Linda Hesse im MZ-Interview Linda Hesse im MZ-Interview: Schlagerstar über Castings-Shows Putztücher und Rehbraten

Halle (Saale) - „Ich bin ja kein Mann“ stellte Linda Hesse vor rund fünf Jahren musikalisch klar und mischte damit die Schlagerszene auf. Die Hitsingle aus ihrem Debütalbum „Punktgenaue Landung“ katapultierte die gebürtige Halberstädterin in die Charts und brachte ihr den Publikumspreis „Goldene Henne“ als Aufsteigerin des Jahres ein.
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Mit ihrem dritten Album „Sonnenkind“ geht Linda Hesse nun auf Akustik-Tour. Gemeinsam mit ihrer sechsköpfigen Band präsentiert sie Songs, die große und kleine, wichtige und scheinbar unwichtige, aber immer emotionale Geschichten des Alltags erzählen. Am 22. Mai, ihrem 30. Geburtstag, steht die leidenschaftliche Sängerin um 20 Uhr auf der Bühne des Alten Theaters Magdeburg. Sylvia Pommert hat für die MZ im Vorfeld mit Linda Hesse gesprochen.
Das Konzert in Magdeburg fällt genau auf Ihren 30. Geburtstag. Schmerzt es Sie, 30 zu werden?
Hesse: Nein, gar nicht. Auch weil ich den Tag genauso verbringen kann, wie ich mir das immer gewünscht habe: Auf der Bühne, mit meiner Band, mit Fans und Freunden und mit der Familie. Ich glaube, das wird eine richtig coole Party. Ich habe also Menschen um mich, mit denen ich gern einen schönen Tag und einen schönen Abend verbringe.
Und wie es heißt, kocht Ihre Oma aus diesem Anlass.
Hesse: Na das sowieso. Normalerweise haben wir an Konzerttagen ein Catering. Aber wenn wir in Sachsen-Anhalt spielen und meine Oma oder auch meine Mama in der Nähe sind – sie haben beide eine Gaststätte in Halberstadt – dann bekommen wir gutes Essen aus der Familienküche.
Wie alt ist die Oma denn?
Hesse: 74.
Da arbeitet sie noch?
Hesse: Ja, sie steht jeden Tag in der Gaststätte und kümmert sich darum, dass es den Gästen gut geht. Und ich glaube, das hält sie auch jung. Sie braucht das Gefühl, gebraucht zu werden. Und sie liebt die Gesellschaft anderer Menschen. Da ist sie wie ich. Wir sind beide vom Sternzeichen Zwilling. Ein paar Tage nach meinem Geburtstag wird sie 75.
Was schmeckt bei Oma am besten?
Hesse: Wildgerichte. Sie macht einen fantastischen Rehbraten. Der wird nach ihrem Rezept auch in der Gaststätte so zubereitet. Also, der ist richtig lecker. Und der Rotkohl … Backen kann sie übrigens auch ganz wunderbar.
Tatsächlich?
Hesse: Das ist eine Kunst für sich. Die Oma macht einen Stachelbeerbaiser, da wird der Baiser so hoch … also das ist unvorstellbar. Ich habe mir jetzt das Rezept geben lassen, und es funktioniert tatsächlich. Das Rezept bleibt aber in der Familie. Wild und Baiser schmecken nach Kindheit und Vertrautheit. Das werde ich wohl immer am liebsten essen.
Am besten machen wir an dieser Stelle einfach einen scharfen Schnitt und wechseln vom Essen zur Karriere, oder? Sie haben ja schon sehr früh begonnen, daran zu arbeiten, haben unter anderem Gesangsunterricht genommen. Mit 30 können Sie nun schon ein wenig zurückschauen. Ist alles so gelaufen, wie Sie es sich gewünscht haben?
Hesse: Ja, ich habe schon mit vier oder fünf Jahren erklärt, dass ich Sängerin werden möchte. Dass es aber tatsächlich so gekommen ist, realisiere ich eigentlich erst jetzt. Ich hätte mir nicht vorstellen können, dass ich einmal hauptberuflich Sängerin bin und nichts anderes tue, als das, was mir den größten Spaß macht: Auf der Bühne stehen und Alben produzieren. Klar war es immer mein Plan A. Ich habe dafür gekämpft. Ich hatte nie eine Alternative im Kopf. So muss ich wohl bisher alles richtig gemacht haben. Klar, ein paar Kurven habe ich auch genommen. Es geht nicht immer geradeaus. Aber jeder Schritt war für irgendetwas gut und führte letztlich zum Ziel. Deshalb stelle ich auch nichts in Frage, was bisher war.
An welche Kurve denken Sie?
Hesse: Eine Casting-Show.
Das Fernsehformat Star-Search also. Dort hatten Sie sich 2004 beworben.
Hesse: Ja. Das war schon etwas anderes als das, was ich jetzt mache. Jetzt singe ich meine eigenen Lieder mit meiner Band. Aber der Weg hierhin war geprägt von Musik unterschiedlichster Art. Ich habe Titel nachgesungen und habe mit ein paar Mädels als „Wir3“ auf der Bühne gestanden. Ich habe jede Zeit genossen. Aber jetzt bin ich angekommen. Und es gibt offenbar immer mehr Leute, denen gefällt, was ich mache.
Sie hatten wirklich keinen Plan B?
Hesse: Nee. Natürlich habe ich immer wieder darüber nachgedacht, was ich machen könnte, wenn es mit dem Beruf als Sängerin nicht klappt. Es ist mir nichts eingefallen. Obwohl … Ich durfte ja mal bei der „Mitteldeutschen Zeitung“ schauen, wie ein Journalist arbeitet. Also das hat mir schon gefallen. Ich fand es spannend, und es hat mir Spaß gemacht. Sollte sich noch einmal eine solche Gelegenheit zum Probe-Tag in der Redaktion ergeben, bin ich sofort dabei. Ich melde mich schon mal vorsorglich an. Nachdem ich also da reingeschnuppert hatte, dachte ich: Das wäre wohl eine Alternative gewesen! Allerdings: Da war ich schon Sängerin.
Der Schnupperkurs kam also zu spät. Es blieb beim Schlager. Oder bei der neuen deutschen Mucke, wie Sie sagen.
Hesse: Ich will mich gar nicht auf Pop oder Schlager oder solche Kategorien festlegen. Für mich ist es einfach deutsche Musik. Und die ist total facettenreich. Aber auch unmissverständlich. Und das mag ich total. Gerade wenn es, wie in meinem Falle, darum geht, Geschichten zu erzählen. Deutsche Musik ist tanzbar, ist zum Träumen und zum Lachen. Da ist für jeden etwas dabei. Ich finde sowieso, dass der Weg vom Grönemeyer zum Bendzko und von Nena zu Carpendale gar nicht so weit ist. Die Grenzen sind fließend. Und das nicht nur bei den Künstlern, die seit Jahrzehnten auf der Bühne stehen, sondern auch bei denen aus der jungen Generation, also bei Silbermond, Mark Forster, Annett Louisan und Linda Hesse. Ich glaube, sie alle denken nicht in Kategorien oder Schubladen und ihr Publikum auch nicht. Das sind Acts, die echte Musik machen. Und da schließe ich mich ein. Da kommt nichts aus der Dose. Allen geht es um Leidenschaft. Um Lieder, die zu Herzen gehen.
Welches Mitspracherecht haben Sie bei der Entstehung Ihrer Titel?
Hesse: Die Songs schreiben wir gemeinsam. Das ist eine Sache, die zwischen dem Texter Joachim Horn-Bernges, dem Komponisten und Bandmitglied André Franke und mir passiert. Wir sind gemeinsam in Berlin unterwegs – oder sitzen beim Italiener - lassen das Leben auf uns wirken und entwickeln Ideen. So war es von Anfang an. So entstand „Ich bin ja kein Mann“ und so entstand das „Sonnenkind“. Bei diesem dritten Album habe ich auch einige Zeilen zu Papier gebracht. Das brauchte eine Weile. Aber inzwischen habe ich eine Menge gelernt, und jetzt hatte ich den Mut dazu.
Sie werden weiter texten?
Hesse: Auf alle Fälle. Wir arbeiten schon am vierten Album, das 2018 herauskommen soll.
Wo sehen Sie sich in fünf oder zehn Jahren? Wovon träumen Sie?
Hesse: Mit den Träumen ist es so eine Sache. Wenn sie Angst machen, sind sie vielleicht nicht groß genug. Sie dürfen und müssen also groß sein, denn dann sind sie auch ein Ansporn. Träume tragen mich und treiben mich an. In fünf Jahren sehe ich mich ganz klar auf der Bühne. Da fühle ich mich einfach zu Hause, da fühle ich mich so wohl, so gut. Nach Monaten im Studio, wo das „Sonnenkind“ entstand, habe ich die ersten Auftritte wieder richtig genossen. Ich kann mir nicht vorstellen, in fünf oder zehn Jahren irgendetwas anderes zu machen. Wenn man hier einmal heiß gelaufen ist, wird die Liebe zur Bühne zur Liebe fürs Leben. Ich bin gespannt, wohin die Reise mich führen wird.
Sie sind aber auch ein Familienmensch. Wieviel Zeit bleibt dafür?Hesse: Wenig. So oft es geht, fahre ich nach Hause oder die Familie kommt zum Konzert. Kürzlich allerdings habe ich meine Oma geschnappt und bin mit ihr in Richtung Süden gefahren. Wir beide sind Bayern-München-Fans. Ich hatte Tickets für die Allianz-Arena besorgt. Zwei Tage Urlaub haben wir gleich noch angehängt und sind in die Berge gefahren. Das sind besondere Momente, die in Erinnerung bleiben. Das ist Zeit, die man sich nehmen muss. Übrigens: Bayern München hatte gewonnen.
Kurz vor dem 30. Geburtstag darf man auch nach der eigenen Familienplanung fragen …
Hesse: Ja, ich bin nicht verlobt und nicht verheiratet und ich fürchte, das schaffe ich bis zum 30. auch nicht mehr. Das ist ein bisschen heikel, denn bei uns gibt es einen Brauch. Meine Mutter erzählt immer davon: Wenn ein Mann mit 30 noch nicht verheiratet ist, muss er die Treppe fegen. Wenn eine Frau mit 30 noch solo ist, muss sie Klinken putzen.
Wie? Im übertragenen Sinne?
Hesse: Nein echt, mit Putztuch. Das ist etwas, wovor mir grault. Ich habe keine Vorstellung, wie das ablaufen soll. Tatsächlich möchte ich mir für meine Familienplanung richtig Zeit nehmen. Keine Kinder zwischen Tour und Album, nichts überstürzen.
In festen Händen sind Sie aber. Wie man erfahren konnte, gehört Ihr Herz schon eine ganze Weile Ihrem Manager André Franke. Nur mit der Hochzeit wird es wohl nichts mehr bis zum Geburtstag, oder?
Hesse: Nein, bis dahin stehen wir ja jeden Tag gemeinsam auf der Bühne unserer Sonnenkind Akustik Tour. Und da wird musiziert und nicht geheiratet. Ich muss also mich wohl oder übel auf das Klinkenputzen einstellen. (mz)