Reform verpufft Erhoffte Strompreis-Entlastung für Kunden in Sachsen-Anhalt fällt aus
Verbraucher können im nächsten Jahr doch nicht mit sinkenden Netzentgelten rechnen. Energieminister Willingmann hat nun einen neuen Vorschlag.
Magdeburg/MZ - Die 2025 greifende Neuverteilung der Stromnetzentgelte wird Kunden in Sachsen-Anhalt unter dem Strich nichts bringen. Das zeigen Berechnungen des Landesenergieministeriums in Magdeburg. Minister Armin Willingmann (SPD) sagte am Montag, die erwartete Strompreissenkung werde nicht stattfinden. „Die allermeisten Haushalte werden lediglich merken, dass die Netzentgelte nicht steigen“, sagte Willingmann. „Das ist ärgerlich. Da hatten wir uns mehr versprochen.“
Seit langem hatten die Länder mit einer hohen Produktion an erneuerbarer Energie gefordert, dass davon auch die Verbraucher profitieren. Tatsächlich passiert bislang das Gegenteil: Über Netzentgelte müssen sie den Ausbau der Verteilernetze mitfinanzieren und so mehr zahlen als Verbraucher in Regionen mit wenig Ökostrom.
Ferntrassen werden teuer
Ab 2025 gilt für diese sogenannten Netzentgelte eine neue Lastenverteilung. Wie sich nun zeigt, profitieren davon allerdings vor allem die Länder Schleswig-Holstein, Mecklenburg-Vorpommern und Brandenburg. Eine gewisse Entlastung gebe es zwar auch in Sachsen-Anhalt, sagte Willingmann. Kunden des Versorgers Mitnetz müssten im kommenden Jahr 40 Euro im Jahr weniger zahlen, Kunden von Avacon zehn Euro – als Berechnungsgrundlage diente jeweils ein Verbrauch von 3.500 Kilowattstunden im Jahr.
Diese Ersparnis werde aber aufgefressen durch eine höhere Umlage für den Ausbau der Übertragungsnetze, also der in Bau befindlichen Stromtrassen für den Ferntransport.
Im Norden sinken Entgelte um fast 40 Prozent
Willingmann sagte, er wisse nicht, warum Sachsen-Anhalt nicht stärker von der Neuregelung profitiere. Naheliegend ist ein Zusammenhang zur Windenergie: Mecklenburg-Vorpommern, wo die Netzentgelte laut Bundesnetzagentur teils um stattliche 38 Prozent sinken, hat einen weitaus höheren Anteil an Windenergie.
Nach dem russischen Großangriff auf die Ukraine 2022 waren die Energiepreise in Deutschland zeitweise drastisch gestiegen. Derzeit kostet Strom an der Börse wieder so viel wie zuletzt 2021. „Für den Binnenmarkt sind die Preise mittlerweile erträglich“, sagte Willingmann. Dennoch sei eine Entlastung nötig, weil deutsche Unternehmen sonst international nicht mithalten könnten. „Das wird jetzt wettbewerbsgefährdend“, mahnte Willingmann.
Umsatzsteuer für Strom auf sieben Prozent?
Er schlägt vor, die Stromsteuer und die Umsatzsteuer für Strom zu senken. Letztere solle wie bei Grundnahrungsmitteln bei sieben Prozent liegen, sagte der Minister. Von einer solchen Entscheidung würden sowohl Unternehmen als auch Haushaltskunden profitieren. Die hohe Besteuerung von Strom stamme aus einer Zeit, in der russische Energie zu sehr niedrigen Preisen verfügbar war. Diese Zeit sei aber vorbei.
Russland hatte nach dem Beginn des Angriffskrieges seine Gaslieferungen per Pipeline nach Deutschland eingestellt. Wenige Monate später wurde die Ostsee-Pipeline Nordstream unter bislang ungeklärten Umständen gesprengt.
An dieser Stelle mal durchgreifend etwas zu tun, um Strompreise zu senken, halte ich für vernünftig.
Armin Willingmann (SPD)
Willingmann räumte ein, dass die geforderte Steuerentlastung den Bund und die Länder Milliarden kosten werde. Aber: „An dieser Stelle mal durchgreifend etwas zu tun, um Strompreise zu senken, halte ich für vernünftig.“ Da auch Bundesfinanzminister Christian Linder (FDP) derzeit Vorschläge für eine Steuerentlastung einiger Personengruppen mache, halte er seinen Vorschlag für legitim.
Bei einer am Donnerstag beginnenden Konferenz der Energieminister bringt Willingmann seinen Vorstoß allerdings nicht ein – es gebe dafür keine erkennbare Mehrheit, sagte er.
Sachsen-Anhalt fordert mehr Förderung für Biogas
Mit eigenen Anträgen will sich Sachsen-Anhalt stattdessen für eine längere Förderung von Biogas einsetzen. Für 170 der 483 Biogasanlagen in Sachsen-Anhalt endet in den kommenden fünf Jahren die auf 20 Jahre befristete Förderung aus dem Erneuerbare-Energien-Gesetz. Willingmann plädiert für eine Verlängerung. Bioenergie sei zwar „nicht in jedem Fall klimaneutral“, aber dennoch umweltfreundlich und regulierbar.
Werben will der Minister zudem für eine Nachfrage-Förderung des Energieträgers Wasserstoff. Nur durch mehr Verbrauch könnten die Produktionskosten von grünem, also klimaneutral erzeugtem Wasserstoff sinken, sagte Willingmann.