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Revolution in Saale-Wipper Revolution in Saale-Wipper: Klagen gegen Kreisumlage

Von Torsten Adam 11.04.2017, 09:55
Beim Salzlandkreis sind die Taschen nicht prall gefüllt, bei den Kommunen erst recht nicht
Beim Salzlandkreis sind die Taschen nicht prall gefüllt, bei den Kommunen erst recht nicht vario-press

Plötzkau - Dem Salzlandkreis droht Ungemach. Die Kommunen der Verbandsgemeinden Saale-Wipper wollen gegen die in diesem Jahr verlangte Kreisumlage klagen. Jan Ochmann (CDU), Verwaltungschef in Güsten, beziffert den Streitwert mit rund fünf Millionen Euro.

Es könnte ihm zufolge aber noch teurer werden für den Salzlandkreis. Aus zweierlei Gründen.

So gebe es gleiche Klagebestrebungen in der Egelner Mulde. Und Jurist Jan Ochmann, der die Saale-Wipper-Gemeinden rechtlich vertritt, will auch die Kreisumlage 2016 anfechten - wegen einer unvollständigen und damit irreführenden Rechtsmittelbelehrung.

So sei darin die Möglichkeit, auf elektronischem Wege - beispielsweise per E-Mail - zu klagen, unerwähnt geblieben.

Rückenwind durch Urteil aus Thüringen

Rückenwind gibt dem Alslebener das jüngste Urteil des Oberverwaltungsgerichtes Thüringen. „Ist die eigene Finanzausstattung unzureichend, so muss sich der Kreis seinerseits an das Land halten. Er darf seine Finanznot nicht auf die Gemeinden abwälzen“, erläutert Jan Ochmann das Urteil.

Landkreis darf seine Finanznot nicht auf Gemeinden abwälzen.

Jan Ochmann, Saale-Wipper-Bürgermeister

Am Montagmittag lief die Frist ab, die er Landrat Markus Bauer (SPD) gesetzt hatte, um die Meinungsverschiedenheiten in einem außergerichtlichen Widerspruchsverfahren beilegen zu können.

Ein solches sei bei Verwaltungsakten eigentlich üblich. Der Salzlandkreis lässt bei der Umlage den Kommunen indes nur den Klageweg vor dem Verwaltungsgericht Magdeburg und beruft sich dabei selbst auf die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichtes.

Fünf Tagungen mit dem gleichen Ergebnis

Weil den Anfang März verschickten Umlage-Bescheiden nur binnen eines Monats widersprochen werden kann, tagten in den vergangenen Tagen in Saale-Wipper nacheinander die Räte in Alsleben, Güsten, Plötzkau, Ilberstedt und Giersleben - mit ähnlichem Ergebnis:

Güsten und Alsleben klagen ebenso wie Giersleben vorbehaltlos gegen die Kreisumlagen 2016 und 2017, Plötzkau und Ilberstedt fechten den Bescheid des laufenden Jahres an, wenn die Rechtsschutzversicherung der Verbandsgemeinde vor Klagefristablauf am Gründonnerstag eine Deckungszusage gibt.

Dies passierte bis Montagnachmittag noch nicht. Die Plötzkauer scheuen das Prozessrisiko ohne Versicherung, das sich auf rund 20.000 Euro belaufen würde. Bei zusätzlicher Klage gegen die vorjährige Umlage, die noch bis Mai eingereicht werden kann, wären weitere 9.000 Euro im Fall einer Niederlage fällig.

Ein Urteil pro Kommunen hätte Signalwirkung fürs Land.

Markus Bauer, Landrat

Markus Bauer kann Beschluss nicht eigenmächtig kippen

Der Landrat begründete das Verstreichen des Ultimatums damit, dass er nicht eigenmächtig den Kreistagsbeschluss kippen könne, bei dem die Kreisumlage beschlossen worden war. Er kenne das Urteil aus Thüringen, eine rechtliche Einschätzung vermöge er nicht abzugeben.

Dass die Gemeinden unzufrieden sind, könne er nachvollziehen: „Die finanzielle Ausstattung der vergangenen Jahre war nicht gut.“ Allerdings habe das Land hier nachjustiert.

Sollten die Gemeinden aus Saale-Wipper und Egelner Mulde mit ihrer Klage Erfolg haben, „hätte dieses Urteil Signalwirkung fürs ganze Land“, ist der Nienburger überzeugt.

Dann werde es aber auch für den Landkreis schwieriger, verlässlich und nachhaltig zu planen, sollte das Land keinen klaren Rahmen für die Berechnung der Kreisumlage vorgeben.

Auf ein Rechtsmarathon einstellen

Bis es soweit ist, kann es dauern. In Thüringen vergingen zehn Jahre bis zum rechtskräftigen Urteil. Auf einen solchen „Marathon“ stellt Jan Ochmann auch die Kläger in Saale-Wipper ein:

„Die Verwaltungsgerichte sind personell unterbesetzt und haben alle Hände voll zu tun mit Asylverfahren.“ Er rechne damit, dass allein mit einem erstinstanzlichen Urteil erst in ein paar Jahren zu rechnen sei. Aufschiebende Wirkung habe die Klage nicht. Das heißt, dass die Gemeinden vorläufig weiter die Umlage wie gefordert abführen müssen.

Bis Gründonnerstag will der Verbandsgemeinde-Bürgermeister die Klagen beim Verwaltungsgericht in Magdeburg eingereicht haben – jedoch auch versehen mit dem Hinweis, parallel dazu beim Salzlandkreis gegen die Kreisumlage-Bescheide zu protestieren.

„Weil ich das Widerspruchsverfahren für den richtigen Rechtsbehelf halte“, so Jan Ochmann, der eine Klage gern vermeiden würde. Denn die Kreisumlage solle ja nicht ganz weg, sondern nur in der Höhe gerechter werden.

Was bringt ein Klageerfolg mit sich?

Haben die Klagen Erfolg, müsste der Salzlandkreis seine bisherige Praxis einer pauschalen Umlage aufgeben und Rücksicht auf die Finanzsituation jeder einzelnen Gemeinde nehmen.

Dass diese in der Kreisverwaltung bekannt ist, steht außer Zweifel. „Die Kommunalaufsicht kennt unsere Lage ganz genau“, sagte Plötzkaus Gemeinderat Uwe Saupe. „Und sie hat unsere freiwilligen Aufgaben über die Jahre peu á peu gestrichen“, ergänzte der stellvertretende Bürgermeister Ingolf Freimann. Nur 5,7 Prozent des Haushaltes 2017 entfallen noch auf diese freiwilligen Leistungen. Ein Teil dieser zur Verfügung stehenden 85 000 Euro stamme aber bereits aus privaten Spenden, nicht aus öffentlichen Geldern. Sonst sähe es in Plötzkau noch zappendusterer aus.

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Das Oberverwaltungsgericht (OVG) Thüringens hat im Herbst 2016 der Gemeinde Bleicherode im Streit um die Kreisumlage mit dem Landkreis Nordhausen Recht gegeben und damit auch das erstinstanzliche Urteil des Verwaltungsgerichtes Weimar bestätigt.   

Die Richter rügten, dass der   Landkreis bei der Berechnung seiner Kreisumlage - im Fall von Bleicherode waren es im strittigen Jahr 2007 zirka 1,5 Millionen Euro -  die finanzielle Situation der Gemeinde gänzlich unberücksichtigt gelassen hatte. Jede Kommune habe aber ein Recht auf Selbstverwaltung und müsse entsprechende finanzielle Mittel besitzen, um alle Pflichtaufgaben ohne Kreditaufnahme erfüllen zu können. Darüber hinaus müsse auch eine „freie Spitze“ für freiwillige Leistungen „in bescheidenem, aber merklichen Umfang“ gewährleistet sein.

Laut Urteil dürfe der Landkreis nur so viel Umlage von den Gemeinden erheben, wie diese zahlen können. Könne der Kreis auf dieser Basis seinen eigenen Haushalt nicht mehr finanzieren, was ihm verfassungsmäßig garantiert ist, müsse er eben beim Land mehr Geld einfordern.

Das Gericht betonte, dass sich das Urteil zwar  auf das Jahr 2007 beziehe, aber auf die heute geltende Rechtslage ebenfalls anwendbar sei. Es ist seit einem Monat auch rechtskräftig. Der Landkreis Nordhausen hat der Kalibergbaustadt Bleicherode inzwischen   die 1,5 Millionen Euro zurücküberwiesen und Konsequenzen aus dem Urteil gezogen: Er hörte sämtliche Städte und Gemeinden vor Erhebung der Kreisumlage 2017 an.
(mz)