Sachsen-Anhalt Sachsen-Anhalt: Glätte und Kälte sorgen für Chaos
Sangerhausen/MZ. - Die Lastwagenfahrer kommen aus dem Fluchen gar nicht mehr heraus. Am Blankenheimer Berg zwischen Emseloh und Blankenheim (Mansfeld-Südharz) steckten am Donnerstagvormittag weit über 80 Trucker auf der Landstraße 151 fest - viele von ihnen sind seit zwölf Stunden zur Tatenlosigkeit verdammt. Schuld an der Misere sind die Straßenverhältnisse. Schneefall und Schneewehen sorgen dafür, dass einfach nichts mehr geht.
Ab und zu versucht ein verzweifelter Trucker sein Fahrzeug freizufahren. Ein sinnloses Unterfangen, das schnell aufgegeben wird. Zwischen den Lkw herrscht dennoch etwas Betrieb. Die internationale Zweckgemeinschaft - die Fahrer kommen aus Ungarn, der Slowakei, Tschechien und natürlich aus Deutschland - steht in kleinen und großen Gruppen und diskutiert. Die meisten Trucker sind stinksauer, weil sie von der Polizei von der nach Unfällen gesperrten Südharzautobahn A 38 auf die offizielle Umleitungsstrecke über Blankenheim geleitet wurden - oder entsprechenden Angaben im Verkehrsfunk folgten. "Die machen die Autobahn dicht. Dann schicken sie uns hier lang, obwohl sie wissen, dass es nicht weitergeht. Dann hätten sie uns auf der Autobahn lassen sollen, und die Umleitung befahrbar machen können. So ist das doch Schwachsinn", so Trucker Jürgen Kuschinsky aus dem thüringischen Nordhausen.
Das Benzin wird knapp
Einige Meter weiter stehen Sylvia Guba und Ronny Grasse. Sie haben sich in der vergangenen, klirrend kalten Nacht kennen gelernt. "Er hat mich zum Aufwärmen in seinen Lkw geholt, sonst wäre ich wohl erfroren", erzählt die junge Frau aus Sangerhausen, die mit ihrem Pkw zwischen zwei großen Trucks steht. Und das seit Donnerstagfrüh gegen 5 Uhr. Ähnlich ergeht es Marina Bernau. Die 50-Jährige wollte aus Sangerhausen nach Volkstedt. Nun steckt sie mit ihrem Auto fest. Eingemummelt in eine Decke, versucht sie die Heizung des Kleinwagens so wenig wie möglich laufen zu lassen. "Das Benzin wird langsam knapp", erzählt sie mit banger Miene.
Um Sprit machen sich die Lkw-Fahrer die wenigsten Sorgen. Sie sind einfach nur sauer: "Hier kommt keiner mehr los", bringt Hans-Herbert Thiemann aus Wusterwitz in Brandenburg die Situation auf den Punkt. "Nicht eine einzige Splittkiste steht hier rum", schimpft Thomas Schuhmann aus Sangerhausen. "Seit Mitternacht sitze ich hier fest. Niemand kümmert sich um uns. Einen Schneepflug habe ich nur einmal entdeckt. Der Fahrer hat den Stau gesehen und ist gleich wieder umgedreht", fügt er hinzu. Und auf seine Gemütslage angesprochen, wird Schuhmann ironisch: "Klasse, ich bin begeistert."
Das mit dem Nicht-Kümmern stimmt freilich nicht ganz. Dana Kolbe und ihre Mutter Helma Helmbold aus Blankenheim wirbeln zwischen den Lkw entlang. Sie haben heißen Tee und Kaffee dabei und schenken den Kraftfahrern ein. Ebenfalls zu Fuß unterwegs ist Michaela Viol. Die 32-jährige Blankenheimerin erzählt: "Mein vor kurzem verstorbener Vater war Lkw-Fahrer. Ich weiß, wie es ist, wenn man im Stau steht. Die Leute sind doch froh und dankbar, wenn jemand hilft", sagt sie und eilt zum nächsten Brummi-Fahrer, den sie mit Tee und Kaffee versorgt. Daniel Feld aus Koblenz am Rhein ist seit Montag auf Tour. Die ist nun erst einmal am Blankenheimer Berg vorbei. "Hier passiert überhaupt nichts", schimpft er.
Sauer sind nicht nur die Lkw-Fahrer, verärgert zeigt sich auch Landrat Dirk Schatz (CDU). Denn es gibt gewissermaßen eine Duplizität der Ereignisse. Nach Schneefällen war die Umleitungsstrecke bereits im Januar dieses Jahres zur Staufalle geworden. Damals hagelte es gegenseitig Schuldzuweisungen zwischen Winterdienst, Polizei und Kreisverwaltung. Nur Konsequenzen sind daraus offenbar nicht gezogen worden. Denn Landrat Schatz hat inzwischen das Technische Hilfswerk und Feuerwehren des Landkreises den Truckern zur Hilfe geschickt. "Zuständig bin ich nicht, das Problem liegt eindeutig bei der Straßenmeisterei als Baulastträger", sieht er den Landesbetrieb in der Pflicht und in der Lage, die Hilfskräfte anzufordern.
Winterdienst zu spät informiert
Im Magdeburger Verkehrsministerium widerspricht man dem nicht. Jedoch hätten auch Polizei oder die Rettungsleitstelle die Hilfe des THW anfordern können, so Ministeriumssprecher Peter Mennicke. Allerdings gab es es auch Abstimmungsprobleme. Laut Mennicke war der Winterdienst zu spät über die Sperrung der Autobahn informiert worden. Indes hat man aus den neuerlichen Fehlern offenbar gelernt. In solchen extremen Situationen soll die bergige Umleitung nicht mehr genutzt werden, heißt es nun.
Den Rheinländer Daniel Feld erreicht diese Botschaft nicht mehr. Nach mehr als 16 Stunden Stillstand rollt er am Donnerstagnachmittag in Richtung Koblenz.