Kommentar zum Angriff auf die Brandmauer Es geht um den Platz in der Mitte
Öffnet sich die CDU zur AfD, verprellt sie viele Wähler in Sachsen-Anhalt. Auf dem Spiel steht die letzte Volkspartei.

Magdeburg/MZ - Knapp sechs Jahre ist es her, dass der Harzer CDU-Kreisvorsitzende Ulrich Thomas für Bündnisse mit der AfD warb. Es müsse endlich „der mehrheitliche Wille der Wähler in Sachsen-Anhalt tatsächlich umgesetzt werden“, hieß es in seiner umstrittenen „Denkschrift“. Damals konnte sich Thomas nicht durchsetzen – jetzt legt er nach.
Er nutzt gezielt die Phase, in der bei den Christdemokraten ohnehin schon Unzufriedenheit brodelt. Dass die Debatte um das Verhältnis zur AfD erneut aufbricht, hat vor allem Parteichef Friedrich Merz mit seinem Schlingerkurs zu verantworten.
Annäherung an AfD? Merz selbst stellte die Brandmauer in Frage
Zwar war er es, der den Begriff „Brandmauer“ populär gemacht hat und auch begründen kann, warum extremistische, demokratiefeindliche, diktatorenfreundliche Positionen von AfD-Politikern mit christlich-demokratischen Positionen nichts gemein haben. Er war es aber auch, der für einen letztlich unbedeutenden Abstimmungserfolg im Bundestag AfD-Stimmen in Kauf nahm. Das gibt nun all jenen Auftrieb, die austesten wollen, was so geht.
Mit der Annäherung an die in Sachsen-Anhalt als erwiesen rechtsextrem eingestufte Partei würde die CDU viele Wähler verprellen. Etliche haben die Partei 2021 nur aus Sorge gewählt, die AfD könne als stärkste Partei aus dem Rennen gehen.
2019 hatte Merz in Sachsen-Anhalt Autorität - aber jetzt?
Sie haben Reiner Haseloff vertraut, der einen strikten Abgrenzungskurs gegen die AfD vertritt. Sollte die CDU all jene Wähler verlieren, die einen Kurs der politischen Mitte wollen, wäre sie keine Volkspartei mehr. Das ist es, was auf dem Spiel steht.
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2019 hatte Merz ausreichend Autorität, um die Parteifreunde in Sachsen-Anhalt hinter seinem Kurs zu versammeln. Damals galt er als Hoffnung aller Konservativen und als derjenige, der den Schwerpunkt der Partei nach den Merkel-Jahren neu ausrichtet. Diesen Nimbus hat Merz durch seine abrupte Abkehr von zentralen Wahlversprechen zerstört. Wer nur soll die Partei jetzt auf Kurs halten?