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"Ficki-Ficki-Fachkräfte" "Ficki-Ficki-Fachkräfte": Empörung über "Gassen-Jargon" der AfD im Landtag

Von Jan Schumann und Hagen Eichler 14.03.2017, 13:30
Mario Lehmann von der AfD steht am Rednerpult im Landtag von Sachsen Anhalt in Magdeburg.
Mario Lehmann von der AfD steht am Rednerpult im Landtag von Sachsen Anhalt in Magdeburg. imago stock&people

Halle (Saale)/Magdeburg - In Teilen des Landtags gibt es Kritik an der Sitzungsleitung durch das Landtagspräsidium. Die Kritik richtet sich gegen Parlamentspräsidentin Gabriele Brakebusch (CDU) und ihren Stellvertreter von der AfD, Willi Mittelstädt. SPD, Linke und Grüne werfen beiden vor, Provokationen von AfD-Rednern zu dulden.

Bei der jüngsten Sitzung war es Mario Lehmann, der in einem Beitrag zu einer vulgären Beleidigung griff. Mit Blick auf Flüchtlinge sprach er von „Ficki-Ficki-Fachkräften“, Landtagspräsidentin Brakebusch griff nicht ein – zum Entsetzen vieler Abgeordneter. Kurz zuvor hatte sie SPD-Mann Andreas Steppuhn noch ermahnt, als er den AfD-Politiker Tobias Rausch „bei der Rentenpolitik eine richtige Pappnase“ genannt hatte. In dem Fall hatte Brakebusch sofort reagiert: Die Abgeordneten mögen sich im Ton mäßigen, forderte sie.

Lässt das Präsidium zu viel durchgehen?

Beurteilt das Präsidium parlamentarische Äußerungen mit zweierlei Maß? Den Eindruck teilt so mancher. „Dass so eine Äußerung wie die von Lehmann durchläuft, ist eine Katastrophe“, sagt SPD-Fraktionschefin Katja Pähle. Sie will das Thema im Ältestenrat diskutieren. Linken-Fraktionschef Swen Knöchel sagte, er schäme sich für das, was Lehmann als Volksvertreter „im Gassen-Jargon in dieses Hohe Haus“ trage.

Doch die Möglichkeiten, auf die Sitzungsleitung einzuwirken, sind begrenzt. Protest im Plenum ist sogar riskant: Wer einen Ordnungsruf verlangt, riskiert selbst einen. Bei welcher Formulierung das Präsidium einschreitet, liegt in dessen Ermessen. Einen Katalog für verbotene Beleidigungen gibt es nicht.

Wulf Gallert: „Ich hätte einen Ordnungsruf erteilt“

Für Landtags-Vizepräsident Wulf Gallert (Linke) ist Lehmanns Verunglimpfung eindeutig zu weit gegangen. Zur Amtsführung seiner Präsidiumskollegen äußert er sich nicht. Fragt man ihn, wie er entschieden hätte, ist die Aussage aber klar: „Ich hätte einen Ordnungsruf erteilt und Lehmann daran erinnert, dass der Landtag ein Verfassungsorgan ist. Da ist es nicht erlaubt, Menschengruppen zu diskreditieren.“

Als unzulässige Beleidigung empfand Gallert auch die Formulierung „Vereinsmafia“, mit der AfD-Mann Jan Wenzel Schmidt im November die Träger von Kinder- und Jugendarbeit im Land schmähte. Gallerts Reaktion: ein Ordnungsruf. Im Februar wiederholte Schmidt die Aussage, als AfD-Parteifreund Mittelstädt die Sitzung leitete. Der ließ den Ausdruck regungslos passieren.

Gezielte Provokation durch die AfD?

Was Teile des Landtags zudem auf die Palme bringt, ist das gezielte Einsetzen der Provokationen. Der „Ficki-Ficki“-Satz rutschte Lehmann nicht in Erregung heraus, er las ihn einfach ab. Ähnlich war es, als AfD-Chef André Poggenburg im Februar im NS-Stil vom „Volkskörper“ gesprochen hatte.

Doch dass das Präsidium auf einen härteren Kurs umschwenken wird, lässt Präsidentin Brakebusch nicht durchblicken. Sie wolle im Plenum „nicht mit der großen Keule“ für Ordnung sorgen. „Was habe ich gewonnen, wenn ich Abgeordnete ausschließe?“ Stattdessen appelliert sie an die Disziplin der Fraktionen. „Ich habe das bereits angesprochen“, so Brakebusch. Mit Blick auf den konkreten Fall sagte sie, sie habe Lehmanns Äußerung überhört. Ob eine solche Bezeichnung beim nächsten Mal sanktioniert werde, müsse aus der Situation heraus entschieden werden. (mz)