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Post-Covid und ME/CFS Mit Video: Tausende Menschen leiden in Sachsen-Anhalt noch immer an Corona-Folgen

122.000 Menschen haben in Sachsen-Anhalt bisher die Diagnose Post-Covid bekommen. Bei besonders schwer Betroffenen steht das gesamte Leben still. Und die Behandlung ist schwierig.

Von Julius Lukas Aktualisiert: 11.07.2023, 14:16
Die Initiative #nichtgenesen hatte am 4. Juli vor dem Reichstag Rollstühle mit dem Fotos von ME/CFS-Betroffenen aufgestellt, um auf deren schlechte Versorgung aufmerksam zu machen.
Die Initiative #nichtgenesen hatte am 4. Juli vor dem Reichstag Rollstühle mit dem Fotos von ME/CFS-Betroffenen aufgestellt, um auf deren schlechte Versorgung aufmerksam zu machen. (Foto: Michael Kappeler/dpa)

Halle/MZ - Während die Corona-Pandemie weitgehend aus den Köpfen verschwunden ist, leiden zahlreiche Menschen weiter. So geht das Sozialministeriums von etwa 122.000 Post-Covid-Betroffenen in Sachsen-Anhalt aus. Bei diesen Patienten haben sich die nach der Infektion oder Impfung aufgetretenen Symptome verstetigt. Sie leiden unter Geruchsverlust, Erschöpfung oder Konzentrationsstörungen. Ein kleinerer Teil der Erkrankten ist zudem von einer schweren Belastungsintoleranz, auch chronische Fatigue genannt, betroffen.

Schätzungen der Selbsthilfeinitiative #nichtgenesen gehen von bis zu 19.000 Menschen in Sachsen-Anhalt aus. „Trotz der vielen Betroffenen gibt es kaum Hilfsangebote, was zu dramatischen Schicksalen führt“, sagte Ricarda Piepenhagen, Sprecherin der Initiative.

Corona-Folgen: Schon Laufen ist zu belastend

Sandro Osterburg aus Heinrichsberg (Kreis Börde) etwa kann sich aktuell nur in seiner Wohnung aufhalten. Auch dort ist der 36-Jährige, der im April 2021 an Covid erkrankte und mittlerweile eine Pflegestufe hat, auf einen Rollstuhl angewiesen. Laufen wäre für ihn zu belastend. Schon bei kleinen Anstrengungen fühle er sich, als hätte jemand einen Anker an ihm befestigt, so Osterburg. Ähnlich eingeschränkt ist auch Stephanie Schlöffel aus Halle, die selbst minimale Arbeiten im Haushalt langanhaltend erschöpfen. „Es gibt Tage, die kann ich nur liegend auf dem Sofa ertragen“, sagt die 34-Jährige.

 
Sandro Osterburg erzählt von seinem Krankheitsverlauf. (Bericht: Anna Lena Giesert)

Welche Auswirkung diese Welle von Post-Covid-Betroffenen auf die Arbeitswelt hat, zeigt sich zum Beispiel an der Berufskrankheiten-Statistik der Deutsche Gesetzliche Unfallversicherung (DGUV). Demnach wurden 2021 in Sachsen-Anhalt 4.643 Berufskrankheiten anerkannt – mehr als sechs Mal so viele wie im Vor-Corona-Jahr 2019. Laut DGUV ist dieser enorme Anstieg auf die Pandemie zurückzuführen.

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Für 2022 gibt es bisher nur Bundeszahlen, die jedoch eine weitere Erhöhung um 65 Prozent aufweisen. „Wenn man sich aktuell fragt, warum so viele Pflegekräfte im Gesundheitswesen fehlen, sollte man sich mal diese Statistiken ansehen“, kommentierte Ricarda Piepenhagen.

Fast keine Therapieansätze für Post-Covid und chronische Fatigue

Für Post-Covid und insbesondere die chronische Fatigue gibt es aktuell fast keine Therapieansätze. Empfohlen wird eine gezielte Belastungssteuerung. Auch die Ursachen sind unklar. Denn: „Bei diesen Patienten sind oft alle gängigen Untersuchungen ohne Befund“, sagt Neurologe Kai Wohlfarth vom Klinikum Bergmannstrost Halle. Von MRT bis Lungenröntgen – was die Ärzte auch untersuchen, sie finden nichts

„Das macht es schwierig, dieses Leiden auch als solches anzuerkennen.“ Entsprechend klagen viele Betroffene darüber, dass sie bei Ärzten und Behörden auf Unverständnis und Ablehnung stoßen.

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Das Sozialministerium verwies bei der Frage nach Unterstützungsangeboten für Betroffene auf die Hausarztpraxen, die je nach Symptom weiterverteilen könnten. Zudem biete die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung viele Informationen. Auch sollen Beratungs- und Informationsangebote im Land ausgebaut werden. Konkreter wird das Ministerium nicht.

Handlungsbedarf sieht auch Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach. Die Situation für viele Post-Covid-Betroffene sei dramatisch, sagte der Politiker vergangene Woche in Berlin. Lauterbach bekräftigte die Absicht, 100 Millionen Euro in die Forschung zur Long-Covid-Versorgung zu investieren. Über die Mittel werde aber noch in den Verhandlungen zum Bundeshaushalt beraten. Denkbar sei, dass bundesweit etwa zehn spezialisierte Zentren Studien entwickeln könnten.