Kliniken an der Belastungsgrenze Impfen hilft - aber reicht es? Kabinett berät über neue Einschränkungen
Sachsen-Anhalts Landesregierung sucht Mittel gegen stark steigende Infektionszahlen. Die Intensivstationen sind weitgehend belegt, viele Operationen werden abgesagt.
Magdeburg - Die anhaltend hohe Zahl neuer Corona-Infektionen erhöht den Druck auf die Landesregierung, schärfere Maßnahmen zu beschließen. Mit Wirkung zum vergangenen Mittwoch hatte die Ministerrunde weite Teile des öffentlichen Lebens unter die 2G-Regel gestellt und damit Ungeimpfte ausgeschlossen. Ob das geeignet ist, die vierte Welle zu brechen, ist derzeit noch offen. Nach MZ-Informationen will die Landesregierung aber auf ihrer Sitzung an diesem Dienstag auch über mögliche weitere Schritte beraten. Dabei könnte es beispielsweise um Obergrenzen für private Feiern und öffentliche Veranstaltungen gehen.
Aktuell sind Geburtstagsrunden oder sonstige Treffen im privaten Rahmen mit bis zu 50 Personen zulässig. Bei professionell organisierten Veranstaltungen sind in geschlossenen Räumen sogar bis zu 500, im Freien bis zu 1.000 Menschen erlaubt.
Bringt die Runde mit der Kanzlerin die Vorentscheidung?
Im Kabinett werde es eine „offene Diskussion“ geben, hieß es am Montag aus Regierungskreisen. Am frühen Nachmittag wollen sich zudem die Regierungschefs der Länder und die geschäftsführende Kanzlerin Angela Merkel (CDU) in einer Videokonferenz abstimmen. Dabei könnten Vorentscheidungen für bundesweit einheitliche Kontaktbeschränkungen fallen.
Das Landesgesundheitsministerium wies darauf hin, dass die Landkreise bereits jetzt weitergehende Schritte beschließen könnten. So gilt etwa im Landkreis Harz seit dem Wochenende die 2G-plus-Regel, nach der für die Teilnahme am öffentlichen Leben ein Nachweis über Impfung oder Genesung sowie zusätzlich ein negativer Test nötig ist. „Wenn die festgelegten Maßnahmen nicht ausreichen, muss sich das Kabinett auf weitere Schritte verständigen“, sagte die Ministeriumssprecherin.
Im Harz schießt die Inzidenz auf Rekordwert von 1130
Sachsen-Anhalt zählt aktuell zu den vier von Corona am härtesten getroffenen Ländern. Die Sieben-Tage-Inzidenz lag am Montag bei 698. Das ist etwas weniger als am Wochenende, aber rund ein Viertel (24 Prozent) mehr als am Montag der Vorwoche. Dabei ist das Infektionsgeschehen regional sehr unterschiedlich. Hohe Werte meldeten der Landkreis Harz (1.130), der Saalekreis (990) und der Landkreis Wittenberg (953). Vergleichsweise niedrige Zahlen gibt es in der Börde (201).
Die Lage in den Krankenhäusern ist angespannt. Bereits seit der vergangenen Woche nimmt Sachsen-Anhalt keine Corona-Patienten mehr aus anderen Bundesländern auf. Eigentlich bildet das Land zusammen mit Sachsen, Thüringen und Brandenburg das sogenannte „Kleeblatt Ost“, in dem sich Kliniken gegenseitig unterstützen. Wegen der anhaltenden Belastung durch viele Corona-Intensivpatienten ist das nun nicht mehr möglich. Eventuell nötige Verlegungen müssen jetzt in andere Regionen erfolgen.
Im Salzlandkreis ist kein einziges Intensivbett mehr frei
Vielerorts in Sachsen-Anhalt sind die Intensivstationen nahezu voll belegt. Jeweils nur noch ein einziges freies Bett gab es am Montag laut Divi-Intensivregister in Dessau-Roßlau sowie im Saalekreis, im Harz und in der Börde. Der Salzlandkreis hatte am Montag kein einziges freies Intensivbett mehr.
Das Universitätsklinikum Halle hat die Zahl seiner Corona-Intensivbetten von 14 auf 20 aufgestockt. „Dafür müssen wir aber unser OP-Programm auf etwa 60 Prozent reduzieren“, sagte Oberarzt Lorenz Homeister. Das bedeutet: Patienten mit aufschiebbaren Eingriffen müssen vorerst warten. Dennoch sind bereits 16 der 20 Corona-Intensivbetten belegt. „Auch die jetzt noch freien Kapazitäten werden irgendwann ausgeschöpft sein, wenn es so weitergeht“, warnt der Oberarzt.
Die Zahl der Geimpften steigt jetzt deutlich
Angesichts hoher Inzidenzen gibt es derzeit vielerorts im Land lange Schlangen vor Impfstationen. Da die meisten Landkreise aktuell nicht über große Impfzentren zur Massenabfertigung verfügen, müssen Impfwillige oft lange Wartezeiten in Kauf nehmen, oder sie scheitern bei einer Terminreservierung. Die Zahl der Impfungen hat sich deutlich erhöht. Nach Daten des Landesgesundheitsministeriums und MZ-Berechnungen wurden in der Woche vom 22. bis zum 29. November rund 120.000 Spritzen gesetzt.
Zwei Drittel davon waren Auffrischungsimpfungen für bereits zuvor Immunisierte. Der Anteil der Erstgeimpften im Land stieg um 23.000, ein Zuwachs von 1,6 Prozent. Das ist deutlich mehr als in früheren Wochen. Allerdings klafft zwischen den Impfquoten von Bremen (80,1 Prozent zweifach geimpft) und Sachsen-Anhalt (64,9 Prozent) weiterhin eine Lücke von 15 Prozentpunkten.
Angesichts des hohen Ansteckungsrisikos dürfen vorerst alle kommunalpolitischen Gremien ihre Sitzungen als Videokonferenz abhalten und Beschlüsse in einem schriftlichen oder elektronischen Verfahren fassen. Diese am Montag erlassene Notstandsregel ist bis Ende April befristet.