Ex-Minister Felgner Ex-Minister Felgner: "Ich bin wahrscheinlich der jüngste Pensionär Sachsen-Anhalts"
Halle (Saale) - Steiler Aufstieg, tiefer Fall: Jörg Felgner (SPD) musste als Landes-Wirtschaftsminister nach wenigen Monaten Amtszeit wegen der Berateraffäre zurücktreten.
Er hatte einen Vertrag unterzeichnet, durch den das Institut für Strukturpolitik und Wirtschaftsförderung (ISW) ohne Befassung des Landtages eine Millionensumme erhalten sollte.
Zu seinem ersten Interview seit dem Rücktritt kommt ein entspannter Felgner in ein hallesches Café. Mit ihm sprach MZ-Redakteur Kai Gauselmann.
Ex-Minister Jörg Felgner - jüngster Pensionär Sachsen-Anhalts?
Herr Felgner, Ihr Rücktritt ist fast vier Monate her. Haben Sie das verarbeitet oder ist das eine offene Wunde?
Jörg Felgner: Ich habe die Situation angenommen und mittlerweile für mich einen neuen Rhythmus gefunden. Ich sage gerne und nur halb im Spaß, dass ich nun Gelegenheit habe, meine Frau und meine Tochter ganz neu zu erleben, weil mehr Zeit fürs Privatleben bleibt. Außerdem treibe ich ein bisschen Sport.
Sport?
Felgner: Na ja, ich habe mir einen Crosstrainer zugelegt, auf dem ich zuhause trainiere. Dadurch habe ich sogar schon Gewicht verloren.
Den meisten Menschen ist es nicht vergönnt, Minister zu werden - und noch mehr Menschen bleibt erspart, von so einem Amt zurücktreten zu müssen. Wie fühlt sich das also an?
Felgner: Die öffentliche Diskussion über die sogenannte Berateraffäre war so heftig, scharf und persönlich, wie ich es noch nie erlebt habe. Natürlich wusste ich, als ich mich in die Politik begab, dass man sich öffentlicher Kritik auch stellen muss. Das Ausmaß dieser Kritik jedoch wurde mir erst klar, als ich feststellte, wie nach meinem Rücktritt das öffentliche Aufklärungsinteresse an den Beraterverträgen urplötzlich abgeebbt ist. Jedenfalls habe ich damals gemerkt, dass ich zu meinem persönlichen Schutz, aber auch zum Schutz meiner Partei, der SPD, am Ende auch das Amt aufgeben musste.
Das klingt sehr nüchtern.
Felgner: Der Rücktritt war die schwierigste Entscheidung meines Lebens. Ich habe trotzdem versucht, das professionell zu handhaben. In so einer Situation trägt man schließlich auch Verantwortung für die Leute, die für einen rund um die Uhr gearbeitet und alles gegeben haben.
Jörg Felgner im Interview: „Rechtlich habe ich korrekt gehandelt"
Sie argumentieren mit dem öffentlichen Druck. Halten Sie den Rücktritt inhaltlich für unbegründet? Immerhin haben sie jenen Geschäftsbesorgungsvertrag unterschrieben, durch den Millionen am Landtag vorbei an das hallesche ISW flossen.
Felgner: In der Sache hat sich meine Position nicht verändert. Seit geraumer Zeit liegt ja auch eine schriftlich Einschätzung der Landesregierung vor, nach der ich rechtlich korrekt gehandelt habe. Aber rechtlich korrekt heißt nicht immer politisch klug. Ich glaube, vor allem darin bestand der Fehler. Es wäre klüger gewesen, wenn der Finanzausschuss des Landtages vom Finanzministerium informiert worden wäre. Ich glaube noch heute, der Minister hätte eine Mehrheit im Ausschuss bekommen - warum auch nicht?
Von außen sah das so aus, als hätten nicht Sie, sondern SPD-Landeschef Burkhard Lischka Ihren Rücktritt entschieden.
Felgner: Wir haben uns verschärft ausgetauscht, auch mit der Fraktionschefin Katja Pähle. Am Ende habe ich selbst entschieden.
In der SPD wird immer so getan, als sei Sozialdemokraten Solidarität wichtig. Waren die Genossen solidarisch oder wurden Sie fallengelassen?
Felgner: Solidarität ist keine Einbahnstraße. Ich für meinen Teil wollte jedenfalls keine Belastung für die SPD darstellen. Denn ohne die Unterstützung seiner Partei kann ein Minister nicht weiterarbeiten.
Sie behaupten eine Opferbereitschaft, als seien Sie der Mahatma Gandhi der Landes-SPD. Hegen Sie wirklich keinen Groll?
Felgner: Mahatma Gandhi war am Ende doch recht erfolgreich, wenn Sie sich erinnern. Doch Sie werden sich wundern: Ich bringe mich heute mehr als zuvor aktiv in die Parteiarbeit ein, in
meinem Ortsverein in Halberstadt und als Mitglied des Landesparteirats.
Als einer der Hoffnungsträger der Landes-SPD nach steilem Aufstieg so abzustürzen - das soll keine Verletzungen hinterlassen haben?
Felgner: Das hat natürlich auch Verletzungen hinterlassen. Die werde ich aber nicht öffentlich diskutieren. Zur Verarbeitung des Geschehenen ist konstruktive Arbeit am besten.
Wenn man in die Akten schaut, sieht man, dass Sie zwar unterschrieben haben, letztlich aber Bullerjahns williger Helfer waren.
Felgner: Was heißt hier williger Helfer? Minister treffen politische Entscheidungen, Staatssekretäre setzen sie um. Als Amtschef war es meine Aufgabe, diesen Vertrag zu unterzeichnen. Nach Sichtung aller Vorlagen, auch der Bedenken, hielt und halte ich das für gerechtfertigt.
Hat das Finanzministerium unter Bullerjahn Wege gesucht, um gezielt das ISW in Halle mit Geld zu versorgen?
Felgner: Nein. Schließlich hat das ISW Ergebnisse geliefert – nicht nur für das Finanzministerium, sondern auch für zahlreiche andere Ministerien. Das Land hatte schon viele und erfolgreiche Kooperationen mit dem ISW und hat diese auch jetzt noch. Im Übrigen habe ich den Vertrag mit der Investitionsbank unterzeichnet, die erst nach einer Ausschreibung dem ISW den Zuschlag gab.
Ist in der Ministeriumsspitze nie diskutiert worden, dass es ein Geschmäckle haben könnte, weil Bullerjahn und ISW-Chef Schädlich befreundet sind?
Felgner: Es war doch nie ein Geheimnis, dass sich die beiden kennen. Das kann auch nicht ernsthaft der Grund sein, eine korrekte Kooperation auszuschließen. Der Kreis der Akteure in so einem kleinen Land wie Sachsen-Anhalt ist schließlich nicht besonders groß.
Haben Sie eigentlich das Gefühl, die politische Zeche für Bullerjahn bezahlt zu haben?
Felgner: Wahrscheinlich saß ich zu lange in der Kneipe - am Ende war der Minister nicht mehr greifbar. Aber ich will meine Verantwortung nicht kleinreden. Ich war im Finanzministerium nicht Sachbearbeiter, sondern Staatssekretär. Zur Differenzierung gehört aber auch zu betrachten, wie ein Ministerium funktioniert. Als Staatssekretär ist man verantwortlich für die Verwaltungsabläufe und muss seinem Minister gegenüber loyal sein. In diesem Spannungsverhältnis stand ich und habe ich gehandelt.
Ex-Minister Jörg Felgner (44) seit Februar Pensionär
Sie haben gesagt, Sie schauen vor allem nach vorne. Was machen Sie denn jetzt?
Felgner: Ich habe beantragt, im Landesdienst bleiben zu können, das ist allerdings anders entschieden worden: Ich bin seit Mitte Februar Pensionär.
Mit 44 Jahren?
Felgner: Ja, ich bin wahrscheinlich der jüngste Pensionär Sachsen-Anhalts. Aber im Ernst: Das ist gegen meinen Willen so entschieden worden; ich wollte zurück in den Landesdienst. Ich arbeitete erstmals 1991 im Öffentlichen Dienst. Seither habe ich auf den verschiedensten Ebenen Kenntnisse und Erfahrungen gesammelt. Darauf möchte das Land nun verzichten. Zumindest haben das Finanzministerium und die Staatskanzlei so entschieden. Auch eine Versetzung nur in den einstweiligen Ruhestand, der eine Rückkehrmöglichkeit in den Landesdienst offen gehalten hätte, wurde abgelehnt. Angeblich ist das die Rechtslage.
Bezweifeln Sie das?
Felgner: Ja, ich habe einen Anwalt konsultiert, der meint, dass die Position des Landes falsch ist. Um mich durchzusetzen, müsste ich aber vor Gericht ziehen.
Also verklagt der Ex-Minister die Regierung?
Felgner: Schon klar, dass Ihnen das gefallen würde. Nein, ich bin zwar ziemlich enttäuscht, aber ich werde mir und dem Land einen jahrelangen Rechtsstreit durch alle Instanzen ersparen.
Was machen Sie dann?
Felgner: Zuhause zu bleiben ist keine Alternative. Ich will arbeiten. Ich orientiere mich jetzt außerhalb des klassischen Landesdienstes. Dazu gibt es Überlegungen und erste Gespräche, aber noch nichts Konkretes. (mz)