Zwei Wochen nach der Landtagswahl Keine neue Regierung für Sachsen-Anhalt in Sicht
Mit wem Reiner Haseloff künftig Sachsen-Anhalt regiert, ist zwei Wochen nach der Wahl fast noch so unklar wie am Wahlabend. Mit Schlendrian habe das nichts zu tun, sagen die Parteien. Vor fünf Jahren waren sie zu diesem Zeitpunkt deutlich weiter.
Magdeburg - Zwei Wochen nach der Landtagswahl 2016 saßen CDU, SPD und Grüne in den Sondierungen bereits in neun Themen-Arbeitsgruppen zusammen, sprachen über Zuschnitte von Ministerien und konkrete Vorhaben. Schon am Mittwoch nach der Wahl hatten sie lossondiert, 43 Tage nach der Wahl wählte der Landtag Reiner Haseloff (CDU) erneut zum Ministerpräsidenten, Deutschlands erste Kenia-Koalition konnte die Regierungsarbeit aufnehmen.
Landtagswahl in Sachsen-Anhalt 2021: Sondierungsgespräche starten am Montag
Von diesem Tempo sind die Parteien nach der Wahl 2021 weit entfernt. Erst acht Tage nach der Landtagswahl traf sich die CDU erstmals mit ihren potenziellen Koalitionspartnern, viel mehr als Termine kam dabei nicht heraus. Am Montag will die CDU erstmals inhaltlich mit der SPD sondieren, am Dienstag dann mit der FDP, am Mittwoch mit den Grünen. Welche Koalition es dann werden soll, ist weiterhin unklar. Die Linke forderte Haseloff bereits auf, bei der Regierungsbildung Gas zu geben, auch die Grünen forderten mehr Tempo.
Selbst wenn sich unter den vier Parteien bei den drei anstehenden Terminen schon eine bestimmte Farbkombination herauskristallisieren sollte, müssten vor dem Eintritt in konkrete Koalitionsverhandlungen noch Parteitage abgehalten und Gremien und danach Mitglieder befragt werden. Eine Regierungsbildung in 43 Tagen wie 2016 scheint mit Stand heute ausgeschlossen.
Das sei aber keine bewusste Entscheidung, sondern vor allem dem Organisationsaufwand geschuldet, sagt CDU-Chef Sven Schulze. „Selbst wenn es gerade so aussieht als würde nicht viel passieren, das Gegenteil ist der Fall“, so Schulze, der für die CDU mitsondiert. Intern bereiteten alle vier Parteien die Gespräche „mit Hochdruck“ vor. Auch SPD-Chef und -Sondierer Andreas Schmidt verteidigt die von außen betrachtet bescheidenen Fortschritte. „Wir haben nicht getrödelt, und wir werden auch nicht trödeln.“
Haseloff hat alle Optionen
2016 war die Ausgangslage für die Sondierungen eine andere: Während Haseloff und der CDU dieses Jahr drei Koalitionsoptionen offen stehen, gab es 2016 in der politischen Mitte nur für ein Bündnis mit SPD und Grünen eine Mehrheit. Die Frage der Koalition stellte sich also gar nicht. „Sondierungen waren damals gleichzusetzen mit Koalitionsverhandlungen“, sagt Verhandlungsexperte Thorsten Hofmann.
Nun müsse sich Haseloff nicht nur überlegen, mit wem er regiert, sondern auch die bisher außerparlamentarische FDP überhaupt erst einmal kennenlernen, sagt Hofmann. „Am Ende müssen nicht nur Themen miteinander geeint werden, sondern man wird sich auch überlegen, mit welchen Personen die Zusammenarbeit der nächsten Jahre vorstellbar ist“, sagt Hofmann, der schon Koalitionsverhandlungen begleitet hat.
Mit SPD und Grünen hat Haseloff als Ministerpräsident gute Erfahrung gemacht, die FDP kennt er aus seiner Zeit im Wirtschaftsministerium, wo er 2002 bis 2006 unter FDP-Minister Horst Rehberger Staatssekretär war. Immerhin drei der künftig sieben FDP-Abgeordneten saßen damals schon für die Liberalen im Landtag, unter anderem Spitzenkandidatin und Fraktionschefin Lydia Hüskens.
Mehr Zeit für Wahl des Ministerpräsidenten
Ein weiterer Unterschied der jetzigen Ausgangslage zu den Kenia-Sondierungen ist der Faktor Zeit. Bislang musste der Ministerpräsident spätestens zwei Wochen nach der konstituierenden Sitzung des Landtags gewählt werden, die spätestens 30 Tage nach der Wahl stattfinden musste. Unter dem Eindruck der komplizierten Regierungsbildung mit drei Parteien strich der Landtag die Zwei-Wochen-Frist im vorigen Jahr ersatzlos aus der Landesverfassung.
Haseloff hatte schon am Tag nach der Wahl auf diese Änderung verwiesen und angekündigt, sich bei der Regierungsbildung nicht hetzen zu lassen. Hastig und unscharf formulierte Koalitionsverträge würden Streit in der neuen Regierung vorprogrammieren, sagte er. Der Ministerpräsident weiß wovon er spricht, an einer solchen unscharfen Formulierung war Ende vorigen Jahres fast seine Koalition zerbrochen.
Haseloff vor letzter Amtszeit
Das Kenia-Bündnis hatte sich im Koalitionsvertrag darauf geeinigt, bei der Finanzierung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks „am Ziel der Beitragsstabilität“ festzuhalten. Die CDU-Fraktion sah darin ihre Ablehnung der Anhebung des Rundfunkbeitrags festgeschrieben. SPD und Grüne hingegen argumentierten, dass die geplante Erhöhung nicht einmal die Inflation ausgleichen würde und die Beiträge somit inflationsbereinigt stabil blieben.
Haseloff hatte den sich abzeichnenden Konflikt monatelang schwelen lassen, bevor er dann im letzten Moment die Abstimmung über die Erhöhung im Landtag verhinderte und damit das Aus der Koalition. Derartigen Stress will Haseloff in seiner dritten und wohl letzten Amtszeit vermeiden.