Sachsen-Anhalt Sachsen-Anhalt: Maßregelvollzug wird zum Sicherheitsrisiko

Magdeburg - Der Psychiater Bernd Langer ist ein zurückhaltender Mann. Es ist daher um so bedeutender, wenn er das Wort „Skandal“ benutzt, um die Zustände im Maßregelvollzug Bernburg (Salzlandkreis) zu beschreiben. In der Klinik der landeseigenen Salus-Gruppe sind Straftäter untergebracht, die aufgrund ihres psychischen Zustands keine Haftstrafe antreten können. In Bernburg sind es vor allem therapiebedürftige Drogenabhängige, von denen 60 Prozent wegen Gewaltdelikten in Haft sollen.
Keine Besserung in Sicht
Seit Jahren beklagt der LandesPsychiatrieausschuss, dessen Vorsitzender Langer ist, die Lage in den Maßregelvollzügen in Bernburg und Uchtspringe - Besserungen ist nicht in Sicht. Im Gegenteil. „Wir haben große personelle Probleme, der Fachkräfteanteil sinkt“, sagte Langer gestern bei der Vorstellung des Jahresberichts seiner Kommission.
Seit 2011 hält das Land an einem Personalschlüssel von 40 Prozent Fach- und 60 Prozent Hilfskräften fest, doch abwanderndes Fachpersonal werde nicht durch solches ersetzt. Hinzu komme eine Verkürzung der Arbeitszeit von 40 auf 38,5 Stunden, was am Ende „zu weniger Zeit für den Patienten führt“, so Langer. Vier Vollzeitstellen im Pflegebereich sind dadurch weggefallen.
Zudem war die Klinik zum Zeitpunkt der Analyse für den Jahresbericht mit 196 Patienten deutlich überbelegt - es gibt nur 179 Betten. Das führt unter anderem dazu, dass immer wieder Patienten bei Ausgängen flüchten, weil sie etwa statt von zwei nur noch von einem Betreuer begleitet wurden. Die einzige Fachkraft in Bernburg, die Anti-Gewalt-Training als Therapie anbieten kann, befand sich im Babyjahr, als der Psychiatrieausschuss die Einrichtung besuchte. Ersatz gab es nicht.
Der Ausschussbericht gibt zwar zunächst nur die Lage in Bernburg wieder; „die Probleme in Uchtspringe sind aber im Prinzip die gleichen“, sagte Langer. Und: „Die Landesregierung guckt nur auf betriebswirtschaftliche Zahlen und nicht auf fachliche Inhalte.“ Auf die Frage, ob die Situation in den Maßregelvollzügen inzwischen ein Sicherheitsproblem darstelle, sagte Langer: „Die personelle Ausstattung ist dem Bedarf nicht angemessen und wird daher weder dem Sicherheitsbedürfnissen der Insassen, des Personals und natürlich auch nicht der Bevölkerung gerecht.“
Laut Jahresbericht gibt es „begründete Zweifel, dass der Maßregelvollzug seinen Aufgaben gerecht werden kann“. Sozialminister Norbert Bischoff (SPD), der als zuständiger Minister an der Pressekonferenz teilnahm, reagierte auf die neuerliche Kritik des Ausschusses mit Sprachlosigkeit.
Pflegekräfte fehlen
Salus-Sprecherin Franka Petzke erklärte auf MZ-Nachfrage, dass das Anti-Gewalt-Training in Bernburg inzwischen wieder angeboten werde. Derzeit gebe es auch keine Überbelegung. Das Personalproblem räumt Petzke allerdings ein: „Die Gewinnung von Fachkräften ist ein nicht zu unterschätzendes Problem.“ Pflegekräfte fehlen demnach sowohl in Bernburg als auch in Uchtspringe in der Altmark; die Fachkräftequote liege aber deutlich über 50 Prozent. Einen Mangel an Ärzten, Psychologen und Therapeuten gebe es vor allem in Uchtspringe; in Bernburg liege man im Plan, sagte Petzke. (mz)
