Planspiel Pol&IS Simulation konfrontiert Schüler mit Ukraine-Konflikt: Wie haben sie reagiert?
Drei Tage lang haben Schüler aus Zeitz diskutiert und um Lösungen gerungen, um die politischen und wirtschaftlichen Herausforderungen dieser Zeit zu meistern. Wie sich der Ukraine-Konflikt in ihrer Pol&IS-Simulation entwickelt hat.

Naumburg/Zeitz/MZ. - Die Nato und Russland stationieren verstärkt Truppen in Osteuropa, Japan erhöht trotz internationaler Kritik seine Walfangquote und im Nahen Osten ruft der Islamische Staat das Kalifat aus. Nachrichten wie diese erreichen uns täglich. Wie würden junge Menschen derartige Herausforderungen angehen? Die MZ hat einen kleinen Einblick erhalten.
28 Schüler des Zeitzer Geschwister-Scholl-Gymnasiums sind in Naumburg (Burgenlandkreis) versammelt. Sie sitzen in einem großen Saal, aufgeteilt auf mehrere Tische. Darauf kleine Flaggen, zum Beispiel der EU oder Chinas. Drei Tage simulieren sie im Planspiel Politik und Internationale Sicherheit, kurz Pol&IS, das Weltgeschehen samt Wirtschaft.
In den 1980er Jahren von einem Politikwissenschaftler entworfen, existieren in Pol&IS verschiedene Akteure. Darunter Institutionen wie die Vereinten Nationen oder die Weltbank, aber auch die verschiedenen Weltregionen.
Schüler sehen wirtschaftliche Abhängigkeit von Russland und Saudi-Arabien
Martin Köhler, Jugendoffizier der Bundeswehr und Betreuer des Planspiels, erklärt: „In der Simulation bringen wir Schüler auf nationaler und internationaler Ebene in die Verantwortung von Führungspositionen. Damit haben sie die Möglichkeit, die Probleme der Welt auf eigene Art und Weise zu verstehen und anzugehen.“
Eine Runde simuliert ein Jahr und dauert etwa einen halben Tag. Zu Beginn jeden Pol&IS-Jahres werden die Nachrichten verlesen. Inhalt ist dann zum Beispiel der Hurrikan Irma, der die Küstenregion Nordamerikas zu verwüsten droht. Die Meldungen vermitteln den Elftklässlern die regionalen und globalen Herausforderungen. Im Anschluss überlegen und diskutieren die Schüler in verschiedenen Zusammensetzungen, wie darauf reagiert werden könnte.
Max Jahr hat die fiktive Position des Europa-Regierungschefs übernommen. Wirtschaftlich sei die Region sehr gut aufgestellt. Nur im Energiesektor bestehe eine gewisse Abhängigkeit von Arabien und Russland. Eine Herausforderung sei es, diesen Bedarf zu decken, so der 17-Jährige. Aber das sei Aufgabe der Wirtschaftsministerin.
„Der Welthandel zeigt die globalen Abhängigkeiten. Man ist immer auf andere Staaten angewiesen“
Im Nebenzimmer, das im Rahmen der Simulation „Wirtschaftsraum“ genannt wird, herrscht derweil großes Gewusel. Für wenige Minuten findet der Welthandel statt, in denen die Minister der Regionen versuchen, ihre Defizite auszugleichen. Dabei können sie ihre Handelspartner frei wählen. Landwirtschaft, Energie, Rohstoffe, Industrie, Geld und Müll – jede Region hat ihre eigenen Stärken und Schwächen, erklärt Jugendoffizier Köhler. Die jeweiligen Wirtschaftswerte sind anfangs vorgegeben. Sie können sich jedoch im Laufe der Simulation – abhängig vom Geschick der Schüler – ändern.
„Der Welthandel zeigt die globalen Abhängigkeiten, die es gibt. Man ist immer auf andere Staaten angewiesen“, erklärt Köhler. „Wenn sich einer egoistisch hervortut, wird man sehen, dass es global an allen Ecken zu bröckeln beginnt.“ Damit es für alle vorangeht, müsse kooperiert werden. Wirtschaftsgüter seien ausreichend vorhanden und lediglich ungleich verteilt.

Doch ganz so einfach scheint das nicht zu sein. Denn in diesem Simulationsverlauf hungern die Menschen in China – zumindest vorübergehend, wohingegen der Nahrungsmittelbedarf der USA doppelt gedeckt ist. Und auch andernorts herrscht ein Ungleichgewicht. Daraus könne eine Industriekrise resultieren, so Köhler. Doch das könne im nächsten Pol&IS-Jahr korrigiert werden. „Unser Auftrag ist auch, zu zeigen, dass die Probleme miteinander verwoben sind und wir alle davon betroffen sein können.“ So habe beispielsweise die Piraterie am Horn von Afrika einen Einfluss auf die Handelsrouten und damit auf die gesamte Welt.
Schüler zu Kriegsrisiko in Europa: „Wir streben ein friedliches Zusammenleben an“
Und die eingangs erwähnten Truppenaufmärsche in Osteuropa (in der Simulation befinden wir uns zeitlich kurz vor Ausbruch des Ukraine-Krieges)? Max Jahr, Regierungschef der Region, erklärt, er und seine europäischen Mitstreiter haben sich Gedanken gemacht und gemeinsame Ziele definiert. „Zum Beispiel, dass wir ein friedliches Zusammenleben anstreben und auf keinen Fall irgendwelche Kriege starten.“ Das Problem in Osteuropa haben beide Seiten dann mit Truppenabzügen gelöst. Zusätzlich haben Europa und Russland einen Nichtangriffspakt geschlossen. „Das hat funktioniert. Und ich denke, wir alle können sehr zufrieden damit sein.“ Auch aufgrund der gegenseitigen wirtschaftlichen Abhängigkeit lohne sich die friedliche Koexistenz der beiden Regionen.
Mit dabei ist auch Ines Pfannenschmidt, Lehrerin für Sozialkunde und Geschichte. Bereits seit 25 Jahren nehmen ihre Schüler an den Pol&IS-Seminaren teil. „Was mir auffällt, ist, dass der Gedanke der Friedfertigkeit, der Gleichbehandlung und des Umweltschutzes oft im Vordergrund steht.“ Auch unkonventionelle Lösungen seien in diesem Rahmen schon gefunden worden. So habe eine Gruppe einst entschieden, die wachsenden Müllberge kurzerhand ins Weltall zu befördern.
Die von den Schülern erarbeiteten Vorschläge und ausgeführten Handlungen haben direkten Einfluss auf den Verlauf der Simulation. Denn der Jugendoffizier und seine Kollegen bewerten die Maßnahmen und reagieren dynamisch auf das Geschehen. Dass gut gemeinte Ideen jedoch nicht immer auch zum Erfolg führen, zeigt ein Beispiel aus Nordamerika. Auf die zahlreichen Schusswaffentoten in den USA hat das entsprechende Team mit der Streichung des jahrhundertealten Rechtes reagiert, Waffen zu tragen und zu besitzen. Die Folge: bewaffnete Ausschreitungen und massive Proteste.
Mit Polizeikontrollen und Razzien erfolgreich gegen Bandenkriminalität
Erfolgreicher verlief die Bekämpfung der Bandenkriminalität in Schweden. „Wir haben Polizeikontrollen und Razzien durchgeführt, wo die Kriminalität am höchsten war“, erklärt Europa-Regierungschef Max Jahr das Vorgehen seiner Gruppe. Gemeinsam mit Präventivmaßnahmen an Schulen habe man das Problem so in den Griff bekommen.
Die Frage, ob es Schülern bereits einmal gelungen sei, sämtliche Probleme zu lösen, verneint Köhler. „Die Welt ist nie konfliktfrei. Deswegen wird das bei Pol&IS auch nicht der Fall sein.“ Aber es gebe natürlich gewisse Teilerfolge.
Und was ist den Schülern aus Zeitz gelungen? Tim Wehlte, der die Rolle des UN-Generalsekretärs übernommen hat, fasst die drei Tage zusammen: „Es war sehr cool, aber auch sehr anstrengend.“ In internationaler Zusammenarbeit haben die Jugendlichen gemeistert, was Arabien allein nicht geschafft hat: den sogenannten Islamischen Staat zurückzudrängen.
Schüler investieren lieber in Umweltschutz als in Krieg - Welt versinkt trotzdem im Müll
Auch die Wahrung des Friedens ist geglückt. „Wir alle haben uns bemüht, dass die Welt funktioniert und kein Krieg ausbricht. Am Ende gab es Bündnisse zwischen den Nationen. Krieg war damit unmöglich. Ich denke, damit waren alle zufrieden“, sagt Tim Wehlte. Doch nicht nur der Frieden selbst sei den Schülern ein Anliegen gewesen, vermutet der 16-Jährige. Auch für die immensen Militärausgaben haben die Schüler wohl bessere Einsatzmöglichkeiten gesehen. Europa-Chef Max Jahr bestätigt diese Annahme: „Wir haben das Geld lieber für den Umweltschutz oder Organisationen wie Amnesty International ausgegeben.“
Und dennoch: Weniger erfolgreich waren die Jugendlichen bei der Bekämpfung der Umweltverschmutzung. „Wir hatten schon relativ früh in der Simulation ein riesiges Müllproblem“, erzählt Tim. Am Ende wurde ein globaler Grenzwert überschritten, der im darauffolgenden Jahr wiederum negativen Einfluss auf die landwirtschaftlichen Erträge gehabt hätte. Aufgrund der weltweiten Probleme, sei für den Müll letztendlich immer zu wenig Geld übrig geblieben, erklärt Tim Wehlte den gemeinsamen Misserfolg.
„Egal ob Klimawandel oder andere Konflikte: Im echten Leben gibt es immer Nationen, die sagen, sie können oder wollen gerade nicht mehr unternehmen. Das habe ich jetzt besser verstanden.“ Denn auch bei dem Planspiel sei das immer wieder vorgekommen.