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Kommentar zu den Massenprotesten Eine demokratische Ermutigung

Die Demonstrationen in ganz Deutschland gegen Rechtsextremismus zeigen, dass die Demokratie in Deutschland lebendig ist, meint MZ-Kommentator Kai Gauselmann.

21.01.2024, 17:15
MZ-Kommentator Kai Gauselmann
MZ-Kommentator Kai Gauselmann (Foto: MZ / Stedtler)

Hunderttausende sind bundesweit friedlich auf die Straße gegangen, im Osten wie im Westen, in großen wie in kleinen Städten. Es ist eine beispiellose Protestwelle, die am Wochenende durch Deutschland gerollt ist. Sachsen-Anhalt ist dafür ein Beleg: In Halle sind 16.000 Menschen gegen Rechtsextremismus auf die Straße gegangen, so viele wie seit der Friedlichen Revolution von 1989 nicht mehr. Das war ein unerwartet starkes Signal für die Demokratie, für ein friedliches Miteinander. Die Veranstalter von „Halle gegen Rechts“, ein Bündnis aus 30 Organisationen und mehr als 100 Einzelpersonen, hatten die Demonstration für nur 1.000 Teilnehmer angemeldet.

Sorge um die Demokratie und das friedliche Zusammenleben

Und es waren längst nicht nur die üblichen Vertreter linker Parteien, die da auf der Straße waren, sondern ein Querschnitt der Gesellschaft. Es handelte sich um im besten Sinne besorgte Bürger. Sie machen sich Sorgen um Deutschland, um die Demokratie in diesem Land, um das friedliche Zusammenleben in dieser Republik.

In Halle sind am Wochenende so viele Menschen auf die Straße gegangen wie seit der Friedlichen Revolution von 1989 nicht mehr.
In Halle sind am Wochenende so viele Menschen auf die Straße gegangen wie seit der Friedlichen Revolution von 1989 nicht mehr.
(Foto: Marvin Matzulla)

Alarmiert haben sie die Enthüllungen des Recherchezentrums Correctiv über ein rechtes Geheimtreffen in Potsdam, wo der österreichische Kopf hinter der identitären Bewegung, Martin Sellner, über „Remigration“ sprach – ein neuer Begriff, der harmloser klingt als Abschiebung und Deportation. Abgeschoben werden sollten demnach auch Deutsche, die ausländische Vorfahren haben. Das muss man sich mal vorstellen: 91 Jahre nach Hitlers Machtergreifung will ein österreichischer Rechtsextremist in Deutschland mit völkischen Deportationsfantasien punkten. Irre.

Teilnahme am „Remigrationstreffen“ als Privatsache

Beim Potsdamer Treffen dabei: Einer der wichtigsten mitteldeutschen AfD-Politiker, der sachsen-anhaltische AfD-Landtagsfraktionschef Ulrich Siegmund. Er gilt in seiner Partei als großes Talent und könnte nächster Spitzenkandidat der AfD für die Landtagswahl 2026 werden. Siegmund wollte sich im Nachgang einen schlanken Fuß machen und so tun, als habe die AfD nichts mit dem Treffen zu tun gehabt, indem er behauptet, „privat“ teilgenommen zu haben. Warum es weniger schlimm sein soll, wenn ein Politiker also quasi als Hobby an einem „Remigrations“-Treffen teilnimmt, ist unklar.

Die Angst der Rechten

Die Rechten werden aus Angst, massiv an Zulauf zu verlieren, nun versuchen, die Massenproteste zu verunglimpfen und zu relativieren. Der Thüringer Björn Höcke hat damit schon angefangen, er spricht davon, „bestellte Massen“ demonstrierten gegen die AfD, so als habe die Regierung die Demonstrationen organisiert und orchestriert.

Die AfD Sachsen-Anhalt geht in die Offensive

Es sind Nebelkerzen und halbgare Versuche, die Öffentlichkeit zum Narren zu halten. Spätestens seit dem Potsdamer Treffen sollte einer breiten Öffentlichkeit klar sein, was die Rechten wollen. Die AfD in Sachsen-Anhalt geht auch in die Offensive. Deren Landtagsfraktion hat für die nächste Sitzung des Parlaments eine Debatte angemeldet mit dem Titel: „Remigration!“

Den Autor erreichen Sie unter: [email protected]

Mit einem Wochenende voller Demonstrationen quer durch die Republik allein ist die Gefahr des Rechtsextremismus natürlich längst noch nicht gebannt. Aber es sollte alle, die für Freiheit und Demokratie sind, ermutigen: Ihr seid nicht allein. Dieses Wochenende hat die rechte Erzählung von einer ermatteten, von „Altparteien“ abgewirtschafteten Republik kraftvoll Lügen gestraft. Die Demokratie in Deutschland ist lebendig – und es gibt hier jede Menge Menschen, die für sie einstehen.