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Neuer Wein von der Wipper Hotel und Gaststätte "Wippertal" in Ilberstedt: Wie sich ein Hotelier auf dem Land erfolgreich behauptet

Von Ralf Böhme 10.10.2018, 10:00
Das Unmögliche möglich machen, ist eine Maxime von Hotelier Thomas Beier. Das Foto zeigt ihn bei der Traubenernte im Wippertal.
Das Unmögliche möglich machen, ist eine Maxime von Hotelier Thomas Beier. Das Foto zeigt ihn bei der Traubenernte im Wippertal. Engelbert Püllicher

Ilberstedt - Ein Weinberg an der Wipper. Das klingt nach einem Scherz. Denn das Flüsschen schlängelt sich vom Harz in Richtung Bernburg, bislang kein Landstrich für erfolgreichen Rebenanbau. Doch Thomas Beier aus Ilberstedt macht das Unmögliche möglich. Gleich hinter seinem Hotel, das direkt an das Gewässer grenzt, ist jetzt Weinlese angesagt. Die dunklen Trauben versprechen einen guten Tropfen. Man darf gespannt sein.

Um das Unmögliche möglich zu machen, bedarf es freilich mehr als einer fixen Idee. Beier verlässt sich deshalb nicht allein auf die kaum merkliche Südhanglage. Auch der schöne Grünzug am Fluss, der kalten Wind abhält, genügt nicht für sein Experiment.

Der Gastronom rechnet mit der warmen Abluft seiner Klimaanlage, die über den kleinen Weinberg strömt und dort das Mikroklima verändert. „Das macht regelmäßig fünf sieben Grad Unterschied zur kälteren Umgebung aus“, erklärt Beier.

Wer zu wenig biete oder zu teuer sei, der gehe als Gastronom am Ende eben selber leer aus

Auf den Unterschied kommt es auch in anderer Hinsicht an. „Würde sich unser Haus nicht von Mitbewerbern positiv abheben, wäre hier in beinahe ländlicher Abgeschiedenheit längst der Ofen aus.“ Die Gäste könnten das Geld nur einmal ausgeben, argumentiert Beier. Die Rechnung, die der gelernte Restaurantfachmann aufmacht, ist einfach: Wer zu wenig biete oder zu teuer sei, der gehe als Gastronom am Ende eben selber leer aus. Dieses Schicksal ereilt im südlichen Sachsen-Anhalt immer wieder Gastwirte, immer häufiger auf dem Land.

Im Altkreis Bernburg, wo Hotelier Beier im „Wippertal“ seine guten Dienste anbietet, verzeichnet die Industrie- und Handelskammer (IHK) seit 2014 immerhin 28 Geschäftsaufgaben. Nur in den Städten Halle und Dessau-Roßlau sieht es laut IHK-Sprecher Markus Rettich etwas besser aus.

Auch im Hotelgewerbe ist der Abwärtstrend nicht zu übersehen. Dutzende Herbergen weniger als noch vor vier Jahren, das schlägt Lücken in die touristische Infrastruktur, trotz verstärkter Nachfrage im Luther-Jahr 2017 und jetzt zum Jubiläum der Straße der Romanik. Und ausgerechnet im Burgenlandkreis, dem Weinanbaugebiet an Saale und Unstrut, machen Hotels und Pensionen dicht: 20 Betten-Anbieter, das entspricht gut zehn Prozent der Übernachtungskapazitäten.

In vielen Gastronomiebetrieben fehlt Personal

Allerdings schlägt sich nicht nur diese Region mit dem Problem herum. Auch jenseits der Landesgrenze, in Sachsen, schrillen die Alarmglocken. Nicht anders als hierzulande haben dort Dreiviertel der Betriebe weniger als fünf Mitarbeiter. Und überall fehlt Personal. Nach Einschätzung des Branchenverbandes Dehoga ist das mittlerweile der Hauptgrund für Schließungen, sogar in Urlaubsregionen wie der Sächsischen Schweiz. Mancher Wirt wünscht sich deshalb, unkompliziert Flüchtlinge und Zuwanderer einstellen zu dürfen.

Auch Thomas Beier kennt solche Ideen. Sein Konzept ist aber anders, vor allem langfristig angelegt. Seit zehn Jahren verfügt das „Wippertal“ über einen festen Stamm an qualifizierten Mitarbeitern, zehn an der Zahl. Spätestens bei der Übernahme des Hauses sei ihm klar geworden, worin gravierende Fehler der Branche liegen, so Beier.

„Es gab seit vielen Jahren einen Stillstand.“ Der studierte Betriebswirtschaftler bringt es so auf den Punkt: Extrem niedrige Löhne und ein rauer Ton im Gewerbe auf der einen Seite, wenig originelle Ideen und trotzdem hohe Kosten auf der anderen Seite. Gipfel der Unwirtschaftlichkeit im eigenen Haus nennt Beier den ruinösen Energieaufwand. „Das hieß Notbremse und modernisieren, beispielsweise die Beleuchtung.“

Bezahlung über Branchendurchschnitt: Belegschaft bedankt sich mit kreativen Ideen

Innerhalb eines Jahres sinkt so der Verbrauch von zuvor reichlich 121.000 Kilowattstunden auf nur noch 39.000 Kilowattstunden. Das eingesparte Geld fließt in weitere Neuerungen im Gesamtumfang von 250 000 Euro: Nach und nach wird ein eigenes Kraftwerk installiert, es folgen Solaranlagen, eine auf Energieeffizienz getrimmt Küche.

Der Clou: Eine Lounge im Fass, gemütlich und klimaneutral. Was dort auf den Tisch kommt , das ist freilich nicht Hightech, sondern Bodenständiges. „Worscht, Geselchtes, Hackfleisch, Kesselklops“, heißt es beispielsweise. Die Erlöse fließen in neue Veranstaltungsformate, die Umsätze und Gewinne steigen. Und erstmals entsteht der für kräftige Lohnerhöhungen erforderliche finanzielle Spielraum.

Wer heute im Wippertal arbeitet, bekomme deutlich mehr als im Branchendurchschnitt üblich, so Beier. „Das hebt nicht nur die Stimmung, sondern lässt auch Ideen sprudeln.“ Ein Blick in den Herbstkalender des Hauses vermittelt eine Vorstellung vom kreativen Potenzial der Belegschaft. Da treffen sich die Kellergeister zur Wippertal-Geisterstunde, um feine Brände zu testen. An der „Aromabar“ lässt es sich trefflich in eine Welt der Farben und des erlesenen Geschmacks eintauchen. Bald steht auch der hauseigene Wein zur Verkostung bereit.

Warum sich mit einem einfachen Steak begnügen, wenn man am Abend fünf exklusive Qualitäten genießen kann? „Cooking-Club“ als Genusswerkstatt mit dem Chefkoch, Dinner im Dunkeln und Veranstaltungen wie Lesungen und Theater - die Reihe der Attraktionen lässt sich fortsetzen. Dass superschnelles W-Lan und ein Fahrservice rund um die Uhr verfügbar sind, ist für Hotelier Beier Standard. Genau wie ein Tagesangebot für 8,50 Euro. (mz)

Kreatives Team: Kellnerin Stefanie Knorre (rechts) und Küchenmeister Tobis Ziemer im Weinkeller des Hotels Wippertal in Ilberstedt.
Kreatives Team: Kellnerin Stefanie Knorre (rechts) und Küchenmeister Tobis Ziemer im Weinkeller des Hotels Wippertal in Ilberstedt.
Engelbert Püllicher