Könnern Horses4us: Könneranerin bietet Training mit Pferden für Kinder mit Lernschwäche an

Könnern - Links von rechts zu unterscheiden, ist für die meisten Menschen ein Leichtes. Für einige jedoch stellt dies eine Herausforderung dar. Gerade Kinder weisen dahingehend immer mehr Defizite auf, wie Christin Keppe beobachtet hat. Die Pferdewirtin und -trainerin leitet gemeinsam mit ihrem Mann am Stadtrand von Könnern den „Horses4us“-Hof.
„Wir können in manchen Fällen gar nicht mit dem Reitunterricht beginnen, weil Grundsätzliches fehlt“, sagt sie - angefangen bei mangelnder Körperspannung und Balance bis hin zu der Schwäche, Richtungen nicht richtig unterscheiden zu können. Oftmals zeigen sich bei diesen Kindern zudem Schwächen beim Lesen, Schreiben oder Rechnen.
Nur eine Hand voll
Dass Reiten dahingehend zur Entwicklung - nicht nur der Persönlichkeit - beitragen kann, habe Christin Keppe eher zufällig erfahren - über das Internet. „In Österreich werden spezielle Trainings schon seit Längerem angeboten“, berichtet sie. In Deutschland hingegen gebe es bislang nur eine Handvoll Trainerinnen, die Lernprogramme für Kinder mit sogenannten Lernschwächen anbieten.
Christin und Yves Keppe vom „Horses4us“-Hof in Könnern, Bellevue 4, beteiligen sich am Sonntag, 1. Mai, erstmals am bundesweit organisierten Tag der offenen Stalltür.
Seit 2006 gehört den beiden das Gestüt, auf dem derzeit 30 Pferde zu Hause sind. Der Pferdezucht-, Reit- und Ausbildungsbetrieb richtet sich sowohl an Western- als auch Freizeitreiter. Neben dem klassischen Reitunterricht wird unter anderem auch ein Rindertraining angeboten.
Im Hinblick auf die Pferdezucht haben sich Christin und Yves Keppe auf Paint Horses und Quarter Horses spezialisiert.
Eine von ihnen ist Doreen Richter, die seit September vergangenen Jahres als Legasthenie- und Dyskalkulietrainerin auf dem Könneraner Hof arbeitet und laut eigener Aussage die Einzige in der Region ist. 15 Kinder betreut die 34-Jährige im herkömmlichen Reitunterricht. Die speziellen Trainingsstunden haben bislang erst zwei Kinder in Anspruch genommen. Warum?
Wie „das Reiten alle Sinne schärfen“ kann und warum Doreen Richter von Trainingsstunden spricht und nicht von einer Therapie, lesen Sie auf er nächsten Seite.
Sicherlich muss sich das neue Angebot erst noch herumsprechen. Vielmehr spiele laut Doreen Richter jedoch der Fakt, dass sich die meisten Eltern nicht eingestehen wollen, dass ihre Kinder Defizite haben, eine erhebliche Rolle. „Dabei brauchen meist zwei von drei Kindern Unterstützung“, weiß sie aus Erfahrung und räumt zugleich die Bedenken von einer teuren „Therapie“ aus dem Weg.
„Eine Stunde kostet 25 Euro“, erklärt die 34-Jährige, die Wert darauf legt, dass es sich dabei nicht um eine Therapie-, sondern eine Trainingsstunde handele, in der spielerisch, aber gezielt, an den Schwächen gearbeitet werde.
Ihr Pferd, eine Quarter-Horse-Stute namens Fly, sei währenddessen immer anwesend, wenngleich das Kind nicht 60 Minuten am Stück auf ihr sitze.
„Das Reiten kann alle Sinne schärfen“
Zu Beginn einer jeden Stunde werde zunächst der Kontakt zum Pferd aufgebaut, wie die gelernte Bürokauffrau schildert. „Dazu gehören auch das Putzen und Strieglen.“ Daran schließen sich individuell auf die Lernschwäche des Kindes abgestimmte Übungen an, allen voran in den Bereichen Motorik, Optik und Akustik, Körperschema sowie Raumorientierung.
„Das Reiten kann alle Sinne schärfen“, ist sie überzeugt; nimmt dabei aber keineswegs das Wort Heilung in den Mund. Denn: „Man bleibt ein Leben lang Legastheniker.“ Man kann die Schwäche jedoch mindern - mit ihrem Training.
Zu den leichteren Aufgaben gehört das Erkennen der Richtungen. Das Kind muss dabei auf dem Pferd sitzend beispielsweise die rechte Hand an das linke Ohr des Pferdes führen oder erkennen, ob die Trainerin, die hinter dem Pferd steht, von links oder rechts aus etwas zuruft.
Schwieriger wird es bei der liegenden Acht. Diese wird auf den Boden aufgezeichnet und anschließend von dem Kind mit dem Pferd abgegangen. An verschiedenen Positionen der Acht hält Doreen Richter dann eine Karte mit einem Wort hoch, welches laut vorgelesen und nach mehrfacher Wiederholung abschließend aufgeschrieben werden muss.
Derlei Übungen hat die Könneranerin mittlerweile einige im Repertoire. Doch regelmäßiges Training alleine mache noch keinen Meister: „Die Eltern müssen mitziehen.“ So lassen sich viele Probleme bereits zu Hause lösen. Denn nicht jeder, der Buchstaben verdreht, hat Legasthenie und nicht jeder, der Zahlen verdreht, hat Dyskalkulie. (mz)
