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Erdrutsch 2009 am Concordia See Erdrutsch 2009 Concordia See Nachterstedt: Pfarrer Holger Holtz erinnert sich an große Anteilnahme von vielen Menschen

Von Regine Lotzmann 17.07.2019, 17:56
Die Katastrophe: Ein riesiges Stück Böschung ist samt Häusern und Menschen am 18. Juli 2009 in Nachterstedt in den Concordia See gerutscht.
Die Katastrophe: Ein riesiges Stück Böschung ist samt Häusern und Menschen am 18. Juli 2009 in Nachterstedt in den Concordia See gerutscht. Archiv/Gehrmann

Nachterstedt - Sie waren gerade im Urlaub. Bei einer Hochzeit von Freunden. Damals, als am frühen Morgen des 18. Juli bei Nachterstedt völlig unerwartet 2,5 Millionen Kubikmeter einer alten Hochhalde in den Concordia See rutschten und drei Menschen, die in ihren Häusern noch schliefen, mit in die Tiefe rissen.

Am Donnerstag ist das genau zehn Jahre her. Doch Pfarrer Holger Holtz, der damals erst seit kurzem für die Seeland-Region zuständig war, kann sich noch ganz genau an das Unglück erinnern, bei dem auch 41 Menschen ihr Zuhause verloren. „Wir sind nach unserem Urlaub in ein ganz anderes Nachterstedt zurückgekehrt“, sagt der Pfarrer. „In einen Ausnahmezustand.“

„Das wurde immer größer. Hunderte Menschen waren da - bis hin zu Vertretern der Landesregierung“

Die Menschen standen unter Schock. Da war eine Bewegungslosigkeit, eine Starre. „Deshalb wollten wir“, spricht er von der gemeinsamen Entscheidung mit dem Gemeindekirchenrat, „die Kirche öffnen. Als Ort, wo man mit seiner Sprachlosigkeit einfach hingehen konnte. Das war der Gedanke.“

Doch der Pfarrer und seine Mitstreiter wurden überrascht. Eigentlich sollte es nur eine kleine Andacht werden. „Aber das wurde immer größer. Hunderte Menschen waren da - bis hin zu Vertretern der Landesregierung.“ Die Leute hätten sogar draußen gesessen, weil nicht alle in die kleine Kirche passten. „Eine riesige Anteilnahme von ganz, ganz vielen Menschen.“

Dass eine so kleine Gemeinde wie Nachterstedt in der Lage war, so etwas Großes zu leisten, habe ihm Kraft gegeben für seine ganze weitere Arbeit, gibt der Pfarrer zu.

Er sei dankbar, dass er die Menschen in dieser Zeit begleiten durfte. Er habe ihnen zugehört, die Hand gereicht - und sei menschlich bei all dem Leid, den Schmerzen, auch an seine Grenzen gekommen.

„Erinnern ist der richtige Weg und nicht das Verdrängen“ 

„Ich persönlich nehme aus dieser Zeit eine ganze Menge an Erinnerungen und Emotionen mit, die bleiben. Die Menschen, die mir da begegnet sind, werden immer Teil meines Lebens sein“, sagt der Pfarrer, der das Seeland nun zehn Jahre später Richtung Lüneburger Heide verlässt.

„Denn: Auch wenn das Leben weitergeht, das Erinnern ist der richtige Weg und nicht das Verdrängen“, findet Holtz. Und so habe die Kirche in jedem Jahr am Unglückstag einen Gedenkgottesdienst durchgeführt. „Wenn man auf die vergangenen Jahre schaut, war die Kirche die Institution, die das Erinnern wachgehalten hat.

Denn, auch wenn es jetzt zehn Jahre her ist, diese Katastrophe ist immer Teil der Geschichte dieses Ortes.“ Der Gemeindekirchenrat sei damit stets ein Stück weit an der Seite der Betroffenen geblieben.

„Denn im Erinnern liegt schließlich auch die Heilung. Das Unglück ist ein Teil unseres Lebens, ein schmerzhafter, dem wir seinen Raum geben, aber trotzdem können wir weiterleben und nach vorne blicken“, findet der Pfarrer.

Gottesdienstes am Donnerstag ist für Pfarrer Holger Holtz und seine Frau Friederike der letzte in der Region

Der will deshalb, auch wenn er bald in Hanstedt (Niedersachsen) lebt, Nachterstedt im Blick behalten, wissen, wie es hier weitergeht. Er wünscht den Menschen, dass die Region sich wieder positiv entwickeln kann. Die Seeöffnung auf der Schadelebener Seite am Wochenende sei da ein erster Schritt. „Es darf aber auch nicht vergessen werden, was war - zu Ehren der Verstorbenen.“

An sie soll auch während des Gottesdienstes am Donnerstag gedacht werden. Den gestaltet Pfarrer Holtz gemeinsam mit seiner Frau Friederike, die in den vergangenen Jahren den Pfarrbereich leitete.

„Das ist für uns der allerletzte Gottesdienst in dieser Region und damit auch etwas ganz Besonderes“, gibt der Pfarrer zu. „Ein würdiger Abschluss“, findet der 43-Jährige, der die Zeit im Seeland als prägend empfand. „Das wird immer ein wichtiger Teil unseres Lebens bleiben.“ (mz)

Nach dem Erdrutsch im Juli 2009 waren die Menschen geschockt - auch Seeland-Bürgermeisterin Heidrun Meyer.
Nach dem Erdrutsch im Juli 2009 waren die Menschen geschockt - auch Seeland-Bürgermeisterin Heidrun Meyer.
Archiv/Gehrmann
Seit Jahren wird mit Gedenkgottesdiensten an die Katastrophe von 2009 in Nachterstedt erinnert.
Seit Jahren wird mit Gedenkgottesdiensten an die Katastrophe von 2009 in Nachterstedt erinnert.
Archiv/Gehrmann