Sachsen-Anhalt Sachsen-Anhalt: Viele Ex-Stasi-Leute sind im Dienst des Landes

Magdeburg/dpa. - «Es ist leider so, dasswir mit dieser Normalität leben müssen», sagte der Landesbeauftragtefür Stasi-Unterlagen, Gerhard Ruden, am Dienstag der DeutschenPresse-Agentur dpa in Magdeburg. Aus seinen Tätigkeitsberichtenergibt sich, dass sich damals bei 6375 Beschäftigten in Ministerien,nachgeordneten Einrichtungen und dem Landtag Hinweise aufhauptamtliche oder inoffizielle Stasi-Mitarbeit (IM) ergaben. Mehrals 4400 dieser Stasi-Mitarbeiter wurden weiterbeschäftigt.
Nahezu alle Behörden betroffen
Dies geschah laut Ruden in nahezu allen Behörden, vor allem beider Polizei (1722) und im Bereich des Kultusministeriums (1976), alsoetwa an Schulen. Die Betreffenden seien nach Einzelfallprüfungenweiterbeschäftigt worden, sagte Ruden. «Ich hoffe, dass bei derEvaluierung die kleineren Fälle übrig geblieben sind.» Wie vieledieser Menschen noch im Landesdienst arbeiten, ist unklar.
1722 Ex-Stasi-Leute durften bei Polizei weitermachen
Innenminister Holger Hövelmann (SPD) erläuterte mit Blick auf diePolizei, hier seien zwischen 1991 und 1996 rund 12 500 Beschäftigtevon Personalausschüssen überprüft worden. In 2515 Fällen habe esHinweise auf eine Zusammenarbeit mit dem DDR-Ministerium fürStaatssicherheit (MfS) gegeben. 793 Beschäftigte wurden gekündigtoder gingen von sich aus, 1722 durften weitermachen. Darunter waren236 ehemalige hauptamtliche Stasi-Leute, IMs, aber zum Beispiel auchMenschen, die ihren Wehrdienst im Wachregiment absolvierten.
«Alle Einzelfallüberprüfungen erfolgten in einem rechtsstaatlichenVerfahren und es besteht keine Veranlassung, die Verfahrenanzuzweifeln», betonte Hövelmann in einer Erklärung. Kriterien füreine Nichtweiterbeschäftigung waren etwa Zuwendungen vom MfS oder dieFertigung personenbezogener Berichte über Dritte an das MfS.
Nur eine Überprüfungsrunde
«Es ist bedenklich, dass es nur diese eine Überprüfung gab», sagteRuden. «Damals waren erst 20 Prozent der Stasi-Akten erschlossen.Heute sind es 80 Prozent. Da ist nicht auszuschließen, dass es heuteneue Informationen zu den Fällen gibt oder noch unbekannte Stasi-Leute schlummern.» Heute werden laut Ruden im öffentlichen Dienst nursolche Mitarbeiter überprüft, die in gehobenen Positionen anfangen.
Gleiche Praxis in anderen Ländern und beim Bund
Dass alle neuen Länder und der Bund nach der Einheit frühereStasi-Mitarbeiter übernahmen, ist seit langem bekannt. Ein ARD-Bericht über das Landeskriminalamt Brandenburg hatte die Debatte amvergangenen Freitag neu entfacht. Das MDR-Fernsehmagazin «Sachsen-Anhalt heute» hatte am Montag berichtet, bei der Polizei im Landseien noch 1722 Ex-Stasi-Mitarbeiter beschäftigt. Laut Hövelmannspiegelt diese Zahl jedoch den Stand nach der Wiedervereinigungwider. Wer davon inzwischen in Ruhestand oder anderweitigausgeschieden sei, könne nicht beziffert werden. Die FDP will, dasssich der Innenausschuss des Landtages mit dem Thema beschäftigt.