Fleischerei Kipper in Alsleben Fleischerei Kipper in Alsleben: Wurst nach Rezepten des Großvaters

Alsleben/Bernburg - Die Tür scheint nicht stillstehen zu wollen. Kaum hat ein Kunde Wurst, Hackepeter und Co. im Einkaufsbeutel verstaut, steht schon der nächste vor der großen Ladentheke der Fleischerei Kipper in Alsleben. Für viele von ihnen ist es offenbar der Geschmack von Heimat, der sie immer wieder in das Traditionsgeschäft in der Neuen Torstraße kommen lässt.
Fleischermeister Hagen Kipper macht seine Wurst nämlich noch immer nach den alten Rezepten seines Großvaters. Der hat sie vor mehr als 70 Jahren aus seiner schlesischen Heimat mitgebracht.
Fleischerei und Gastwirtschaft
Die Wurzeln der weit über die Stadtgrenzen hinaus bekannten Fleischerei Kipper im Herzen von Alsleben reichen bis in das heutige Polen nach Langenau bei Breslau.
Dort betrieben Fritz und Margarethe Kipper, die Großeltern des heutigen Firmenchefs Hagen Kipper, eine Fleischerei mit Gastwirtschaft. Dort wurde selbst geschlachtet und für die Gäste gekocht.
Durch die Wirren des Zweiten Weltkriegs mussten die Kippers ihre Heimat verlassen. Fritz Kipper wurde zur Wehrmacht eingezogen. Margarethe Kipper zog in einem Treck mit ihren Kindern bis nach Bernburg. Nach seiner Kriegsgefangenschaft verdingte sich Fleischermeister Fritz Kipper als Hausschlächter in und um Bernburg.
Seit 1955 in Alsleben
1955 kam die Familie nach Alsleben und eröffnete in der Burgstraße ihre erste Fleischerei in der Region. Angeboten wurde dort, wie sollte es anders sein, Wurst nach alten schlesischen Rezepturen. Zehn Jahre später wurde es im angestammten Geschäft zu eng. Die Fleischerei zog 1965 an ihren heutigen Standort in der Neuen Torstraße, fünf Jahre später stand der erste Generationswechsel an. Georg Kipper übernahm 1970 die Fleischerei mit seiner Ehefrau Karin von seinem Vater und baute das Geschäft weiter aus. Doch es dauerte nicht lange, bis er auf die Entwicklung seiner Firma kaum noch Einfluss hatte.
Denn es folgte eine lange Zeit der Verstaatlichung. In den Jahren nach 1977 war die Hausschlachterei nur noch eine Konsum-Fleischverkaufsstelle. Doch schon bald machten der DDR Versorgungsengpässe sogar in den ländlichen Regionen zu schaffen. Für Georg Kipper war die Chance gekommen, wieder selbst zu schlachten.
Seit 1985 „LPG-Fleischerei"
1985 wurde der Betrieb in eine LPG-Fleischerei umgewandelt und musste wieder produzieren. Georg Kipper war zwar noch nicht wieder selbstständig. Doch immerhin hatte er die Geschicke des Familiengeschäfts als Betriebsleiter wieder in der Hand. „In dieser Zeit brauchte er eine Menge Beziehungen. Zu 20 Schweinen wurden auch nur 20 Lebern geliefert. Wenn man aber eine ordentliche Leberwurst machen wollte und dafür mehr brauchte, musste man sich schon ziemlich bemühen“, erinnert sich Hagen Kipper heute an die schwierige Zeit zurück.
Ähnlich verhielt es sich, wenn man Wienerwürstchen anbieten wollte. „Die Schafsaitlinge dafür waren kaum zu haben“, sagt Hagen Kipper, der 1987 das Fleischer-Handwerk beim Vater lernte und nach der Wende 1992 seine Meisterprüfung ablegte.
Nachfrage steigt seit 1990
Das Geschäft hatten seine Eltern gleich nach der Wende 1990 wieder aus staatlicher Hand übernehmen können. Zwei Jahre später wurde ein weiterer Laden in Bernburg eröffnet und ein Verkaufswagen angeschafft, den Hagen Kipper noch heute über Land schickt, um auch in Orten ohne Fleischerei regionale Produkte anbieten zu können.
Das Geschäft florierte, die Nachfrage nach frischen Produkten stieg wieder. Am Karlsplatz in Bernburg konnte von den Kippers schon 2002 ein weiterer Laden eröffnet werden. „Die Supermärkte waren ja zunächst, vor allem in den 1990er Jahren eine ernsthafte Konkurrenz für regionale Fleischereien“, sagt Hagen Kipper. „Wir beobachten aber inzwischen, dass auch wieder viele junge Familien zu uns kommen. Vielleicht verbinden sie den Geschmack unserer Produkte nach Hausschlachteart ja wirklich auch mit einem Heimatgefühl.“
Sechsmal „Bratwurstkönig“ bei Klosterweihnacht
Einen Namen hat sich die Fleischerei Kipper vor allem wohl wegen ihrer Bratwurst gemacht. Die ist nicht nur am Hauptsitz in Alsleben und in den Bernburger Filialen der Renner. Seit 2005 haben die Kippers den Titel „Bratwurstkönig“ im Rahmen der Bernburger Klosterweihnacht noch sechs Mal verteidigt. Der Wettbewerb wird jährlich von der Hochschule Anhalt ausgerichtet.
„Wir würden gern weiter ausbilden“
Inzwischen in dritter Generation führt nun der 46-jährige Hagen Kipper die Fleischerei - gemeinsam mit seiner Frau Kathrin. Aus dem anfänglich kleinen Familienbetrieb ist inzwischen ein Unternehmen mit aktuell insgesamt 25 Mitarbeitern geworden. Allein für acht Fleischer geht es täglich ab 5 Uhr morgens um die Wurst. Unter ihnen sind übrigens auch zwei Frauen. Immerhin findet man das vermeintlich schwache Geschlecht nicht allzu häufig in dem körperlich anstrengenden Beruf.
„Eine von ihnen hat sogar ihre Lehre bei uns gemacht und im vergangenen Jahr abgeschlossen“, sagt Hagen Kipper. Seitdem aber haben sich keine Azubis mehr bei ihm beworben. „Wir würden gern weiter ausbilden“, sagt der Fleischermeister, für den sich die Frage nach seinem Beruf nie gestellt hat. „Es macht einen schon traurig, wenn man sieht, wie ein Beruf so langsam ausstirbt.“
Zumindest für ihr Geschäft haben Hagen Kipper und Ehefrau Kathrin aber noch Hoffnung. Sein sechs Jahre alter Sohn ist schon jetzt nach der Kita jeden Tag mit in der Fleischerei. Und wer weiß: Vielleicht wächst so die vierte Generation heran. (mz)
