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Jungtierschau Jungtierschau: Preisrichter aus Leidenschaft

Von Iris Stein 25.09.2016, 08:00
Preisrichters Dirk Peters fällt sein Urteil bei der Jungtierschau in Ostrau.
Preisrichters Dirk Peters fällt sein Urteil bei der Jungtierschau in Ostrau. Jens Schlüter

Ostrau - Es schnattert und kräht, gackert und gurrt, scharrt und klopft. Die Hauptpersonen sind lange vor 7 Uhr hellwach und lassen das ihre Umgebung deutlich wissen. Wobei: Personen? Schließlich geht es hier um ein tierisches Treffen. Der alte Schafstall in Ostrau, einem Dörfchen unterhalb des Petersberges, ist dicht an dicht mit Käfigen zugestellt.

Darin Enten, Hühner, Tauben und Kaninchen, alle Jahrgang 2016, alle von jungen Züchtern unter 18 Jahren herangezogen. Landesjugendjungtierschau - dafür möchte man als angehender Zuchthahn, Ente mit Modelmaßen und Taube mit außergewöhnlichem Federschmuck mal ordentlich zeigen, was man hat. Bevor jedoch das menschliche Publikum in Beifallsstürme ausbrechen kann, heißt es vor gestrengen Preisrichteraugen zu bestehen. Speziell vor denen von Dirk Peters.

Der ist an diesem Tag schon vor dem ersten Hahnenschrei aufgestanden - der Weg von seinem Wohnort Wasserleben bei Wernigerode in den Saalekreis ist weit. Und pünktlich möchten sie schon sein, die Herren von der Preisrichtergilde, zu denen Dirk Peters gehört.

Bis Mittag sollen sie immerhin 208 Hühner, Enten und Tauben begutachtet und bewertet haben. Die Schönsten der Schönen gekürt und für Pokale, Schleifen und was der Preise mehr sind vorgeschlagen haben.

Deshalb gibt es nicht viel Federlesens, sondern kurz nach 7 Uhr den schnellen Griff zum weißen Kittel, zu Tischchen, Teleskopstab, Papieren und Stift. So! Dann schreitet Preisrichter Peters die Käfige mit dem Wassergeflügel wie eine Kompanie ab. Stupst hier und da eine Ente an, auf dass sie sich erheben möge - „So sehe ich, ob alle Tiere gesund und fit sind.“ - und begutachtet die Anwärter.

Geflügelzüchter mit Tradition

Was hier so lustig klingt, hat einen ernsthaften Hintergrund. Seit dem 19. Jahrhundert gibt es eine einheitliche Beurteilung und Bewertung von Rassegeflügel, formuliert von führenden Züchtern und Spezialvereinen.

Dass die Standards eingehalten werden, das hat sich seitdem der Bund Deutscher Rassegeflügelzüchter auf die Fahnen geschrieben. Der Landesverband Sachsen-Anhalt feiert just in diesem Jahr 125. Geburtstag.

„800 bis 900 Rassen gibt es, dazu tausende Farbschläge“, sagt der 1. Landesvorsitzende Dieter Kuhr, der ebenfalls in Ostrau bewertet und gleichzeitig einen Kandidaten für das Preisrichteramt unter seine Fittiche genommen hat. „Gute Preisrichter sind gefragt“, kommentiert er die Nachwuchsarbeit.

Dirk Peters ist ein guter Preisrichter - und sehr gefragt. Schon 2003 hat er seine immerhin mehr als drei Jahre dauernde entsprechende Ausbildung abgeschlossen und darf nun in den Klassen A bis D und F bewerten, sprich bei Wassergeflügel, Hühnern und einigen Taubenrassen.

So wie heute wird Dirk Peters in den nächsten Monaten etliche Stunden verbringen. Nicht selten ist er an einem Wochenende auf mehreren Schauen im Einsatz. 283 Rassegeflügel-Ausstellungen finden allein in Sachsen-Anhalt von September bis etwa Januar statt - und der Mann vom Harzrand ist bundesweit unterwegs!

Herbst/Winter ist Saison für Rassegeflügel, denn dann lässt sich mit dem Federkleid so richtig Staat machen. Erklärung für Laien: Zu anderer Zeit - Stichwort Mauser - sieht man nicht so gut aus.

Die Stunde der Wahrheit

Nun aber ist es in Ostrau endlich soweit. Das erste Prachtstück wird benotet. Zunächst per Sichtkontakt durch die Gitterstäbe, dann ein beherztes Zupacken. Der Kandidat, ein Sachsenerpel, reagiert mit wüstem Geflatter. Der Kollege nebenan im Käfig ist auch schon knapp am Durchdrehen vor lauter Aufregung. Der Erpel hat nach gut fünf Minuten knapp über 90 Punkte eingeheimst - da ist noch Luft nach oben. Die kielige Brust und eine Wamme am Bauch haben ein besseres Ergebnis vermasselt, verrät der Fachmann.

Käfig für Käfig, Tier für Tier nimmt sich Dirk Peters in aller Ruhe vor, schaut und notiert, geht in die Knie, um alles richtig zu sehen, und lässt sich von schwänzelnden Hinterteilen und nervösem Getrippel des zu begutachtenden Federviehs nicht beeindrucken. Es geht um die Gestalt, das Federkleid, Schnabel, die Läufe . . . Was der beobachtende Laie als „schön“ klassifiziert, bekommt beim Experten gerade mal ein „geht so“.

Bei Null angefangen hat der 50-Jährige bei seiner Preisrichtertätigkeit nicht. Wie zu erwarten, ist er ein erfahrener Züchter, der schon im zarten Alter von zwölf Jahren die ersten Hühner von Opa geschenkt bekam.

Seitdem gurrt, schnattert und gackert es im Hause Peters - zurzeit sind dafür 92 Tauben (Texaner), 26 Enten (schwarze Cayugas mit grünem Glanz) und 43 Hühner (silberfarbene Italiener) zuständig. Die Zahlen weiß ihr Halter selbstverständlich auf Anhieb, ohne eine Sekunde des Nachdenkens. Keine Frage, dass bei der Anzahl alle Peters’ mitziehen müssen. „Na ja,“ sagt der Familienvater diplomatisch, „meine drei Töchter und die Frau sind der Meinung: Papa, das ist dein Hobby.“

Vielleicht sind sie ja küchentechnisch mehr begeistert, denn letztlich geht es den Zuchttieren doch an den Kragen. „Ich kann auch schlachten“, meint der Geflügelliebhaber trocken, „die Tiere haben ihren Zweck. Was nach zwei bis drei Jahren für die Zucht nicht mehr gebraucht wird, das ist dann eben für die Küche.“

Hier in Ostrau gibt es heute nur ein kurzes Frühstück mit belegten Brötchen. Bei der Bewertung muss es zügig gehen und dennoch gründlich. Um 15 Uhr ist es schließlich geschafft. Über das ausgestellte Federvieh hat Dirk Peters 104 Urteile gesprochen - das kann anstrengender sein als sein Arbeitstag als Chef einer Spedition mit immerhin 21 Angestellten. (mz)

Mehr Informationen: www.rassegefluegel-sachsen-anhalt.de

92. Mirama, größte Ausstellung des Landes, vom 25. bis 27. November, Messehallen Magdeburg