ChatGPT-Alternative? KI „Made in China“: Deepseek macht Reiner Haseloff zum unverhofften TV-Star
„Deepseek“ ist eine neue künstliche Intelligenz aus China – und hat Anfang der Woche in den USA die Aktienkurse fallen lassen. Vieles an ihr ist beeindruckend, es bleiben aber auch Fragen offen. Etwa was sie alles (nicht) über Sachsen-Anhalt weiß.
Halle (Saale)/MZ. - „Reiner Haseloff ist ein deutscher Schauspieler und Sänger“, zumindest wenn man die gehypte künstliche Intelligenz (KI) „Deepseek“ aus China fragt. Das ist etwas überraschend, weil Reiner Haseloff eigentlich als Berufspolitiker und Ministerpräsident von Sachsen-Anhalt bekannt ist. Dennoch hat Deepseek in den vergangenen Tagen für Furore gesorgt und so manchen Aktienkurs amerikanischer Großkonzerne wie Google, Amazon oder Nvidia abstürzen lassen.
In vielen Benchmarks habe Deepseek den Platzhirsch ChatGPT erreicht oder sogar übertroffen, verkündet das chinesische Startup selbstbewusst. Und vieles daran ist beeindruckend. Allerdings kämpft Deepseek mit ähnlichen Kinderkrankheiten wie das große Vorbild ChatGPT aus den USA.
Darum noch einmal zurück zu unserem regionalen Beispiel. Ministerpräsident Reiner Haseloff ist laut Deepseek plötzlich Schauspieler, bekannt durch seine Rolle als „Kurt“ in der Fernsehserie „Türkisch für Dummies“. Halles langjähriger Oberbürgermeister Bernd Wiegand wiederum wird kurzerhand zum hessischen CDU-Politiker, der einst Bürgermeister von Offenbach war. Solche falschen Antworten einer KI nennt man „Halluzinieren“. Auch ChatGPT hat gerade am Anfang ebenfalls viele solcher Fehler gemacht. Wirklich trauen sollte man den inhaltlichen Aussagen von Deepseek derzeit also noch nicht.
Deepseek führt innere Monologe
Das Besondere an Deepseek ist eigentlich, dass das Programm nicht einfach Antworten ausspuckt, sondern sich vorher "Gedanken" macht. Dabei kann man der KI quasi zuschauen. Sie fragt sich in einem inneren Monolog selbst: „Welche Informationen habe ich eigentlich über Reiner Haseloff?“ Oder „Ist er ein deutscher Politiker?“, zieht aber am Ende oft doch die falschen Schlüsse.
Menschlich gesprochen könnte man sagen, Deepseek leidet unter dem Dunning-Kruger-Effekt. Es hält sich für schlauer und kompetenter als es ist. Statt dies im Denkprozess zu merken, erfindet es vermeintliche Fakten.
Allerdings muss man dem Modell zugutehalten, dass es vor allem mit chinesischen und englischen Daten trainiert wurde. Von deutscher Politik und deutscher Sprache kann es also nicht viel wissen.
US-Vormacht bei Künstlicher Intelligenz erleidet Kratzer
Darüber hinaus liegt die Stärke dieses „Nachdenkens“ und „Reflektierens“ vor einer Antwort vor allem in Fragen, die Logik erfordern. Zum Beispiel bei mathematischen Problemen oder in der Informatik. Bei Wissensfragen liegt ChatGPT noch vor Deepseek und hat im Test der Mitteldeutschen Zeitung korrekt Haseloff als Ministerpräsidenten und Bernd Wiegand als langjährigen Oberbürgermeister der Stadt Halle richtig benannt.
Was Deepseek aber gezeigt hat: Die Vormachtstellung der USA auf dem KI-Markt ist nicht unangefochten. Das chinesische Modell mag nicht perfekt sein, aber es scheint weniger Strom und Rechenleistung zu benötigen als beispielsweise ChatGPT. Zudem ist der Programmcode von Deepseek „Open Source“, also für jedermann zugänglich. Das ermöglicht auch den Betrieb auf einem privaten PC oder sogar auf einem Smartphone, sogar ganz ohne Internetverbindung.
Die chinesische KI zeigt, dass KI-Modelle immer effizienter werden und auch andere Länder noch aufholen können. Selbst wenn sie wie China durch die USA von verschiedenen Schlüsseltechnologien wie modernen Rechenchips mehr oder weniger abgeschnitten sind.
Werden KI-Assistenten ohne Internetverbindung möglich?
Die dunkle Seite dahinter: Ähnlich wie bei ChatGPT ist unklar, mit welchen Daten genau die KI trainiert wurde. Teilweise gibt sich Deepseek in Antworten als ChatGPT zu erkennen. Das zeigen zahlreiche Screenshots, die im Netz kursieren. Und auch Open AI, die US-Firma hinter ChatGPT, wirft den Machern von Deepseek genau das vor, nämlich Daten des amerikanischen Produkts zum Training der chinesischen KI verwendet zu haben. Aber auch viele andere Texte werden hier ohne Wissen der Urheber in das Training des KI-Modells eingeflossen sein. Genau kann man das nicht wissen, da fast alle KI-Firmen geheim halten, mit welchen Inhalten sich ihre Programme Wissen angeeignet haben.
Nutzt man die offizielle Website des chinesischen Chatbots, fällt zudem auf, dass die KI auf einige Fragen keine Antwort geben will. Zum Beispiel, was 1989 auf dem Tian’anmen-Platz passiert ist oder welches Staatsoberhaupt eine gewisse Ähnlichkeit mit „Pu, dem Bären“ hat. Ein Vergleich der Comicfigur mit dem chinesischen Staatspräsidenten Xi Jinping ist in China verboten. In der privat installierten Version gibt es diese Filter jedoch nicht.
Die Aktienkurse der US-Konzerne erholen sich langsam, aber Deepseek könnte dazu führen, dass leistungsfähige KI-Anwendungen auf immer mehr Geräten auch ohne Internet laufen. Denn bislang benötigen die KI-Assistenten auf Apple- oder Android-Geräten für fast alle Aufgaben noch eine Internetverbindung. Auch um Wissenswertes über Sachsen-Anhalt nachzuschlagen.