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Früherer MZ-Verlagschef verstorben Trauer um Heinz Kiegeland

Niemals von oben herab: In der heutigen MZ in Halle begann Heinz Kiegeland seinen Weg an die Spitze eines der größten deutschen Zeitungshäuser.

Von Hans-Ulrich Köhler 15.04.2023, 06:00
Heinz Kiegeland ist verstorben. Er hatte einen einzigartigen Lebensweg als Ost-West-Manager.
Heinz Kiegeland ist verstorben. Er hatte einen einzigartigen Lebensweg als Ost-West-Manager. (Foto: Andreas Stedtler)

Halle/MZ - Wenn er so freundlich über seine Brille guckte, hatte das etwas Gütiges, Erwartungsfrohes, Schelmisches. Das signalisierte: Ich interessiere mich wirklich für Dich, höre Dir zu, bin neugierig, nehm Dich ernst. Am 8. April wäre Heinz Kiegeland 80 geworden. Vier Tage zuvor verstarb er.

Einzigartiger Lebensweg

Nach dem Mauerfall nahm der Buchdrucker und Polygrafie-Ingenieur einen einzigartigen Lebensweg, der ihn bis an die Spitze eines der größten deutschen Zeitungsverlage führte. 1976 startete er in der SED-Bezirkszeitung „Freiheit“. Er stieg schnell auf, fiel tief und erklomm Höhen, die er nie für möglich gehalten hätte. Darüber staunte er bis ins hohe Alter. Weil er sich mit West-Verwandtschaft heimlich auf der Autobahn getroffen hatte, stoppte die Stasi 1986 Kiegelands Karriere – „politisch unzuverlässig“. Er wurde als Leiter in einen kleinen Betriebsteil des Hauses versetzt. Jahrzehnte später befand der Kölner Verleger Alfred Neven DuMont, der 25 Jahre lang auch Herausgeber der Mitteldeutschen Zeitung war: „Kiegeland ist angeeckt und nicht zu Kreuze gekrochen. Das war nicht seine Art.“ Dabei: ein Gegner des Sozialismus war er auch nicht, sonst hätte er nicht die Druckerei einer der größten SED-Blätter der DDR führen können.

Von der Belegschaft gewählt

1989 kehrt er als Geschäftsführer zurück. Dass er, wie auch „Freiheit“-Chefredakteur Stefan Lehnebach, im Wendeherbst von 90 Prozent der Belegschaft an die Spitze der Hauses gewählt wurde, machte ihn Zeit seines Lebens stolz. Bald lernte Heinz Kiegeland aber auch, dass sich mit basisdemokratischen Methoden kein Unternehmen dauerhaft führen lässt und ein Redaktionsstatut im Zeitungsalltag nur einen beschränkten Wert hat. Was viele seiner Mitstreiter ihm und dem damaligen Chefredakteur hoch anrechnen, ist, dass es über viele Jahre gelang, eine Beschäftigungsgarantie zu bewahren, die Alfred Neven DuMont gegeben hatte, als er 1990 die MZ kaufte.

Verhandlungsgeschick und Führungsqualität

Der Kölner Verleger hatte in den zähen Verhandlungen mit der Treuhand gemerkt, dass er mit Kiegeland einen Mann an der Seite hatte, der mit Verhandlungsgeschick und Führungsqualität half, den Weg für das Kölner Haus zu ebnen. Neven DuMont war beeindruckt und bestätigte ihn als Chef seines halleschen Verlagshauses. Heinz Kiegeland hob sich hier wohltuend von mancher zugereister Führungskraft ab. Die im Sozialismus erworbene Lebenserfahrung half beim Übergang in den Kapitalismus: Man muss mit den Mitarbeitern reden, einfühlsam, verständnisvoll und nie von oben herab, lieber mal länger als zu kurz. So motivierte er stets die Menschen, die er führte, in Ost wie in West. Sie lernen aber auch, dass der so freundliche und umgängliche Chef ein harter Hund sein konnte, wenn er durchsetzen musste, was für richtig gehalten wurde. Er hatte großen Anteil daran, dass das Medienhaus in Halle erfolgreich mit dem Kölner Verlag M. DuMont Schauberg zusammenarbeiten konnte, technisch, journalistisch und wirtschaftlich.

Initiator des Bürgerpreises und Förderer von „Wir helfen“

Das hat er so gut gemacht, dass ihn Alfred Neven DuMont 2002 zum Chef der Verlagsgruppe M. DuMont Schauberg machte („Kölner Stadt-Anzeiger“, „Express“, MZ). Bis zu seinem Ruhestand 2008 führte der Hallenser das Unternehmen. Dass er gegen seine Überzeugung dafür sorgen musste, dass Neven DuMont die Frankfurter Rundschau und die Berliner Zeitung kaufen konnte, hat Heinz Kiegeland in seiner Lebensbilanz als nicht so glücklichen Moment verbucht. Beide Engagements wurden später erfolglos beendet. Mit viel mehr Fortune realisierte er Millioneninvestitionen in Halle und Köln, die den Zeitungen dort den erfolgreichen Übergang ins digitale Zeitalter möglich machen. Neben dem Ost-West-Manager gab es aber auch noch den ganz anderen Kiegeland, den Förderer des Vereins „Wir helfen“, den Initiator des halleschen Bürgerpreises, den Impulsgeber in der IHK-Vollversammlung, wo er sich für die regionale Wirtschaft stark machte.

Einzigartiges Kapitel deutscher Mediengeschichte

Kiegelands Lebensleistung bildet ein einzigartiges Kapitel deutscher Mediengeschichte. Kein anderer ostdeutscher Zeitungsmann ist im vereinten Deutschland so hoch gestiegen. Wer mit ihm ein langes Arbeitsleben zurück gelegt hat, dem bleibt er als einer in Erinnerung, der sprach, wie man hier eben so spricht, hallisch. Er schickte gern mal ein „Meiner“ vorweg, wenn er listig über den Brillenrand schaute und jemanden – in Halle – für etwas gewinnen wollte: „Meiner, wir müssen jetzt mal...“ Mach’s gut, Meiner.