Wenn Kastanien schwächeln Kastanien: Schädlinge setzen Bäumen in Sachsen-Anhalt zu

Halle (Saale) - Sachsen-Anhalts Kastanien stehen unter Beobachtung. Und das hat einen triftigen Grund: Viele Bäume schwächeln. Nach der Miniermotte greift ein neuer Schädling an - ein Bakterium, sein Name: Pseudomonas Syringae. Das bestätigt die Landesanstalt für Landwirtschaft und Gartenbau in Bernburg.
Alarmierend wirkt auf Baumschützer etwa der Zustand einer einstmals prächtigen Allee im Landkreis Mansfeld-Südharz. In der Nähe der Ortschaft Sylda mehren sich Anzeichen einer durch Bakterien hervorgerufenen Immunschwäche.
Noch ist es nicht bewiesen, dass Pseudomonas Syringae der alleinige Auslöser ist. Doch Fachleute der Landesanstalt für Landwirtschaft und Gartenbau gehen davon aus, dass der kritische Punkt in Sylda und anderswo bald überschritten sein kann. Die amtliche Lageeinschätzung: „Die Risiken steigen!“
Wenn erst „blutende“ Stellen, sogenannte Teerflecken, an den Stämmen sichtbar werden, ist es aller Wahrscheinlichkeit zu spät. Experten meinen damit nicht einen einzelnen Punkt in der Borke, der leckt. Des Holz sieht dann aus, als hätte jemand einen Ladung Schrotkugeln darauf abgefeuert.
Eine Wissenschaftlerin der Bernburger Landesanstalt erklärt: „Öffnet man die Rinde unter den Flecken, fällt eine mosaikartige, rostig-bräunliche Verfärbung des Holzes auf.“ Unter bestimmten Bedingungen könne es sogar zur Absonderung von Bakterienschleim kommen. Dann hilft nur noch das Abholzen, um ein Kastaniensterben zu stoppen. Jüngst ist das am Stadion in Wittenberg der Fall gewesen.
Kastanien in Sachsen-Anhalt: Auch 2019 wird ein schwieriges Jahr für die Bäume
Einen anderen Ausweg habe es nicht gegeben, sagt Jörg Jordan vom Grünflächenamt der Lutherstadt. Baumwurzeln werden entfernt, der Boden wird ausgetauscht, um dem Bakterium die Lebensgrundlage zu entziehen. Kastanien kommen laut Stadt für eine Ersatzpflanzung nicht in Frage. Das sei zu riskant.
Ansonsten sieht das weitere Szenario meist so aus: Befallene Bäume sterben nicht in kürzester Zeit ab, sondern langsam. Denn das Bakterium öffnet zunächst Pilzen den Weg, die den Holzkörper endgültig zerstören.
Das droht nach Berechnungen von Wissenschaftlern 80 Prozent der Kastanien innerhalb der nächsten zehn Jahre, allerdings nur in einer Hälfte Deutschlands. Auffallend schlecht geht es Kastanien im Norden und Nordosten. Betroffen sind vor allem Niedersachsen, Sachsen-Anhalt, Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern, Hamburg und Schleswig-Holstein.
Der erste Nachweis von Pseudomonas Syringae in Sachsen-Anhalt liegt erst wenige Jahre zurück. Seit 2012 macht sich das Bakterium jedoch massiv breit im Land. Immer häufiger erreichen entsprechende Anfragen die Landesanstalt.
Entwarnung kann in keinem Fall gegeben werden. Denn noch fehlt ein Gegenmittel. Zudem gibt es kein landesweites Überwachungssystem, um die Ausbreitung des Bakteriums genau verfolgen zu können. Bislang sind die Forscher auf Mitteilungen aus der Bevölkerung und von Behörden angewiesen. Eine Meldepflicht gibt es nicht.
Auf der anderen Seite verschlechtern sich zusehends die Lebensumstände der Kastanien. Dazu gehört das Wüten der Miniermotte. Allein davon stirbt der Baum zwar nicht ab, aber er ist anfälliger für Krankheiten.
Renate Marcus vom niedersächsischen Landesverband des Bundes für Umwelt und Naturschutz: „Dann haben Bakterien ein leichtes Spiel.“ Stress durch die Dürre im Sommer habe zudem langfristig negative Auswirkungen auf die Kastanien, sagt die Expertin. So könne man heute schon sagen: Auch 2019 wird kein leichtes Jahr für Kastanien. (mz)

