"Schreiben nach Gehör" bleibt erlaubt "Schreiben nach Gehör" bleibt erlaubt: AfD scheitert im Landtag mit Verbot der Methode

Magdeburg - Wer schon immer wissen wollte, welchen pädagogischen Ansatz der AfD-Schulpolitiker Hans-Thomas Tillschneider als Lehrer verfolgen würde, bekam am Freitag im Landtag einen deutlichen Eindruck. „Kinder sind leider oft genug faul und uninteressiert“, donnerte er. Sie müssten daher geführt werden, Lernerfolge gebe es nur mit Fleiß und Mühe. „Schluss mit dem pädagogischen Laissez-faire“, forderte Tillschneider. Seine Attacke richtete sich gegen das sogenannte „Lesen durch Schreiben“, eine umstrittene Methode zum Lesenlernen. Die AfD möchte sie verbieten. Damit stand sie aber im Landtag allein da.
Schreiben nach Gehör: Tillschneider von der AfD sieht darin „das Herabsinken auf Idiotenniveau“
Der Schweizer Reformpädagoge Jürgen Reichen hatte den alternativen Ansatz in den 70er Jahren entwickelt. Grundschüler sollen so schnell wie möglich kleine Texte verfassen, um durch Freude am Erfolg Lesen zu lernen, so der Plan. Auf eine Korrektur der Rechtschreibung verzichten die Lehrer zunächst - die Schüler schreiben so, wie sie es hören. Tillschneider sieht darin „das Herabsinken auf Idiotenniveau“.
Wie viele Lehrer in Sachsen-Anhalt auf „Schreiben nach Gehör“ setzen, ist unbekannt: Die Schulen können frei entscheiden, das Bildungsministerium bekommt auch keine Rückmeldung. „Höchstens eine Handvoll Schulen“ verwendeten die Methode in ihrer Reinform, sagt Thekla Mayerhofer vom Grundschulverband Sachsen-Anhalt. Mischformen seien verbreitet - dabei bekämen die Schüler aber Rückmeldungen zur korrekten Rechtschreibung.
Bildungsminister Marco Tullner zum Schreiben nach Gehör: Lehne ein Verbot ab
Bildungsminister Marco Tullner (CDU) verteidigte die Methodenvielfalt im Landtag. Alle Kinder müssten lernen, was in den Lernplänen stehe. „Ob das aber von rechts oder von links passiert, ist mir egal.“ Ein Verbot lehnte Tullner ab: „Ich maße mir nicht an, eine Methode in den Orkus der Geschichte zu werfen.“ Genau das ist in Hamburg und Baden-Württemberg passiert. Andere Länder denken derzeit über ein Verbot nach.
In Sachsen-Anhalts Landtag hat Tullner jedoch breite Rückendeckung. SPD, Linke und Grüne setzen auf die pädagogische Freiheit und Verantwortung der Lehrer. Birke Bull-Bischoff (Linke) sagte, nicht Drill, Rohrstock und Drohungen motivierten Kinder, sondern Spaß am Lernen.
Den AfD-Antrag auf Verbot von „Schreiben nach Gehör“ lehnte der Landtag mit den Stimmen aller anderen Parteien ab. (mz)