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  7. Zweiter Prozess gegen Höcke in Halle: Anwälte fordern Vernehmung des AfD-Stammtisches in Gera

Verbotene SA-Parole Zweiter Prozess gegen Höcke in Halle: Video-Botschaft des AfD-Politikers macht Staatsanwalt hellhörig

Er soll in Gera die verbotene SA-Losung „Alles für Deutschland“ genutzt haben: Der Thüringer AfD-Chef Björn Höcke muss sich erneut vor dem Landgericht Halle verantworten. Ein neues Video des Politikers macht die Staatsanwaltschaft hellhörig.

Von Jan Schumann Aktualisiert: 26.06.2024, 17:46
Der angeklagte AfD-Politiker Björn Höcke mit seinem Anwalt Ralf Hornemann (rechts).
Der angeklagte AfD-Politiker Björn Höcke mit seinem Anwalt Ralf Hornemann (rechts). (Foto: Hendrik Schmidt/DPA via AP, Pool)

Halle/MZ - In dem 48-Sekunden-Film trägt Björn Höcke eine silberfarbene Krawatte, hinter ihm fällt Sonnenlicht durch eine Baumkrone, eine Hand hat der AfD-Politiker lässig in die Hosentasche geschoben. „Liebe Freunde, wieder stehe ich in Halle vor Gericht“, spricht er seine Unterstützer im Internet an. „Vor wenigen Wochen bin ich dort erst wegen eines Alltagsspruches zu einer Geldstrafe von 13.000 Euro verurteilt worden.“ Seit Montag läuft der zweite Prozess in Halle, Höcke sagt dazu: „Diesmal geht es um Dinge, die nicht weniger trivial sind.“

Die Staatsanwaltschaft sieht das anders. Erneut hat sie den Thüringer AfD-Chef wegen der Verwendung einer verbotenen Nazi-Parole angeklagt: Höcke soll Ende 2023 den Slogan „Alles für Deutschland“ bei einem AfD-Stammtisch in Gera angestimmt haben. Laut Anklage sprach er die ersten zwei Worte der Parole selbst aus, dann habe er mit einer Handbewegung das Publikum zur Vollendung der Losung animiert.

Höckes Anwälte bestreiten Vorwürfe im zweiten Verfahren

„Alles für Deutschland“ war laut Staatsanwaltschaft eine Parole der nationalsozialistischen Sturmabteilung (SA). Schon im Mai war Höcke am Landgericht Halle verurteilt worden, weil er die selbe Losung 2021 in Merseburg nutzte. Er hat Revision eingelegt.

Das Video, das Höcke nun nach Start des zweiten Prozesses am Montagabend ins Netz stellte, hat die halleschen Ankläger hellhörig gemacht. Am Mittwoch stellt Staatsanwalt Benedikt Bernzen einen Beweisantrag: Der Film solle im Gerichtssaal gezeigt werden. Bernzen geht es vor allem um die Sätze, die Höcke im Mittelteil des noch immer online abrufbaren Videos sagt: „Wir haben Maulkorbparagrafen mittlerweile in diesem ach so freien Deutschland, die uns Oppositionellen mehr oder weniger den Einsatz für dieses Land unmöglich machen“, behauptet Höcke in dem Film.

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Der rechtsextreme Politiker fordert: „Dieser Zustand muss beendet werden.“ Und: „Ich verspreche euch: Wenn die AfD an der Regierung ist, dann werden diese politischen Schauprozesse aufgearbeitet werden.“

Richter will Video nicht abspielen

Man muss wissen: Höcke tritt im September als AfD-Spitzenkandidat bei der Thüringer Landtagswahl an, sein Ziel ist das Ministerpräsidentenamt. Staatsanwalt Bernzen hält das Video für möglicherweise prozessrelevant – und zwar für die Strafzumessung im Fall einer etwaigen Verurteilung Höckes. Der Ankläger betont am Mittwoch im Gerichtssaal: Statt Einsicht und Reue zu zeigen, stelle Höcke „einen persönlichen Rachefeldzug“ gegen beteiligte Juristen in Aussicht. Das zeige, dass Höcke das Prinzip der Gewaltenteilung ablehne.

Der AfD-Politiker ist über den Vorwurf empört, diese Interpretation seines Videos sei „infam“. Er betont stattdessen, dass die Staatsanwaltschaften in Deutschland weisungsgebunden seien – das sei ein „Durchbruch der Gewaltenteilung an entscheidender Stelle“, findet Höcke. Die AfD wolle dies ändern. „Ich weiß nicht, wie oft Sie schon einen Anruf aus dem Justizministerium bekommen haben“, sagt Höcke zu Bernzen.

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Allerdings: Richter Jan Stengel will das Video nicht abspielen. Denn der Kurzfilm tue zur Entscheidungsfindung im angeklagten Fall nichts zur Sache. Auch sonst ist es der Tag der Anträge in diesem Prozess: Sowohl die Höcke-Anwälte als auch die Staatsanwaltschaft stellen mehrere Beweisanträge.

Höckes Anwälte fordern Sachverständigen-Gutachten zu "Alles für Deutschland" 

Unter anderem will das Verteidiger-Duo des AfD-Politikers per Sachverständigen-Gutachten belegen, dass die Parole „Alles für Deutschland“ keine übergeordnete Bedeutung für die Nationalsozialisten und die SA gespielt habe. Die Staatsanwaltschaft hatte diesem Argument bereits im ersten Prozess entgegnet, dass jeder SA-Dienstdolch die Parole als Gravur auf der Klinge trug. Höckes Anwälte beantragen zudem, alle Teilnehmer des Geraer Stammtisches zu vernehmen: Denn die „Deutschland“-Rufe aus dem Publikum könnten Höcke nicht zugerechnet werden, argumentierte der Jurist.

Über den Großteil der Beweisanträge wird am kommenden Montag entschieden, dann wird der Prozess fortgesetzt. Im Falle einer Verurteilung droht Höcke eine Geldstrafe oder eine Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren.