Pro und Contra Pro und Contra: Schulstreik fürs Klima? Oder nennt sich das "Schwänzen"?

Pro von Kai Gauselmann
Schlimm, diese Jugend! Statt frisch gewaschen und ordentlich gekämmt Mathe in der Schule zu pauken, stürmen die auf die Marktplätze und fordern Klimaschutz!
Aber genug der Ironie, die Sache ist Ernst: Dass so viele junge Leute für ihre Interessen friedlich demonstrieren gehen, kann man nur begrüßen. Dass sie dafür die Schule schwänzen und Konsequenzen in Kauf nehmen, unterstreicht nur die Ernsthaftigkeit des Anliegens.
Natürlich, wir sind in Deutschland, Ordnung muss sein - und wenn man mit den Demonstranten nicht in der Sache streiten kann oder will, greift man diese Jugendbewegung eben über Formalitäten an: der Unerfahrenheit ihrer Vorkämpferinnen oder eben der Verletzung der Schulpflicht.
In Sachsen-Anhalt dürfte das in vielen Fällen, und das ist leider keine Ironie, ohnehin ein theoretisches Problem sein. Hier fällt – gerade in der Grippesaison – derart viel Unterricht aus, dass vermutlich in vielen Fällen ohnehin kein Unterricht stattgefunden hätte.
Aber selbst, wenn: Protest, der ausschließlich auf Akzeptanz stößt, hilft Menschen beim politischen Erwachsenwerden auch nicht weiter. Da braucht es Reibung, Widerstand, an dem man wachsen kann. Insofern, liebe Eltern und Großeltern: Wenn die Klimaschutzschulschwänzer nach Hause kommen, gucken Sie bitte streng, schimpfen Sie ein bisschen - und lassen dann den Nachwuchs zuhause eine Runde Mathe pauken.
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Kontra von Andreas Montag
So löblich und moralisch die Initiative ist, die von der jungen Schwedin Greta Thunberg und ihren Eltern ausgegangen ist - Kinder sollten auch am Freitag zur Schule gehen.
Der Vergleich „Friday for Future“-gerührter Erwachsener, Arbeitnehmer streikten schließlich auch, wenn sie etwas verändern wollten, hinkt an entscheidender Stelle. Denn während ein Arbeitskampf zur Durchsetzung legitimer Lohnforderungen das jeweilige Unternehmen schwächt und es zum Einlenken bewegt, fügen sich Schüler durch das gut gemeinte „Schwänzen“ selbst Schaden zu. Ohnehin versäumen die Kinder wegen erkrankter Lehrer oder unbesetzten Stellen in den Schulen eine Menge an wichtigem Lernstoff. Den brauchen sie aber, um ihren Platz im Leben zu finden.
Wie wäre es denn, gingen Eltern und Kinder gemeinsam für ein so lebenswichtiges Anliegen wie Umwelt und Klima auf die Straße? Aber am Samstag. Gern in jeder Woche, ich wäre dabei.
Nun wird jemand einwenden, samstags wären nur wenige zum Protest bereit. Das ist nicht stichhaltig. Liegt einem so viel an dem Thema, wird sich ein Stündchen abzwacken lassen. Dass es funktionieren kann, wurde im vorigen Herbst bewiesen. Da gingen allein in Berlin eine Viertelmillion Menschen für eine solidarische Gesellschaft auf die Straße. An einem Samstag. Und die Spaziergänge zur Rettung des Hambacher Forstes fanden sonntags statt.
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