfang der Gemeinde auf Vorschlag der Kirchengemeinde von Bürgermeister Peter Rosenhagen (parteilos) ausgezeichnet worden.

Aus dem Helfer wurde der Nachfolger

Viele Jahre hatte sich Josef Hofrichter darum gekümmert, dass die Uhr richtig schlägt. Eine Arbeit, die durchaus beschwerlich ist. Schließlich müssen jede Woche die 52 Treppenstufen bis zum Uhrwerk erklommen werden.

Wenn es etwas zu reparieren galt oder das Seil gerissen war, bat er seinen Nachbarn Hans-Jürgen Sauer um Unterstützung. Aus dem Helfer wurde aus altersbedingten Gründen dann vor sieben Jahren Hofrichters Nachfolger.

„Ich bin der einzige Plötzkauer, der jede Woche in die Kirche geht“, sagt der Rentner mit einem schelmischen Grinsen.

Kirchturmuhr blieb noch nie stehen

Für Sauer, der mit seinem zweiten Hobby, der Zucht weißer Tauben, Hochzeitspaaren den schönsten Tag ihres Lebens versüßt, ist der Kirchgang eher Ritual als Belastung.

Und so ist die Uhr seit der Übernahme des Ehrenamtes noch kein einziges Mal stehen geblieben. Auch nicht dann, als der Plötzkauer Urlaub hatte. „Ein Aushilfskellner findet sich immer“, erzählt er lachend.

„Die meisten Plötzkauer wissen deshalb bestimmt nicht, dass die Uhr gar nicht elektrisch funktioniert, was uns viel Geld kosten würde“, ist Pfarrerin Renate Lisock froh über die kostenlose Hilfe des Ur-Plötzkauers, der in der Nähe des Dorfteichs das Licht der Welt erblickt hatte.

Wunderwerk muss geölt und gefettet werden

Der 68-Jährige, der in seinem Berufsleben als Kraftfahrer und selbstständiger Fuhrunternehmer tätig war, pflegt einen wahren Schatz in der Stube des Kirchturms.

Das Uhrwerk aus dem Jahr 1929 entstammt der berühmten Bernburger Uhrmacher-Werkstatt Fuchs und Söhne. Ganz klar, dass das Wunderwerk der Technik aus dem vorigen Jahrhundert ab und zu auch mal geölt und gefettet werden will. Auch darum kümmert sich Hans-Jürgen Sauer.

Jede Viertelstunde schlägt die Kirchturmuhr. „Viertel einmal, halb zweimal, dreiviertel dreimal sowie um viermal plus die Zahl der Tagesstunde“, erklärt Hans-Jürgen Sauer.

Von den einst drei Glocken sind nur zwei im Glockenstuhl verblieben, eine war im Ersten Weltkrieg für Rüstungszwecke eingeschmolzen worden.

Störche aus der Nähe beobachten

Vom Frühling bis zum Herbst ist Hans-Jürgen Sauer der wöchentliche Aufstieg in die Turmstube besonders lieb. Kann er dann doch die Störche ganz aus der Nähe dabei beobachten, wie sie in ihrem Horst auf dem Kirchdach ihre Jungen großziehen.

Adebars kommen seit Jahren verlässlich zum Brüten nach Plötzkau, weiß der 68-Jährige. „Im Vorjahr waren es drei Junge.“ Ob die Störche wohl auch dank ihm wissen, wann es Zeit wird, im Herbst rechtzeitig in die Überwinterungsquartiere im warmen Süden aufzubrechen? (mz)