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HC Aschersleben Handball-Oberliga: Jens Schmidt handelt sich beim Spiel des HC Aschersleben gegen SV Hermsdorf eine Sperre ein

Von Tobias Grosse 21.04.2016, 21:05
Den Emotionen freien Lauf lassen: Das ist es, was Jens Schmidt (Mitte) ausmacht.
Den Emotionen freien Lauf lassen: Das ist es, was Jens Schmidt (Mitte) ausmacht. Hartmut Bösener

Aschersleben - Um den Handballer Jens Schmidt zu beschreiben, muss man erst mal ein paar Vokabeln entstauben, die man ja heutzutage kaum noch braucht. „Schlaksig“ ist so eine. Schmidt ist ein baumlanger Kerl, aber ohne diese animalische Physis, wie sie andere Kreisläufer haben. Er ist dennoch einer, der die Gegner gerne mit dem Kopf voran auf die Hörner nimmt.

Er wählt nicht den Weg des geringsten Widerstandes. Er ist, die nächste Vokabel, ein „Mann mit Ecken und Kanten“. Was er denkt, sagt er auch. Sätze wie: „Es braucht Typen, die auch mal übers Ziel hinausschießen.“ Er geht in jede Partie wie in eine Keilerei. Und natürlich haut er seine Kameraden raus, das ist Ehrensache. Ein echter - dritte Vokabel - „Kumpel“, dieser Schmidt.

Gefühle können einen überwältigen

Um nun keinen falschen Eindruck zu erwecken: Jens Schmidt ist kein Handballer, der aus der Mode gefallen ist, ganz und gar nicht. Er passt gut in die heutige Zeit. Doch er ist ein Handballer, der ein schwieriges Leben fristet.

Schmidt kann im Angriff selten mit spielerischem Zauber glänzen, er ist am Kreis abhängig von Zuspielen, soll hauptsächlich Lücken reißen, Sperren stellen und muss dabei immer den intensiven Kontakt der gegnerischen Abwehr einstecken. Schmidt ist einer, der die Drecksarbeit macht. Doch eh scheint er sich auf der anderen Seite des Feldes wohler zu fühlen.

Jens Schmidt ist ein Abwehrspezialist. In der Deckung kann er sich austoben. Seine langen Arme fährt er dort aus wie ein Krake, blockt Bälle und packt den Gegner. Höflichkeitsadressen sind seine Sache dabei nicht. „Ich versuche körperbetont zu spielen“, sagt er.

Schmidt lässt sich dann von seinem Gefühl leiten. „Handball ist Emotion“, sagt er. „Ohne Emotionen, können wir aufhören Handball zu spielen.“ Doch Gefühle können auch gefährlich sein. Sie können uns sowohl zum Guten als auch zum Schlechten veranlassen. Und manchmal scheinen sie einen sogar zu überwältigen. Auch Jens Schmidt.

Marcel Popa wird in der kommenden Saison nicht mehr das Trikot des HC Aschersleben tragen. Der 18-Jährige, der im Winter mit einem Zweitspielrecht ausgestattet vom SC Magdeburg nach Aschersleben am Ball kam, wechselt zum Drittligisten SV Anhalt Bernburg.

Sein letztes Spiel für den HCA hat Popa bereits am vergangenen Wochenende beim 29:23-Heimsieg gegen den HSV Apolda absolviert. In den kommenden Wochen nimmt er mit der A-Jugend des SCM, Popa ist Kapitän der Mannschaft, an der Endrunde der Deutschen Meisterschaft teil.

Im Viertelfinale, das am 24. und 30. April ausgetragen wird, trifft der Meister der A-Jugend Bundesliga Nord auf die SG Dutenhofen, die in der Ost-Staffel den zweiten Platz belegte.

Rückblick: Vor fünf Wochen war Schmidt mit dem HC Aschersleben beim SV Hermsdorf zu Gast. In der zweiten Hälfte wollte er einen Wurf blocken, als Hermsdorfs Tobias Högl frontal auf ihn zugerannt kam und ihn umrammte. Die Szenen sind auf Video festgehalten, Högls Attacke war völlig grundlos. Und sie wurde nicht bestraft. Nachdem er im direkten Gegenangriff auch noch Ascherslebens Clemens Grafenhorst im Wurf brutal abräumte, wurde es Schmidt zu viel.

Er lief auf den am Boden liegenden Högl zu und ließ sich laut Spielbericht zu einer Tätlichkeit hinreißen. Jens Schmidt bestreitet das, er beteuert, dass es einfach eine unglückliche Szene war. Zwar bezeichnet er seine Reaktion mittlerweile selbst als „dumm“, doch er entschuldigt sich dafür nicht. Tobias Högl ist ein Spieler, der den Ruf eines grobschlächtigen Kerls hat. „Solchen Leuten muss man zeigen, dass sie uns nicht verhauen können“, sagt Schmidt, „ich wollte auch Clemens in dieser Szene schützen.“

Stütze der HCA-Abwehr

Schmidts Kumpelhaftigkeit in allen Ehren, doch er hätte sich in dieser Szene besser im Griff haben müssen. Er weiß das. „Ich muss meine Emotionen besser steuern“, sagt er. Doch es ist ein Zwiespalt. Klar, auf der einen Seite steht der Emotionsbolzen Jens Schmidt, der ein Opfer seiner eigenen Art wurde. Auf der anderen Seite aber auch der, der ein Team mit dieser Art mitreißen kann. „Es gab genug Beispiele, in denen ich der Mannschaft damit geholfen habe“, sagt Schmidt.

Man muss ihm zweifellos Recht geben. Der 28-Jährige, der im vergangenen Sommer vom SV Eintracht Gommern nach Aschersleben kam, hat sich im Laufe der Spielzeit zu einer Stütze der HCA-Abwehr, die in der Rückrunde die zweitbeste der Liga ist, entwickelt. „Dass es auch mal negativ ausgeht, kann passieren“, sagt er. Es ist ein schmaler Grat.

„Wenn man das eine hat, muss man mit dem anderen leben.“ Schmidt bringt einen sportart-übergreifenden Vergleich. „Ohne einen Kahn, Jeremies und Effenberg wäre Bayern auch nie Champions League-Sieger geworden.“

Er bleibt der, der er ist

Fünf Spiele wurde Jens Schmidt für seine vermeintliche Tätlichkeit gesperrt. Drei hat er bereits abgesessen, die Oberliga-Saison hat allerdings nur noch zwei Spieltage. Die Spielzeit war für Schmidt schon nach dem Spiel in Hermsdorf beendet. „Absolut übertrieben“, findet er die Sperre. Auch am morgigen Samstagabend, wenn der HC Aschersleben um 19 Uhr in der Sporthalle Euroville in Naumburg beim HC Burgenland spielt, muss Schmidt zuschauen.

„Ich versuche trotzdem die Mannschaft zu pushen“, sagt er. „Aber es ist schwer, Woche für Woche ins Nichts zu trainieren.“ Ändern will Jens Schmidt sich und seine Spielweise allerdings nicht. „Ich werde versuchen, die Emotionen besser zu steuern. Aber wenn man mir die Emotionen verbietet, bin ich nicht mehr der, der ich bin.“ (mz)