Brummi-Boom auf Autobahnen in Sachsen-Anhalt Platznot bedroht Lkw-Branche
Der Mangel an Stellplätzen an den Autobahnen ist ungebrochen. Fahrer berichten von miserablen Bedingungen. Warum Spediteure nun vor Schaden für die Wirtschaft warnen.

Halle/MZ. - Immer mehr Lkw, zu wenige Parkplätze: Der Brummi-Boom auf den Autobahnen in Sachsen-Anhalt verschärft die Stellplatznot und setzt die Logistikbranche zunehmend unter Druck. Abends quetschen sich die Sattelzüge auf Seitenstreifen und Auffahrten der Rastplätze. Das sei ein Sicherheitsrisiko und sorge für miserable Arbeitsbedingungen der Fahrer, sagte Jörg Hinze, Leiter des Fernfahrerstammtischs Sachsen-Anhalt, der MZ. „Du findest keine Ruhe. Und über Toiletten wollen wir gar nicht erst reden“, so Hinze. Diese Situation belastet zunehmend auch die Speditionen.
An welchen Autobahnen der Mangel am größten ist
Denn die Lage abseits der Fahrbahn ist prekär: Laut einer Erhebung der Bundesanstalt für Straßen- und Verkehrswesen (BASt) fehlen in Deutschland rund 20.000 Stellplätze für Lkw, jeder vierte Sattelzug wird nachts illegal abgestellt. In Sachsen-Anhalt ist der Mangel an den Autobahnen 2, 9, 14 und 38 am größten. Hier gibt es laut BASt mindestens einen Lkw-Parkplatz pro Fahrbahnkilometer zu wenig. Dabei steuern die Behörden bereits gegen. Nach Angaben der Autobahn GmbH stieg die Zahl der Lkw-Stellplätze seit dem Frühling um 600 auf 4.200 an. Doch der Verkehr nehme schneller zu als man neue Parkplätze bauen könne, teilte die Autobahn GmbH Ost mit. Das Thema werde deshalb „prioritär“ behandelt. Bei den Lkw-Fahrern sei davon allerdings nichts zu spüren, sagte Jörg Hinze. „Das ist alles nur halbherzig.“ Die schlechten Bedingungen sorgten auch dafür, dass Fahrer der Branche den Rücken kehrten. Diese Lücke füllten zunehmend Firmen aus dem Ausland.
So viele Lkw-Fahrer fehlen in Deutschland
Denn laut dem Logistikverband BGL fehlen bundesweit über 100.000 Lkw-Fahrer. „Das ist das größte Problem für die Branche“, sagte BGL-Vorstandssprecher Dirk Engelhardt. Neben Hürden etwa bei der Anerkennung von ausländischen Führerscheinen seien es auch überfüllte Rastplätze und dreckige Toiletten, die den Fahrermangel schürten. „Es ist einfach widerwärtig“, sagte der ehemalige Fernfahrer. Die Bedingungen förderten so eine Abwanderung der Aufträge ins Ausland. „Dort fahren Fahrer für polnische Unternehmen für einen Hungerlohn.“
Warum keine schnelle Abhilfe möglich ist
Also mehr Parkplätze bauen? Das sei keine Lösung, so die Autobahn GmbH. Denn laut einer staatlichen Empfehlung gilt ein Mindestabstand zwischen Rastplätzen – und in Sachsen-Anhalt werde der bereits vielerorts unterschritten. Hinzu kämen „langwierige Baurechtsverfahren“. Kurzfristig lasse sich der Stellplatzmangel so nicht eindämmen. Der Bund setzt daher auch auf private Investoren.
Trotzdem bleiben Plätze bei Investor frei
Einer von ihnen ist Gerhard Hauptstein. Der Unternehmer aus Bayern hat an der A9 bei Vockerode (Landkreis Wittenberg) einen zweistelligen Millionenbetrag in einen Luxusparkplatz für Lkw investiert. Zwölf Euro kosten hier zwölf Parkstunden. Doch über zwei Jahre nach Eröffnung bleiben die meisten der über 100 Stellplätze leer. „90 Prozent wollen für das Parken nicht zahlen“, sagte Hauptstein. Viele Fahrer würden schlecht entlohnt, die Speditionen wollten sparen. Nun will er mit staatlichem Fördergeld 60 kostenlose Parkplätze anbauen.
Bald längere Lkw?
BGL-Vorstand Engelhardt sieht in solchen Projekten einen Beitrag zur Lösung. Das allein reiche aber nicht aus. Er plädiert auch für unkonventionelle Ansätze – etwa für eine Reform der zulässigen Längen von Sattelzügen. So könnten Lkw mit einer Campingeinheit samt Toilette und Frischwassertank ausgestattet werden, ähnlich wie in einem Wohnmobil. Dann könnten die Trucker auch abseits bewirtschafteter Rastplätze unter guten Bedingungen übernachten, sagte Engelhardt. Mit Blick auf den wachsenden Bedarf an Transporten auf der Straße sei das nötig. Denn: „Ohne Lkw-Fahrer wird das nicht funktionieren.“