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"Explodierende Zahlen" Helfen Fahrverbote und Inkassobüros?: Sachsen-Anhalt legt viel Geld für Unterhalt aus - und holt wenig zurück

Von Jan Schumann 25.02.2019, 09:17
Das Land Sachsen-Anhalt zahlt mehr als 90 Millionen Euro pro Jahr an Unterhaltsvorschüssen.
Das Land Sachsen-Anhalt zahlt mehr als 90 Millionen Euro pro Jahr an Unterhaltsvorschüssen. imago stock&people

Magdeburg - Immer seltener holen sich Behörden Geld zurück, das sie Eltern für Unterhalt vorschießen. Vater Staat springt ein, wenn Väter oder Mütter für ihr Kind nicht zahlen können oder wollen. Allein in Sachsen-Anhalt legten die Behörden im vergangenen Jahr rund 91 Millionen Euro aus - zugleich holten sie nur 9,4 Millionen von säumigen Vätern zurück.

Das dokumentiert der Landkreistag, der von „explodierenden Zahlen“ spricht. Denn verschärft ist die Lage noch, seit 2017 auch Über-Zwölfjährige Kinder Anspruch auf Unterhalt bekommen haben. So stiegen die Auslagen von einst 36 Millionen um das Zweieinhalbfache, sagte Michael Struckmeier vom Landkreistag der MZ.

Streit um die Millionen landet vor Sachsen-Anhalts Verfassungsgericht

Treiben Behörden das Geld nicht ein, fehlt es an anderer Stelle. Ein Streit um die Millionen landet jetzt vor Sachsen-Anhalts Verfassungsgericht: Die Landkreise sehen nicht ein, dass sie 30 Prozent der fälligen Vorschusskosten tragen sollen - den Rest tragen Bund und Land -, obwohl sie nicht für das Gesetz verantwortlich sind.

„Unser Anteil ist zu hoch“, so Struckmeier. „Wir wollen, dass mit den Kosten fair umgegangen wird.“ Den Kreisen schwebt eine Reduzierung auf 15 Prozent vor. Dies wird nun wohl gerichtlich geklärt.

Dabei wollte die Kenia-Koalition aus CDU, SPD und Grünen das vermeiden. Dazu hatte sie entsprechende Millionenhilfen im Landeshaushalt eingeplant, um die Klage abzuwenden. Doch die Kreise wollen die Verfassungsbeschwerde durchziehen, kündigt Struckmeier an. „Es geht um das Prinzip.“ Als Vorbilder nennt er Brandenburg und Mecklenburg-Vorpommern, wo die Kreise keine oder deutlich niedrigere Beiträge zahlen. SPD-Fraktionschefin Katja Pähle nennt das Festhalten an der Verfassungsklage „bedauerlich“.

Wie können säumige Elternteile zum Zahlen gebracht werden?

Zugleich läuft die Debatte auf Hochtouren, wie säumige Elternteile - in der Praxis sind es meist Männer - zum Zahlen gebracht werden können. Betroffene Kinder erhalten bis zur Volljährigkeit je nach Alter zwischen 160 und 282 Euro im Monat. Bundesweit leistete der Staat nach Schätzungen im vergangenen Jahr Unterhaltsvorschuss in Höhe von zwei Milliarden Euro.

Auf zehn Milliarden sollen sich mittlerweile die Unterhalts-Schulden summiert haben. Wie der Finanzwissenschaftler Andreas Peichl vom Ifo-Institut der Frankfurter Sonntagszeitung sagte, seien grundsätzlich die Väter nicht mit den Zahlungen überfordert. „Es gibt sicher Leute, die nicht das entsprechende Einkommen haben - aber das ist nur ein kleiner Teil“, sagte Peichl. Bundesfamilienministerin Franziska Giffey (SPD) hat ankündigt, die Rückzahlquoten 2019 dringend verbessern zu wollen.

Rückzahlquote in Sachsen-Anhalt nicht zufriedenstellend

Sie hat bereits verschärfte Maßnahmen, etwa Fahrverbote, als Option ins Spiel gebracht. „Das kann eine Möglichkeit sein“, sagt Tobias Krull, Sozialpolitiker der CDU im Magdeburger Landtag. „Allerdings darf sich das nicht ins Gegenteil verkehren. Etwa, wenn Berufskraftfahrer nicht mehr arbeiten können und dann erst recht nicht zahlen.“

Aus ähnlichen Gründen hält Landes-Sozialministerin Petra Grimm-Benne (SPD) „nichts“ von Fahrverboten, wie sie der MZ sagte. Wenn säumige Elternteile tatsächlich nicht in der Lage seien zu zahlen, seien Sanktionen eher „kontraproduktiv“.

Trotzdem ist die aktuelle Rückzahlquote in Sachsen-Anhalt nicht zufriedenstellend, monierte Krull. Einige Behörden könnten den gestiegenen Aufwand kaum bewältigen. Er spricht von einem Auftragsstau. „Die kreisfreien Städte sind da ein Problembereich.“ Es brauche Lösungen, die Verwaltungen zu stärken. „Man muss darüber nachdenken, ob man sich da externe Hilfe holt, zum Beispiel Inkassobüros.“ (mz)