Schuldner-Atlas 2024 Immer weniger Menschen in Sachsen-Anhalt sind überschuldet - die Gründe überraschen
Der Anteil der Menschen in Sachsen-Anhalt, die ihre Darlehen nicht zurückzahlen können, ist auf den niedrigsten Wert seit 20 Jahren gesunken. Welche Regionen besonders betroffen sind und welche Rolle Krisen spielen.
Halle (Saale)/MZ. - Trotz der angespannten wirtschaftlichen Lage in Deutschland ist die Anzahl der überschuldeten Personen in Sachsen-Anhalt weiter gesunken. Das teilte der Geschäftsführer des Bonitätsprüfungsunternehmens Creditreform, Martin Plath, im Rahmen der Vorstellung des Schuldner-Atlas 2024 am Dienstag mit. „Im Kontext der wirtschaftlichen Rezession und anhaltender Unsicherheit zeigten Verbraucher erneut eine deutliche Zurückhaltung beim Konsum. Diese Entwicklung trug wesentlich zur Verringerung der Überschuldung bei“, so Plath.
Unsicherheit und Krisen bremsen Konsum
Die in der Corona-Zeit beobachtete „extreme Konsumzurückhaltung“ habe sich seither nicht wieder erholt. Auch der Ukraine-Krieg habe die „Krisenangst“ sowie die Sorgen in der Bevölkerung weiter befördert und schlussendlich dazu geführt, dass die Menschen „größere Ausgaben und teure Neuanschaffungen“ zurückstellten, erklärte der Experte.
Positiv sei mit Blick auf die Überschuldung zu bewerten, dass die Löhne – insbesondere der Mindestlohn – deutlich gestiegen seien. Die Folge: Zum Stichtag 1. Oktober 2024 waren noch 194.134 Personen über 18 Jahre in Sachsen-Anhalt überschuldet. Ein Minus von 2,6 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Damit erreichte die Überschuldung in Sachsen-Anhalt den niedrigsten Stand seit 20 Jahren.
Dass das dennoch kein Grund zur übermäßigen Freude ist, zeigt ein Blick auf die anderen Bundesländer. Denn in einer Gegenüberstellung belegte Sachsen-Anhalt mit einer Überschuldungsquote von 10,68 Prozent weiterhin den vorletzten Platz. Nur Bremen (11,81 Prozent) schnitt schlechter ab. Zum Vergleich: Spitzenreiter Bayern hatte in diesem Jahr lediglich eine Quote von 5,93 Prozent.
Anzahl der Menschen mit Schulden in Halle und Dessau-Roßlau steigt
Der Schuldner-Atlas definiert private Überschuldung als einen Zustand, in dem die Einnahmen einer Person nicht ausreichen, um dauerhaft die finanziellen Verpflichtungen zu decken. Die Höhe der Schulden ist dabei nicht entscheidend.
Wie das gesamte Bundesgebiet, so lassen auch die Regionen Sachsen-Anhalts einen positiven Trend erkennen. Während die Schuldnerquote in den meisten Landkreisen zurückging, zeigte sich lediglich in Halle und Dessau-Roßlau ein entgegengesetzter Trend.
Generell sei der Anteil der verschuldeten Personen in der Stadt höher als auf dem Land, so Plath. In Städten würden oft mehr Bürgergeldempfänger leben. Für Halle ging er ins Detail: So gab es in der Saalestadt bereits seit den 90er Jahren eine hohe Überschuldung. Als Grund nannte er den damaligen Umbruch in der Chemieindustrie. Weil sich danach weniger Industriefirmen angesiedelt hätten, sei das Einkommensniveau insgesamt niedriger. Das erhöhe die Überschuldungsgefahr. Das Problem konzentriere sich zudem auf bestimmte Stadtbezirke, wie Neustadt und Silberhöhe.
Männer sind öfter von Überschuldung betroffen
Hinsichtlich der Geschlechterverteilung zeigt sich, dass Männer in Sachsen-Anhalt öfter überschuldet sind als Frauen. Der Grund, so Plath: „Männer gelten in der Regel als risikofreudiger und damit unvernünftiger bei Finanzentscheidungen.“ Was die verschiedenen Altersgruppen anbelangt, wird deutlich, dass Menschen zwischen 40 und 49 Jahren in Sachsen-Anhalt am stärksten von Überschuldung betroffen sind. Hier sei die Quote sogar leicht gestiegen. Erfreulich hingegen, so Plath: Bei den unter 30-Jährigen sei dagegen eine gewisse „Finanzvernunft“ eingezogen. In dieser Gruppe gehen die Überschuldungszahlen kontinuierlich zurück.
Die Hauptgründe, die dazu führen, dass Menschen längerfristig in die roten Zahlen abrutschen, sind laut Schuldner-Atlas neben Arbeitslosigkeit, Erkrankung und Unfällen auch Scheidungen, der Tod von Angehörigen und eine unwirtschaftliche Haushaltsführung.