Der Welterbe-Manager Der Welterbe-Manager: Wie Roland Thrän dem Naumburger Dom zum Unesco-Titel verhalf
Naumburg - Roland Thrän steht vor dem Bücherregal in seinem ehemaligen Büro und blickt sich suchend um: „Irgendwo muss doch der Welterbe-Antrag stehen!“ Ein halbes Jahr war er nicht hier, seine Nachfolgerin im Amt hat umgeräumt. Eine Mitarbeiterin hilft - der Antrag liegt in einem Schrank, ein dicker Schuber mit mehreren Bänden.
Bis zum November vorigen Jahres war Thrän, 65, Geschäftsführer des Fördervereins „Welterbe an Saale und Unstrut“ in Naumburg (Burgenlandkreis). Und hat in dieser Position maßgeblich dazu beigetragen, dass die Unesco den Naumburger Dom im Juli 2018 zum Weltkulturerbe erklärt hat. Für sein Engagement erhält Trähn an diesem Sonnabend in Thale (Harz) den Romanikpreis 2018 in Gold. Die Auszeichnung wird jährlich über den Landestourismusverband vergeben.
Wie Roland Thrän zur „Straße der Romanik“ fand
Für den Mann aus Nebra schließt sich damit ein Kreis. Anfang der 1990er Jahre, erzählt er, kam er erstmals mit der „Straße der Romanik“ in Berührung, die gerade als Tourismusroute aufgebaut wurde. Thrän war damals Kulturamtsleiter im Kreis Nebra. Als dieser 1994 im Burgenlandkreis aufging, wurde er Mitarbeiter der Unteren Denkmalschutzbehörde. Ein Grund, ihn 14 Jahre später zum Geschäftsführer des Welterbe-Vereins zu berufen: „Es stellte sich die Frage, wer für die Organisation des Welterbe-Antrags verantwortlich sein soll“, blickt er zurück. Das war fortan sein Job.
Roland Thrän ist vertraut mit der Denkmalpflege. Er interessiert sich privat für Literatur und für das Mittelalter. Doch Weltkulturerbe - „das war Neuland für mich“, sagt er. „Einen Welterbe-Antrag zu stellen, das passiert ja nicht so häufig.“ Der Respekt vor der gewaltigen Aufgabe schwingt heute noch in seiner Stimme mit.
Auch die große MZ-Serie über die Straße der Romanik aus dem vergangenen Jahr wird von der Jury gewürdigt. Die MZ-Reporter Christian Schafmeister (Konzeption, Texte) und Andreas Stedtler (Fotos, Videos) erhalten den Romanikpreis in Silber; eine zweite Silbermedaille geht an den Havelberger Gastronomen Manfred Hippeli und das Schaukochen-Projekt „Die Altmark kocht“.
Anlass für die MZ-Serie war das 25-jährige Bestehen der Straße der Romanik. Die Tourismusroute, die zu den zehn beliebtesten in Deutschland zählt, war 1993 ins Leben gerufen worden. Die Serie widmete sich in 30 Folgen besonderen Geschichten, die sich hinter Burg-, Kirchen- und Klostermauern verbergen. Die MZ-Reporter waren dafür über Monate in Sachsen-Anhalt unterwegs.
So spürten sie den Anfängen des Weinbaus nach, erzählten von einem rätselhaften Mord im Jahr 1085 und verbrachten einen Tag und eine Nacht im Kloster Huysburg. Und all das mit multimedialem Mehrwert: Die Reportagen erschienen wöchentlich in der Zeitung sowie auf einer eigenen Website mit Videos, Veranstaltungs- und Restauranttipps.
https://romanik-strasse-erleben.de/
Zehn Jahre Kampf für den Naumburger Dom
Thrän holte sich anfangs Rat beim Landesverwaltungsamt und beim Auswärtigen Amt. Dort sitzt eine Beauftragte der Kultusministerkonferenz, zuständig für alle Welterbe-Stätten in Deutschland. Er lernte, nach welchem Schema ein Welterbe-Antrag an die Unesco aufgebaut sein muss.
Zehn Jahre, tausende Seiten Papier und drei Anläufe später war das Ziel erreicht: Im Golfstaat Bahrain erkor die Unesco am 1. Juli vergangenen Jahres den Naumburger Dom zum Weltkulturerbe der Menschheit. Thrän war dabei: „Ich habe immer auf den Hammer geschaut, der vor der Vorsitzenden des Welterbe-Komitees lag.“
Das Werkzeug kommt nur zum Einsatz, wenn das Komitee einem Antrag zustimmt. „Es war klar, nur wenn sie den Hammer niedersausen lässt, sind wir dabei“, schildert Thrän. Als das tatsächlich passierte, riss er die Deutschlandfahne in die Höhe, die er von zu Hause mitgebracht hatte, und schwenkte sie. „Da war eine totale Euphorie, ein Riesenjubel!“ Einige Tage später fuhr er in den Urlaub, das erste Mal seit einem Jahr. Zwei Wochen Ostsee. „Das musste sein!“
Fachleute untersuchten Region zwischen Naumburg und Freyburg
Um zu zeigen, welch gewaltiges Arbeitspensum hinter ihm und seinen Mitarbeitern liegt, greift Thrän in seinem ehemaligen Büro noch einmal ins Regal. Dort stehen mehr als 20 Ordner eines Landschaftskatasters. Wiesen, Waldstücke, Hohlwege: Flurstück für Flurstück haben Fachleute die Region zwischen Naumburg und Freyburg untersucht und vermessen. Immer im Blick: Was ist wichtig für die Entwicklung der Kulturlandschaft des Hochmittelalters an Saale und Unstrut?
Diese sollte ursprünglich gemeinsam mit dem Dom zum Weltkulturerbe erklärt werden, so wollten es die Antragsteller. Doch zweimal scheiterten sie damit, 2015 in Bonn und 2017 in Krakau. Die Unesco lässt jeden Welterbe-Antrag vorab durch die Berater-Organisation Icomos prüfen; deren Einwände waren jeweils zu stark. Schließlich konzentrierten sich die Naumburger im dritten Anlauf auf den Dom; dieser Antrag ging in Bahrain dann durch.
Thrän: Weterbe-Titel für Naumburger Dom war Team-Arbeit
Als der Mann, der den Welterbe-Titel nach Naumburg geholt hat, sieht Roland Thrän sich aber nicht. Energisch winkt er ab: „Das kann man so nicht sagen. Wir waren ein Team.“ Vertreter der Vereinigten Domstifter und verschiedener Behörden waren beteiligt. Es gab einen wissenschaftlichen Beirat, auch externe Forscher wurden hinzugezogen. An Thrän war es, die vielen losen Fäden zu verknüpfen: „Bei mir lag das Management. Meine Aufgabe war es, termingerecht einen Antrag einzubringen, der in allen Aspekten den Anforderungen der Unesco entspricht.“ Das sei gelungen.
Da klingt der nüchterne Verwaltungsbeamte durch, der Roland Thrän jahrzehntelang war. Dabei war der Welterbe-Antrag die Krönung seines Berufslebens: Die internationale Zusammenarbeit, die Begegnung mit unterschiedlichen Fachleuten, sagt er, habe ihm einen „Zugewinn an Wissen“ verschafft.
Sachsen-Anhalt ist reich an bedeutenden Kulturgütern
„Ich bin hier geboren und aufgewachsen. Aber ich hätte es nie für möglich gehalten, welche Dichte an bedeutenden Kulturgütern hier zu finden ist.“ Beispiele? Thrän zählt auf: Das Netz mittelalterlicher Handelsstraßen, die etwa als Hohlwege in Wäldern überdauert haben. Oder die vielen längst geschleiften Burganlagen, deren einstige Existenz sich heute oft mit Hilfe spezieller Lasertechnik an Bodenverfärbungen nachweisen lässt.
Themen wie diese werden Roland Thrän auch im Ruhestand nicht loslassen. Gerade kümmert er sich mit darum, den Welterbe-Antrag als Publikation herauszubringen. Er arbeitet im Förderverein des Klosters Memleben mit. Und das nächste Projekt wartet schon: Thrän will sich dafür einsetzen, dass das ehemalige Kloster Pforta bei Naumburg neben anderen Stätten der Zisterzienser-Mönche das Europäische Kulturerbe-Siegel erhält. (mz)