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Abschluss als Krankenschwester in Schweden Im Ausland ausgebildete Krankenschwester kann in Deutschland nicht arbeiten

Von Anja Förtsch 30.10.2017, 07:00
Heike Schulze hat in Schweden studiert, bekommt ihren Abschluss als Krankenschwester aber in Deutschland trotz aller Bemühungen nicht anerkannt.
Heike Schulze hat in Schweden studiert, bekommt ihren Abschluss als Krankenschwester aber in Deutschland trotz aller Bemühungen nicht anerkannt. Andreas Stedtler

Es ist ruhig im Wohnzimmer des hübschen Einfamilienhauses von Heike Schulze im Magdeburger Stadtteil Olvenstedt. Der gepflegte Garten liegt still in der Sonne, das schwarze Klavier wartet in der Ecke darauf, dass jemand auf ihm spielt, gemächlich streicht Daphne um den Couchtisch. Dann schleicht sich Yatzy herein, folgt der Hauskatze, anstarren, fauchen und schon jagen sich beide Tiere gegenseitig aus dem Raum.

„Ja, so ist das manchmal mit der Völkerverständigung“, lacht Schulze. Denn Daphne hat sie aus ihrem Auslandsaufenthalt in Schweden mitgebracht - und von Schwierigkeiten, was schwedische Verhältnisse in Deutschland angeht, kann Schulze ein Lied singen. Seit fast einem Jahr versucht die 53-Jährige, ihren ausländischen Berufsabschluss in Sachsen-Anhalt anerkennen zu lassen. Erfolglos.

„Seit Mai habe ich versucht, meine Ausbildung zur Altenpflegerin anerkennen zu lassen. Das kostete mich nicht nur jede Menge Zeit und Nerven, sondern auch rund 300 Euro“, sagt Schulze. „Für nichts.“ Denn die Magdeburgerin musste von Dolmetschern Unterlagen aus Schweden übersetzen lassen, von Notaren beglaubigen lassen oder einfach nur kopieren. Und natürlich immer wieder zum Bürgerbüro fahren, um sie abzugeben.

Bis sie ihr Schulzeugnis abgeben soll. Und genug hat von Formularen und Unterlagen. „Ich habe mein Hochschulzeugnis abgegeben, wie soll ich das denn bekommen haben, wenn ich nicht vorher eine normale Schule besucht habe? Und wofür muss ich nachweisen, wo ich wohne oder dass ich überhaupt geboren wurde? Das ist doch vollkommen unnötig!“ Schulze reicht es, sie zieht ihren Antrag zurück. „Ich wollte nicht noch mehr Zeit und Geld investieren, nur um die deutsche Bürokratie zu bedienen.“

Das ist ein Grund, warum Sachsen-Anhalt trotz Fachkräftemangels an Attraktivität für Fachkräfte aus Europa verliert. Nach aktuellen Zahlen des Statistischen Landesamtes stellten zuletzt weniger Menschen Anträge auf Anerkennung von Berufsabschlüssen aus dem EU-Ausland und dem übrigen Europa.

Vor drei Jahren  waren noch 200 ausländische Ausbildungen anerkannt worden. Seitdem sinken die Antragszahlen. 2016 wollten nur noch 171 Personen ihre EU-Berufsabschlüsse anerkennen lassen, ein Minus von 1,2 Prozent. Im Jahr davor war die Zahl um 13,5 Prozent gefallen.

Lehrerin macht Ausbildung zur Krankenschwester in Schweden: In Deutschland darf sie nun nicht arbeiten

Angefangen hat Heike Schulzes Geschichte vor sieben Jahren - beziehungsweise mit der Wende. Denn ab da stellt die Lehrerin beim Schulamt immer wieder Anträge, im Ausland lehren zu dürfen. Aber weil sie neben Deutsch, Russisch und Psychologie auch Latein lehrt und genau für dieses Fach händeringend Lehrer im Land gesucht werden, werden ihre Anträge jedes Mal abgelehnt.

„Man hat mich als Mangelfachlehrerin nicht gehen lassen.“ Schulze gibt aber nicht auf und stellt Antrag um Antrag. „Dann gab es ein kurzes Zeitfenster, in dem es einen Lehrerüberschuss gab und ich konnte tatsächlich gehen.“

Drei Jahre nach ihrem letzten Antrag klingelt ihr Telefon. Es ist der Leiter der Deutschen Schule in Stockholm. Ob sie noch Interesse an der Stelle habe, man suche dort gerade eine Lehrerin für Deutsch. „Ich habe sofort ja geschrien“, erzählt Schulze.

Sie zieht in die schwedische Hauptstadt und bereut diesen Schritt keine Sekunde lang. „Die Jahre dort waren in jeder Hinsicht die beste Zeit meines Lebens.“ Schulze lehrt Latein, Deutsch und Psychologie in den fünften bis zwölften Klassenstufen. Kleine Klassen, individuelle Betreuung, gezielte Förderung: „Die Schule dort kam meinen Vorstellungen von Schule am nächsten.“ Nach drei Jahren sollte ihr Auslandsaufenthalt ursprünglich enden, sie verlängerte um drei weitere Jahre.

Doch so perfekt die Zeit für die Magdeburgerin auch war, sie merkt bereits dort, wie der Lehrerberuf alles andere als perfekt zu ihr passt. „Als Lehrerin hatte ich immer ein schlechtes Gewissen. Weil manche Schüler, die eben auffälliger sind und sich stärker bemerkbar machen, auch mehr Aufmerksamkeit bekommen und die Stilleren hinten runterfallen“, sagt Schulze.

„Außerdem bin ich kein Mensch für große Gruppen, sowas kostet mich sehr viel Energie. Wenn ich nach Feierabend aus der Schule kam, hatte ich gar keine Lust mehr, noch andere Leute zu treffen. Und da habe ich mir gedacht, dass das nicht alles sein kann.“

Magdeburgerin macht Ausbildung zur Krankenschwester in Schweden - und darf in Deutschland nicht arbeiten

In Schulze wächst die Idee, nach all den Jahren und Umwegen doch noch zu ihrem Traum zu kommen: In der Medizin arbeiten. Sie beginnt - in Teilzeit neben ihrem Lehrerjob an der Deutschen Schule - eine Ausbildung zur „Undersköterska“, so etwas wie eine Unterkrankenschwester.

Anders als in Deutschland ist Krankenschwester in Schweden kein Ausbildungsberuf, sondern ein Hochschulabschluss, ein richtiges Studium, wie es hier nur Ärzte absolvieren müssen. „Es waren drei Jahre Fernstudium neben dem Beruf. Und in den Sommerferien Praktika. Es war anstrengend aber ich war begeistert und wusste: Das ist das, was ich machen will.“

Heike Schulze arbeitet noch eine Weile als Lehrerin und nebenher in Teilzeit als Altenpflegerin - dann ruft das Schulamt sie zurück nach Deutschland, als verbeamtete Lehrerin ist ihr Auslandsaufenthalt auf sechs Jahre begrenzt.

Wieder in Sachsen-Anhalt, will sie - wie schon in Schweden - neben ihrem Lehrerberuf in Teilzeit als Altenpflegerin arbeiten, schreibt etliche Bewerbungen. „Ich dachte, da müsste ich doch leicht etwas finden, schließlich heißt es doch immer, dass überall Krankenschwestern gesucht werden.“

Doch Schulze erhält nur Absagen - wenn sie überhaupt eine Antwort erhält. „Nur zwei Unternehmen haben mich für ein Vorstellungsgespräch eingeladen. Aber solange mein Abschluss aus Schweden noch nicht anerkannt ist, wollten sie mich nur als Hilfskraft anstellen.“

Also macht sich die 53-Jährige im Mai daran, ihre Auslandsausbildung anerkennen zu lassen - bis jetzt. „Ich habe sieben Seiten Formular ausgefüllt und noch eine Liste von Dokumenten abgegeben“, erzählt Schulze. „Das war wahnsinnig viel Arbeit und Geld, ich musste alles einzeln vom Notar beglaubigen lassen, Termine beim Bürgerbüro machen, hinfahren, warten.“

Seit der Bund vor fünf Jahren ein Anerkennungsgesetz für genau diese Fälle verabschiedet hat, sollte das einfach sein. Doch trotz der damals geschaffenen „einheitlichen und transparenten Verfahren“, mit denen über die Vergleichbarkeit von Abschlüssen entschieden wird, läuft bei Heike Schulze nichts, wie es soll.

Statt der Zulassung kam „nur noch eine weitere seitenlange Liste von Unterlagen bekommen, die ich nachreichen sollte.“ Unter anderem eben das Schulzeugnis. Heike Schulze fragt sich: „Warum ist es relevant, welche Noten ich in der zehnten Klasse hatte? Außerdem wollte ich nicht noch mehr Zeit und Geld investieren.“ Schulze zieht ihren Antrag zurück und gehört damit zur Zahl derer, deren „Verfahren ohne Bescheid beendet“ wurde, wie es im Behördendeutsch heißt.

„Die Ämter zeigen keinerlei Flexibilität bei der Anerkennung und es ist irre, was von den Leuten verlangt wird“, klagt Schulze. „Das ist doch kurios, schließlich fehlen Fachkräfte! Und ich wäre auch bereit, an Wochenenden und Feiertagen zu arbeiten.“

Statt neben dem Lehrerjob alte Menschen zu pflegen, betreut Schulze jetzt als Freiwillige eine somalische Familie - und hilft auch da bei Behördengängen. „Ich habe ja selbst erlebt, wie dankbar man ist, wenn man im Ausland Hilfe bekommt. So kann ich ein Stück von dem zurückgeben, was ich bekommen habe.“ Das Gleiche wie ein Job in der Altenpflege sei das nicht: „Ich habe diese Ausbildung nicht gemacht, um den Beruf nicht auszuüben.“

Und in ein anderes Bundesland gehen und dort einen Antrag auf Anerkennung der Ausbildung stellen? „Da kann ich genauso gut zurück nach Schweden gehen“, sagt Schulze und lächelt schief. Aber warum eigentlich nicht? „Ein Stück Fremdheit bleibt immer. Ich habe dort zwar auch viele Freunde, aber hier jahrzehntelange Freundschaften“, sagt die Magdeburgerin. „Andererseits: Ich habe noch so einige Berufsjahre vor mir. Ob ich die wirklich so wie jetzt verbringen will, weiß ich nicht.“ (mz)