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Gastbeitrag zum Jahrestag des Attentats von Halle Der Anschlag von Halle hinterlässt tiefe Narben

Rechtsextreme Netzwerke in Deutschland liegen zum Teil kaum noch im Verborgenen. Ihr Denken und ihre Sprache reichen bis in die Mitte unserer Gesellschaft, meint Josef Schuster, Präsident des Zentralrates der Juden in Deutschland.

Von Josef Schuster Aktualisiert: 09.10.2024, 11:00
Josef Schuster ist Präsident des Zentralrates der Juden in Deutschland.
Josef Schuster ist Präsident des Zentralrates der Juden in Deutschland. Foto: IMAGO/Jürgen Heinrich

Halle (Saale). - Fünf Jahre sind vergangen seit dem rechtsextremen und antisemitischen Terror von Halle. Fünf Jahre seit dem antisemitischen Anschlag auf die Synagoge, der über 50 Jüdinnen und Juden das Leben hätte kosten können. Fünf Jahre seit dem Mord an zwei unschuldigen Menschen, die der Mordlust und dem Fanatismus des Täters ausgeliefert waren. Ihr Mörder war Antisemit und Rassist.

Anschlag in Halle: Sicherheitsgefühl der Überlebenden für immer verändert

Die Überlebenden des Anschlags in Halle und Wiedersdorf tragen seit jenem Tag im Oktober 2019 tiefe seelische Narben in sich. Sie wurden mit der blutigen Kontinuität des rechten und antisemitischen Terrors nach 1945 konfrontiert. Dieser hat nicht nur ihr Leben, sondern auch ihr Sicherheitsgefühl für immer verändert. Es sind fünf Jahre, die so fern wirken und doch so nah sind.

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Rechtsextreme Netzwerke finden ihr Abbild in der AfD

Rechtsextreme Netzwerke in Deutschland liegen zum Teil kaum noch im Verborgenen. Ihr Denken und ihre Sprache reichen bis in die Mitte unserer Gesellschaft. Sie finden ihr Abbild in der AfD, die diese Ideologie in unsere Parlamente trägt.

Der Erfolg der AfD bei der Thüringer Landtagswahl hat historische Ausmaße. Deutschland taumelt wie ein angeschlagener Boxer. Wieviel Wirkung der Treffer der ostdeutschen Landtagswahlen zeitigen wird, ist noch nicht abzusehen. Die islamistische Bedrohung darf nicht rechtsextreme Positionen stärken. Es braucht eine eindeutige Haltung der Politik gegen Angriffe auf unsere Freiheit.

Jüdisches Leben zieht sich zurück. Das darf in einer offenen Gesellschaft nicht sein.

Josef Schuster, Präsident des Zentralrates der Juden in Deutschland

Stattdessen entscheiden nun Verfassungsgerichte über die politische Stabilität des Landes. Die politische Ordnung steht auf dem Spiel. Doch verzerrte historische Vergleiche mit dem Untergang der Weimarer Republik bringen uns nicht weiter. Ihre Polemik greift zu kurz und bedeutet für unseren Umgang mit der Zeit des Nationalsozialismus eine Verharmlosung.

Es gibt heute (noch) eine eindeutige gesellschaftliche und politische Abwehr gegen Rechtsextremismus. Auch in Halle gibt es leuchtende Beispiele für den Kampf gegen den Versuch einer rechtsextremen Mobilisierung der Stadt.

Normalisierung rechtsextremer Positionen auf allen Ebenen

Eine Normalisierung rechtsextremer Positionen findet auf allen Ebenen statt. War in der Vergangenheit das rechte radikale Spektrum von wechselseitiger Abgrenzung und Zersplitterung geprägt, sind mit dem politischen Erfolg der Rechtsextremen zunehmend Bündelungen zu erkennen.

Durch die parlamentarischen Erfolge der AfD erhalten diese eine wahlpolitische Bedeutung. Die Strategie der Rechtsextremen, sich als einzig wahre Stimme des „einfachen Volkes“ zu inszenieren, geht auf. Damit versuchen sie auch, die Stimmen jener zu delegitimieren, die von Rechtsextremismus unmittelbar bedroht werden.

Fünf Jahre nach Anschlag in Halle: Öffentliches Gedenken ist wichtig

Der Wall gegen Extremismus in diesem Land ist brüchiger geworden. Wir reden über die gleiche Gesellschaft, die nach dem Hamas-Überfall auf Israel am 7. Oktober 2023 in Teilen nicht in der Lage ist, solidarisch mit Juden in Deutschland zu sein.

Jüdisches Leben zieht sich zurück. Das darf in einer offenen Gesellschaft nicht sein. Es zeigt, wie wichtig das öffentliche Gedenken ist, das am fünften Jahrestag des Anschlags in Halle stattfindet.

In Erinnerung an diesen Tag werden wir uns noch stärker als bisher einsetzen für den Respekt vor den verschiedenen Religionen, für den Respekt vor unterschiedlicher Herkunft. Aus Halle geht ein Zeichen der Menschenwürde ins Land. Es sollte selbstverständlich sein, immer.