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Kommentar zu Mindestlohn-Kontrollen Es geht um die Schwächsten

Die Besuche des Zolls müssen glaubhaft Abschreckungswirkung entfalten - auch in der Landwirtschaft.

Von Hagen Eichler Aktualisiert: 31.07.2024, 07:56
MZ-Kommentator Hagen Eichler
MZ-Kommentator Hagen Eichler (Foto: Andreas Stedtler)

Magdeburg/MZ - Eine Betriebskontrolle, mit der ein Unternehmer nur alle 245 Jahre rechnen muss? Man muss nicht die misstrauische Natur eines Staatsanwalts haben, um das Missverhältnis zu erkennen. Wenn der Zoll die Einhaltung des Mindestlohns in landwirtschaftlichen Betrieben derart selten überprüft, hat das keinerlei Abschreckungswirkung mehr. Diejenigen, die Beschäftigte um das ihnen zustehende Gehalt prellen wollen, dürften über das Desinteresse des Staates jubeln.

Es ist richtig, dass die Behörden vor allem jene Branchen gründlich prüfen, in denen besonders viele Verstöße zu erwarten sind – das sind insbesondere Bauwirtschaft und Gastronomie. Die Fahnder des Zolls sollen effizient eingesetzt werden. Das darf aber nicht dazu führen, dass der Staat andere, vermeintlich harmlosere Branchen nahezu gar nicht mehr überprüft. Jene, die um des Profits willen routiniert Gesetze brechen, sollen zu einer Verhaltensänderung gebracht werden, und das überall in der Wirtschaft.

Der Zoll muss aus den Verstößen Konsequenzen ziehen

Die Zahlen unterstreichen das: Wenn die Beamten bei nur neun Mindestlohn-Kontrollen auf Sachsen-Anhalts Höfen gleich vier Ordnungswidrigkeit aufdecken, ist das nicht wenig. Der Zoll und das übergeordnete Bundesfinanzministerium unter Christian Lindner (FDP) müssen daraus Konsequenzen ziehen und das Personal richtig einsetzen.

Der Bauernverband kontert, bewusste Mindestlohnverstöße seien kaum denkbar, weil sich in Zeiten des Arbeitskräftemangels ja jedermann flugs eine besser bezahlte Stelle suchen könne. Das wirkt naiver als man es von einem Wirtschaftsverband erwartet – denn mit diesem Argument könnte der Zoll seine Kontrollen ja in allen Branchen sofort einstellen.

Den Autor erreichen Sie unter: [email protected]

Die Wahrheit ist: Nicht jeder hat das Selbstbewusstsein, beim Arbeitgeber die Einhaltung des Mindestlohns einzufordern und notfalls zu gehen. Diese Schwächsten auf dem Arbeitsmarkt sind es, die geschützt werden müssen.