Sie steht im Guinness-Buch der Rekorde „Turn-Oma“ Johanna Quaas aus Halle im Alter von 98 Jahren mit dem Bundesverdienstkreuz geehrt
Johanna Quaas gilt als älteste Athletin ihres Sports. Auch mit 98 Jahren macht die Hallenserin täglich Übungen. Für ihren Einsatz wurde sie nun ausgezeichnet.
Halle/MZ. - Eine Rolle, sagt Johanna Quaas, die könne sie noch. „Das ist kein Problem, aber dafür brauche ich die richtige Unterlage“, erzählt die 98-Jährige. Auf ihrem Balkon sei der Boden zu hart. Da gehe das mit der Rolle nicht. Dafür mache sie dort, an der frischen Luft, jeden Tag Liegestütze am Geländer und Kniebeugen. „Das tut mir gut und hält mich fit“, meint die Seniorin, die in Halle wohnt.
Auch der Boden in der Staatskanzlei in Magdeburg ist eher nicht zum Vor- und Rückwärtsrollen geeignet. „Ich hatte aber sowieso kein Turnzeug dabei“, berichtet Quaas. Mit dem Ministerpräsidenten habe sie in dessen Amtssitz am Mittwoch ohnehin anderes zu tun gehabt. Denn da wurde der „Turn-Oma“, wie sie in der Sportlergemeinschaft respektvoll genannt wird, von Reiner Haseloff (CDU) in der Staatskanzlei das Bundesverdienstkreuz verliehen – die höchste staatliche Auszeichnung, die Privatpersonen in Deutschland für ihr Engagement erhalten können. Damit werden „ihre viele Jahrzehnte währenden Verdienste um den Turnsport geehrt“, heißt es in der Begründung. Johanna Quaas habe sich internationale Anerkennung erworben – und das, obwohl sie nie Profisportlerin war, sondern immer Amateurin. Seit 2012 führt sie das Guinness-Buch der Rekorde als älteste Wettkampfturnerin der Welt. Mit ihren 98 Jahren ist Quaas zudem eine der ältesten Personen, der ein Bundesverdienstkreuz verliehen wurde.
Hinter der Sporthalle in Hohenmölsen begann Quaas mit dem Turnen
An ihre erste Turnstunde, sagt die Rentnerin, könne sie sich nicht mehr erinnern. „Was ich aber noch weiß, ist, dass das mit dem Turnen schon in Hohenmölsen anfing“, erzählt Johanna Quaas. In der Stadt im Burgenlandkreis wurde sie im November 1925 geboren. „Hinter der Sporthalle waren mehrere Geräte aufgebaut, im Freien“, erzählt die 98-Jährige. Ein Metallgestell, ein Reck, Kletterstangen – immer verfügbar und von Johanna Quaas oft genutzt. „Ich hatte drei Freundinnen aus der Nachbarschaft, mit denen ich dort immer Übungen machte; das war eine schöne Zeit.“
Weil sie nicht nur Freude am Sport, sondern auch Talent hat, nahm Quaas 1934 an ihrem ersten Wettkampf teil. Trotz des Zweiten Weltkriegs schloss sie 1945 ihre Ausbildung zur Sportlehrerin ab, spielte aber erst einmal Handball, weil Turnen bis 1947 verboten war. Von da an allerdings blieb die Sachsen-Anhalterin Reck und Barren treu. In der Turnhalle unterrichtete sie Generationen von Nachwuchsathleten in der Körperkunst. Beruflich war sie nach einem Studium an der Uni Halle angestellt, wo sie am Institut für Körpererziehung für die Ausbildung von Sportlehrern mit zuständig war.
Erster Meistertitel erst it 57 Jahren
1983 – mit 57 Jahren – wurde Johanna Quaas erstmals DDR-Meisterin beim Deutschen Turn- und Sportfest in Leipzig. Solange sie bei Amateurwettkämpfen turnte, war sie Siegerin in ihren Altersklassen. So etwa bei allen Deutschen Turnfesten seit 1990 sowie bei den Jahn-Turnfesten in Freyburg (Burgenlandkreis). Mit 92 Jahren nahm sie das letzte Mal an einem Wettkampf teil. Auf die Frage, wie sie es schaffe, noch im hohen Alter so fit zu sein, antwortete sie: „Immer bewegen und dabei Spaß haben. Alles essen, aber in Maßen“.
Nicht nur in der Turnszene erlangte die „Turn-Oma“ eine hohe Bekanntheit. Durch Videoaufnahmen ihrer Geräteküren wurden auch Fernsehsender und Showveranstalter auf Quaas aufmerksam. Sie trat weltweit in TV-Sendungen auf. 2015 wurde sie in den USA mit der Aufnahme in die Hall of Fame der Turner geehrt. „Mir war das fast schon ein bisschen peinlich“, sagt die 1,50 Meter große Athletin heute. Sie habe nie internationale Titel gewonnen. „Aber Turnerinnen, die ich trainiert habe, waren zumindest bei Olympischen Spielen dabei.“ Ihr größter Erfolg, sagt sie, sei immer die Arbeit mit dem Nachwuchs gewesen. „Die Kinder an den Sport heranzuführen, sie über die Matten krabbeln und hüpfen zu sehen, das hat mir die meiste Freude bereitet.“
Im Augist will Quaas zum Jahn-Turnfest
Mit ihrem Mann, dem 2016 gestorbenen Kunstturntrainer Gerhard Quaas, hat Johanna Quaas drei Töchter. Noch heute, sagt die 98-Jährige, sei sie ab und an in der Turnhalle. Übungen mache sie nicht mehr. „Aber ich kenne da noch ein paar Leute, mit denen ich mich dann unterhalte.“ Dem Turnsport wolle sie weiter treu bleiben – allerdings in passiver Form. So sei fest geplant, dass sie im August in Freyburg am Jahn-Turnfest teilnimmt, das zum 100. Mal stattfindet. „Allerdings werde ich dort natürlich nur Zuschauerin sein“, sagt Johanna Quaas.