Bürgschaften in Sachsen-Anhalt Bürgschaften für Flüchtlinge: Sachsen-Anhalts Jobcenter fordern 739.884 Euro von Flüchtlingshelfern
Halle (Saale) - Sie haben Syrern den Weg aus dem Bürgerkrieg nach Deutschland geebnet - und sollen jetzt zahlen. In Sachsen-Anhalt fordern die Jobcenter rund 739.884 Euro von Flüchtlingshelfern.
Dabei geht es um Menschen, die in den letzten Jahren Bürgschaften für Asylbewerber übernommen haben. Mittlerweile verlangt die Behörde Geld, das als Sozialleistungen an jene Zuwanderer gezahlt wurde, von diesen Bürgen zurück.
Bislang haben die Jobcenter in Sachsen-Anhalt 155 entsprechende Bescheide verschickt, wie aus der Antwort der Bundesregierung auf eine kleine Anfrage der AfD vom November hervorgeht. Ob auch Menschen in Halle betroffen sind, teilte das örtliche Jobcenter auf MZ-Anfrage nicht mit.
Zahlen müssen die Helfer aber zunächst nicht. Die Forderungen sind vorerst ausgesetzt, laut des Kölner Stadt-Anzeigers auf Wunsch der Bundesregierung. "Eine Vollstreckung aus diesen Erstattungsbescheiden findet derzeit nicht statt", heißt es in der Antwort der Staatsekretärin Anette Kramme vom 19. November. Der Vorgang sei "befristet niedergeschlagen."
Machten Bundesländer falsche Versprechen?
Ob die Behörden das Geld jemals eintreiben werden, ist fraglich. In Niedersachsen wurde etwa in Aussicht gestellt, dass Bund und Land die Kosten übernehmen. Denn: Gerade die Länder haben Helfer offenbar mancherorts in diese prekäre Lage hineingeritten.
2013 wurden in vielen Bundesländern Programme aufgesetzt, über die geflüchtete Syrer Familienangehörige in die Bundesrepublik holen konnten - wenn sich Personen oder Vereine per Bürgschaft verpflichteten, für deren Lebensunterhalt aufzukommen. Deutschlandweit taten dies Tausende Menschen, auch in Sachsen-Anhalt. Ein entsprechendes Programm vor Ort lief bis 2015. Insgesamt sind auf diesem Weg laut „Welt" etwa 20.000 Menschen legal nach Deutschland gekommen.
Die Summen, mit denen sie seit einiger Zeit zur Kasse gebeten werden, überraschen viele Helfer nun aber - denn die Absprache war damals oft eine andere. Viele Paten gingen davon aus, dass die Bürgschaft endet, sobald der Asylsuchende eine Aufenthaltserlaubnis erhält. Teilweise hatten die Landesregierungen den Menschen dies versichert, wie die „Welt" schreibt.
Insgesamt wird um 21 Millionen Euro gestritten
„Mit der Titelerteilung nach erfolgreichem Asylverfahren wird der neue Aufenthaltszweck anerkannt, sodass die Geltung einer Verpflichtungserklärung endet“, zitiert die Zeitung etwa einen Erlass des Nordrhein-Westfälischen Innenministers Ralf Jäger (SPD) aus dem April 2015. Vor allem sozialdemokratisch regierte Länder verbreiteten diese Interpretation der Rechtslage. Gleichwohl habe der Bund die Bürgschaften laut „Welt" schon damals als unbefristet verstanden und das den Ländern auch mitgeteilt.
2017 bestätigte das Bundesverwaltungsgericht dann, dass die Bürgen langfristig zahlen müssen. Juristisch umstritten bleibt aber, ob die Ausländerbehörden seinerzeit ausreichend geprüft haben, dass die Paten finanzstark genug sind. Und, ob sie die Helfer gegebenenfalls schlichtweg falsch beraten haben.
Mittlerweile wird um viel Geld gestritten. Deutschlandweit haben die Jobcenter bislang rund 2500 Bescheide verschickt, fordern insgesamt 21 Millionen Euro von den Paten. Dazu kommen Beträge, die kommunale Träger verlangen. Hier könne man, so die Bundesregierung, aber keine Angaben machen. Einige Paten haben bereits gezahlt, insgesamt sind rund 670.000 Euro bei der Arbeitsagentur eingangen.
Zahlen zeigen: Sachsen-Anhalter waren besonders engagiert
Doch die nun veröffentlichten Zahlen ermöglichen noch andere Einblicke. Sie zeigen: In Sachsen-Anhalt haben sich die Menschen offenbar besonders stark für Asylsuchende eingesetzt. Trotz der bloß rund 2,2 Millionen Einwohner verschickten die Behörden hier 155 Bescheide - nur in vier Bundesländern waren es mehr.
Damit sicht das Land im Osten heraus. In Sachsen (knapp 230.000 Euro), Brandenburg (rund 57.500 Euro) und Mecklenburg-Vorpommern (rund 187.500 Euro) werden zumindest deutlich geringere Summen gefordert. Auch im süddeutschen Flächenland Baden-Württemberg wurden bloß 57 Bescheide erlassen, hier stehen knapp 600.000 Euro aus.
Überdurchschnittliche viele Paten gibt es im Norden der Republik: In Schleswig-Holstein (über 1,5 Millionen Euro) und Hamburg (über eine Million Euro) wollen die Behörden mit am meisten Geld - obwohl hier weniger Menschen leben, als in vielen anderen Bundesländern. Am höchsten sind die Summen in den bevölkerungsreichen Ländern Niedersachsen (über 7,1 Millionen Euro), Nordrhein-Westfalen (über 5,6 Millionen Euro) und Hessen (über 1,4 Millionen Euro). Bayern und das Saarland wurde nicht abgefragt. (mz)