Corona-Krise belastet Betriebe Corona-Krise belastet Betriebe: Experten befürchten Schwund bei Lehrstellen
Halle (Saale) - Viele Firmen in Sachsen-Anhalt brauchen dringend gute Nachwuchskräfte, doch die negativen Folgen der Corona-Pandemie belasten auch viele hiesige Ausbildungsbetriebe. Der Bund will Lehrbetriebe mit einer Prämie unterstützen, wenn sie Azubis halten und zusätzliche einstellen.
Sachsen-Anhalt prüfe derzeit, ob und wie es das frisch geplante Programm des Bundes unterstützen werde, sagte eine Sprecherin des Sozialministeriums und reagierte damit auf entsprechende Forderungen von Wirtschaftsvertretern.
Weniger Lehrstellen wegen Corona oder nur späterer Start?
Derweil befürchten Experten im Land, dass sich Betriebe zunächst von der Ausbildung zurückziehen könnten. Die Industrie- und Handelskammer (IHK) Magdeburg verweist darauf, dass die Lehre in vielen Betrieben zumindest später beginnen könnte als geplant.
Es sei davon auszugehen, dass viele Lehrverträge später geschlossen würden als üblich, sagte die Geschäftsführerin für Berufliche Bildung bei der IHK-Magdeburg, Stefanie Klemmt. Ein Grund sei, dass viele Orientierungsangebote wie Berufsfindungsmessen, der Zukunftstag oder Betriebspraktika wegen der Corona-Beschränkungen ausgefallen seien. Jetzt müssten andere Kennenlernmöglichkeiten zwischen Jugendlichen und Ausbildungsbetrieben gefunden werden.
IHK will Online-Bewerbertage anbieten
So planen die vier IHKs und Handwerkskammern in Sachsen-Anhalt, gemeinsame Online-Bewerbertage anzubieten. Kurz vor den Sommerferien solle es vier Termine geben, in denen Berater per Videoschalte Jugendliche bei der Berufswahl oder der Suche nach konkreten Azubistellen beraten sollen, kündigte Klemmt an. Auch Präsenztermine in den Schulen selbst seien angedacht.
Derzeit gebe es rund 15,5 Prozent weniger geschlossene Azubiverträge als im Vorjahreszeitraum, sagte Klemmt über die Situation im Norden Sachsen-Anhalts. „Wir hoffen, dass sich das jetzige Minus bis November oder Dezember aufhebt.“
Azubis sollen nur in Ausnahmefällen nach 1. August 2020 starten
Bildungsminister Marco Tullner (CDU) hatte zuletzt bereits angekündigt, dass mit Kammern und Berufsschulen daran gearbeitet werde, die Fristen für den Start ins neue Ausbildungsjahr flexibler zu gestalten. Die Handwerkskammer Magdeburg verwies darauf, dass neue Azubis nur in Ausnahmefällen nach dem 1. August starten sollten.
Für den Norden Sachsen-Anhalts bekommt Klemmt nach eigenen Angaben bisher kaum die Rückmeldung, dass Betriebe aufgrund der negativen Corona-Folgen geschlossene Lehrverträge auflösen. Zudem seien ihr dort nur in Einzelfällen Betriebe bekannt, die sich wegen der Corona-Krise von der Ausbildung zurückziehen wollten.
Corona-gebeutelte Branchen zurückhaltend
Die IHK Halle-Dessau meldet, dass besonders betroffene Branchen zurückhaltend sind bei der Einstellung neuer Lehrlinge. Das betreffe etwa die Gastronomie, aber auch die Reise- und Veranstaltungsbranche, sagte Simone Danek, IHK-Geschäftsführerin für Aus- und Weiterbildung im Süden des Landes. In anderen Betrieben hätten sich auch für zukünftige Azubis die Einstellungsgespräche wegen der Corona-Pandemie verschoben.
Zudem gebe es Firmen, die unverändert an ihrem Fahrplan festhielten. Eine jüngst gestartete bundesweite Umfrage soll ein genaueres Bild ergeben, auch für die Situation in Sachsen-Anhalt.
IHK-Hauptgeschäftsführer Grupe: „Wir brauchen hier schnellstmöglich einen Fahrplan“
Die Handwerkskammer Magdeburg fürchtet derzeit, dass weniger Betriebe Nachwuchs ausbilden. So habe eine bundesweite Umfrage unter ausbildenden Handwerksbetrieben ergeben, dass jeder vierte sich aus der Ausbildung zurückziehen wolle, sagte Hauptgeschäftsführer Burghard Grupe. Messbare Anzeichen gibt es dafür noch nicht: Bisher liege die Zahl der geschlossenen Lehrverträge im Norden Sachsen-Anhalts auf Vorjahresniveau.
Grupe forderte schnelle Klarheit darüber, wie die angekündigte Prämie des Bundes ausgezahlt wird. Viele Firmen hätten in den vergangenen Tagen bereits bei der Kammer nach dem Programm gefragt, so Grupe. Es brauche schnell Klarheit, da jetzt die Verträge für das neue Lehrjahr geschlossen würden, das am 1. August beginne. „Wir brauchen hier schnellstmöglich einen Fahrplan“, so Grupe. Bekannt ist derzeit, dass Ausbildungsbetriebe 2000 Euro erhalten, wenn sie die Zahl ihrer Lehrstellen halten. Wer mehr ausbildet, soll 3000 Euro bekommen. (dpa)