Pauschale animiert zu volleren Tonnen Müllgebühren Sachsen-Anhalt: Pauschale animiert zu volleren Tonnen
Halle (Saale) - In mehreren Landkreisen Sachsen-Anhalts werden Verbraucher durch pauschale Gebühren dazu animiert, viel Müll zu produzieren. Wie viel Abfall pro Kopf jährlich anfällt, unterscheidet sich je nach Landkreis erheblich. So produzierten die Einwohner im Jerichower Land 2015 den meisten Müll pro Kopf und Jahr: 743,3 Kilogramm Rest-, Bio-, Plastik-, Papier- und Sperrmüll aus privaten Haushalten. Vorreiter in der Müllvermeidung war hingegen der Landkreis Wittenberg, wo nur 389,6 Kilogramm weggeworfen werden. Das geht aus aktuellen Zahlen des Statistischen Landesamtes hervor.
Abfallexperte vom Nabu: Nach Gewicht gestaffeltes Preismodell führt zu weniger Abfall
Wie bei Telefonverträgen, bei denen entweder nach Minuten abgerechnet oder eine Flatrate vereinbart wird, gibt es auch bei der Müllentsorgung pauschale oder mengenabhängige Gebührenmodelle. Laut Benjamin Bongardt, Abfallexperte bei der Naturschutzorganisation Nabu, führt ein nach Gewicht gestaffeltes Preismodell zu weniger Abfall. „Wenn ich den Restmüll teurer mache, ist das ein Signal, Abfall zu vermeiden und mehr zu trennen“, sagt er. Schließlich müsse jedes Kilo Abfall, das in der gelben oder Biotonne landet, nicht bezahlt werden.
Tatsächlich schneiden die Landkreise mit pauschalen Abfallgebühren schlecht bei der Müllvermeidung ab: Im Jerichower Land - wo am meisten Müll anfällt - kostet eine graue 120-Liter-Tonne pauschal 261,60 Euro pro Jahr. Im Salzlandkreis, auf Platz zwei der Müllverursacher-Rangliste, werden pro gemeldetem Einwohner pauschal 34,92 Euro im Jahr fällig. Dagegen kostet in Wittenberg jede einzelne Leerung einer 120-Liter-Tonne 5,83 Euro, im Altmarkkreis Salzwedel müssen die Einwohner bei jeder Abholung der 120-Liter-Tonne 6,60 Euro bezahlen. Der Effekt: Es wird wesentlich weniger Müll produziert. Bongardt hält die flächendeckende Einführung des sogenannten „pay as you throw“- (zu deutsch: zahle, was du wegwirfst) Modells erst dann für sinnvoll, wenn Bürgern überall eine kostenlose Biotonne zur Verfügung steht, damit ein Anreiz zur Mülltrennung entsteht.
Jerichower Land stellt Preismodell um - Sprecherin: Bisher "veraltetes Abfallentsorgungssystem"
Als Konsequenz aus der Erkenntnis stellt das Jerichower Land sein Preismodell zum März 2017 um. Von da an sollen auch die Bürger zwischen Magdeburg und Brandenburg nur für das zahlen, was sie wegwerfen. Grund für das hohe Müllaufkommen sei „unser veraltetes Abfallentsorgungssystem, welches keinerlei Anreize bietet, Müll zu vermeiden“, so eine Sprecherin des Landkreises. Deshalb werden nun elektronische Chips nachgerüstet, die jede Leerung erfassen. So weit ist der Salzlandkreis noch nicht. Hier will man an Pauschalpreisen festhalten, weil man fürchtet, dass Bürger den Müll bei einer Mengen-Abrechnung in die falsche Tonne oder gleich in die Natur werfen. „Die Erfahrungen zeigen, dass man die Abfalltonne am meisten nutzt, welche am wenigsten kostet“, sagt Ralf Felgenträger, Leiter des Kreiswirtschaftsbetriebs des Salzlandkreises.
Umweltexperte vom BUND hält Sorge vor illegalen Müllkippen für unbegründet
Christian Kunz, Mitglied des Landesvorstands für den Umweltverband BUND, hat im Umweltausschuss des Jerichower Lands die Umstellung begleitet. Er hält die Angst vor mehr illegalen Müllkippen für unbegründet und verweist auf den Saalekreis. Dort wird in einigen Orten pauschal, in anderen nach Gewicht abgerechnet. Ab kommendem Jahr wird dort die Gebührenordnung vereinheitlicht - überall gilt dann der Preis pro Kilo. „Untersuchungen haben gezeigt, dass das illegale Ablegen von Müll sich dort nicht erhöht“, sagt Kunz. (mz)