Seltener Fall am Universitätsklinikum Halle Mitten ins Herz: Wie eine OP einer jungen Mutter nach der Geburt das Leben rettete
Hightech-Medizin kann Menschen auch in dramatischen Situationen helfen. Einer jungen Mutter hat das Team des Universitätsklinikums Halle kurz nach der Geburt mit einer speziellen Kunstherz-OP das Leben gerettet. Wie das gelingen konnte.

Halle/MZ. - An den Moment, als er den Anruf bekam, erinnert sich Gábor Veres noch genau: „Ich hatte Dienst, und es hieß, eine junge Frau habe nach der Geburt ihres Kindes schwere Herzprobleme. Man wolle sie jetzt zu uns verlegen.“ Das war der Anfang einer dramatischen Geschichte mit einer seltenen Erkrankung, einer ganz speziellen Operation, viel Hoffen und Bangen – und dank Hightech-Medizin und Teamwork einem guten Ende.
Aber der Reihe nach: Dr. Gábor Veres ist ein erfahrener Herzchirurg. Er ist Leitender Oberarzt seiner Fachabteilung am Universitätsklinikum in Halle, Hunderte Operationen hat er in seiner Laufbahn, die ihn aus Ungarn über Heidelberg nach Halle führte, bereits absolviert.
Und dennoch ist dieser Fall, über den er nun mit etwas Abstand erzählen kann, auch für ihn alles andere als alltäglich. Schließlich ging es um eine junge Mutter, die gerade erst einem Kind das Leben geschenkt hatte – und die nun um ihr eigenes kämpfen musste. „Das war natürlich auch eine seelische Belastung, nicht nur für mich, sondern für unser gesamtes Team hier in der Klinik.“ Intensivmedizin, Anästhesie, Herzchirurgie: Alle wussten, was auf dem Spiel steht.

Denn die Erkrankung, unter der die junge Mutter litt, ist genauso selten wie tückisch. „Sie trifft auch Frauen, die vorher vollkommen gesund sind“, erläutert Veres. So, wie die Patientin in Halle, die im Krankenhaus „St. Elisabeth und St. Barbara“ ihr Kind entbunden hatte. Die Geburt selbst verlief problemlos. Doch dann verschlechterte sich der Zustand der Frau. Einhergehend mit Luftnot und Schwäche wurde die Situation lebensbedrohlich, so dass sie ins Uniklinikum verlegt werden musste.
Selten und tückisch
Grund dafür war eine sogenannte peri- oder postpartale Kardiomyopathie (PPCM). Hinter dem Fachbegriff verbirgt sich eine schwangerschaftsbedingte Herzschwäche, die sich in den Wochen vor, während oder auch nach der Geburt entwickeln kann. Dabei zeigt sich eine Beeinträchtigung der Pumpleistung der linken Herzkammer, von der aus sauerstoffreiches Blut durch die Aorta in alle Gewebe des Körpers transportiert wird.
Durch die Störung dieser lebenswichtigen Funktion kommt es bei den betroffenen Frauen zu Müdigkeit, Kurzatmigkeit und geschwollenen Beinen. Symptome, die nicht selten in einer Schwangerschaft oder nach der Entbindung auftreten. Aber es kann eben auch diese sehr spezielle Herzkrankheit dahinterstecken.

Wie in diesem Fall: „Das war wirklich eine schwerwiegende Sache“, sagt Gábor Veres. Zwar gebe es eine spezielle Medikation, die betroffenen Frauen helfen könne, aber diese Therapie schlägt nicht immer wie gewünscht an. „Die Dosierung war ausgereizt, wir mussten reagieren“, ergänzt der Herzchirurg und außerplanmäßige (apl.) Professor an der Universitätsmedizin.
Ich hatte Dienst und es hieß, eine junge Mutter habe schwere Herzprobleme.“
apl. Prof. Dr. Gábor Veres, Herzchirurg
Für die junge Mutter kam, vereinfacht gesagt, ein spezielles Kunstherz in Frage – für das der Chirurg lieber den exakten Fachbegriff verwendet: „Es handelt sich um ein Impella-System.“ Dieses wird Patienten implantiert, um deren Herz temporär zu unterstützen. Etwa, wenn das Organ, das in gesundem Zustand täglich rund 10.000 Liter Blut durch unsere Gefäße pumpt, nach einer Herzmuskelentzündung – einer Myokarditis – oder nach einem operativen Eingriff geschwächt ist.
Ein Impella-System entlastet das Herz
Oder auch im Fall dieser seltenen Herzschwäche nach der Geburt. „Die Frau war in einer lebensbedrohlichen Situation, die Implantation hat uns Zeit verschafft“, erklärt Veres. Zeit, die es zu überbrücken gilt, bis sich das Herz durch die operativ herbeigeführte Entlastung erholt und die medikamentöse Therapie dann endgültig Besserung und Heilung verspricht.
„Wir benutzen dabei ein minimalinvasives Verfahren“, sagt der Herzchirurg. In den letzten fünf Jahren hat er in Halle bereits rund 80 solcher Impella-Systeme implantiert. Eine Routine-OP sei das Ganze dennoch nicht, auch wenn das ganze Team sich immer sorgfältig vorbereite und wisse, was in welcher Situation zu tun sei.
Doch jeder Fall sei individuell und bedürfe höchster Konzentration. Schließlich wird die kleine Hightech-Pumpe durch einen nur drei Zentimeter großen Schnitt über eine präparierte Arterie mithilfe von Drähten implantiert: „Wir schieben das Gerät direkt ins Herz hinein, bis zur Herzspitze.“
Dort saugt das System Blut an und leitet es in die Hauptschlagader weiter, das Herz muss somit nicht gegen einen Widerstand arbeiten. Je nach Ausführung kann eine solche Impella maximal sogar die komplette Herz-Kreislaufleistung für einen Menschen erbringen, also fünf bis sechs Liter Blutvolumen pro Minute befördern, wenn das die anatomischen Gegebenheiten zulassen. Oder, wie bei der jungen Mutter, in einer kleineren Ausführung bis zu vier Liter erreichen.
Die ersten Schritte nach der OP
Rund eineinhalb Stunden dauerte es, bis die OP der Frau beendet war. Nach etwa einem Tag war sie wieder wach. Ganz langsam, immer medizinisch überwacht, durfte sie sich dann wieder in Bewegung setzen, nach gut einer Woche erste Schritte auf dem Flur gehen – und in der Klinik Zeit mit Kindern und Partner verbringen. „Das ist ja auch enorm wichtig“, sagt der Herzchirurg.
Nach dem Eingriff bleibt ein solches künstliches Herzunterstützungssystem in der Regel für bis zu 30 Tage im Körper. Im Fall der Kindesmutter war sogar noch ein etwas längerer Zeitraum nötig, in dem regelmäßige Untersuchungen wie Ultraschall anstanden. Und in denen sich die Unimediziner aus Halle über ein Netzwerk auch mit anderen Spezialisten austauschten, etwa aus Hannover, die weitreichende Erfahrungen mit dieser Form der Erkrankung haben. „Wir wollten der Patientin natürlich die bestmögliche Therapie bieten,“ so Gábor Veres.
Mit Defibrillatorweste nach Hause
Die Bemühungen waren erfolgreich. „Nach 51 Tagen war der gesundheitliche Zustand der Patientin so stabil, dass sie auf eigenen Wunsch entlassen werden konnte“, erklärt Dr. Songül Secer, Fachärztin für Innere Medizin und Kardiologie in der Herzchirurgie der Unimedizin. Die Nachsorge erfolgte dann durch die Hochschulambulanz in Kooperation mit der Hausärztin der jungen Frau.
Diese wurde zunächst mit einer Defibrillatorweste und einem Gerät für die Messung des Blutgerinnungswertes ausgestattet, um ihren Zustand engmaschig kontrollieren zu können. „Die Werte hat sie uns täglich telefonisch übermittelt, so dass wir die Medikamente jederzeit optimal anpassen konnten“, sagt Secer. Die junge Frau erholte sich, die Beschwerden verschwanden komplett.
Das alles dank einer Teamleistung, auf die man am Uniklinikum stolz ist: „Bei einer solch akuten Form der PPCM ist schnelles Handeln entscheidend, um das Risiko für schwerwiegende Komplikationen zu verringern“, betont Prof. Dr. Gábor Szabó, Direktor der Universitätsklinik und Poliklinik für Herzchirurgie. „Alle Beteiligten haben vorbildlich zusammengearbeitet und so eine reibungslose und sichere Versorgung der Patientin gewährleistet.“
Fall bleibt noch lange im Gedächtnis
Professor Veres – der Chirurg, der der jungen Mutter die lebensrettende Pumpe implantiert hat – wirkt erleichtert, aber auch ein wenig nachdenklich, wenn er auf den Fall zurückblickt. Die Umstände, die Dramatik mit einer Frau in Lebensgefahr so kurz nach der Entbindung, werden ihm wohl noch lange im Gedächtnis bleiben. „Wir versuchen als Team immer alles, um unseren Patienten zu helfen“, sagt er mit ruhiger Stimme. „Aber das war doch schon etwas ganz Besonderes.“