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"Wir haben ein echtes Problem" "Wir haben ein echtes Problem": Der Kegelsport droht auszusterben

Von Michael Bertram 16.04.2019, 05:00
Moritz Grahl von Germania Schafstädt gehört zweifellos zu den jüngeren Keglern im Saalekreis. Im KKV ist er aber dennoch in der Minderheit.
Moritz Grahl von Germania Schafstädt gehört zweifellos zu den jüngeren Keglern im Saalekreis. Im KKV ist er aber dennoch in der Minderheit. M. Bertram

Schkopau - Noch vor 20 oder 30 Jahren zählte Kegeln in Deutschland zu den beliebtesten Freizeitbeschäftigungen. Gesellige Abende auf der Bahn gehörten für viele zum Standardprogramm. Auch Weihnachtsfeiern endeten oft mit der Jagd auf alle Neune. Doch die Zeiten haben sich gewandelt: Inzwischen haben es selbst die Sportvereine schwer, neue Interessenten zu finden. Der Kegelsport droht auszusterben - weil es nicht gelingt Nachwuchs zu fördern und auch der finanzielle Druck zunimmt.

„Im kommenden Jahr werden wir vermutlich unter die 1000er-Marke rutschen“

Am Sonntag herrschte auf der Kegelbahn in Schkopau ausgelassene Stimmung. Die Bude war voll, kein Wunder: Vereine aus ganz Sachsen-Anhalt waren angereist, um ihre Spieler bei den Landeseinzelmeisterschaften anzufeuern. An normalen Spieltagen in den Ligen wird es auf den Bahnen im Saalekreis aber selten so voll. „Wir haben ein echtes Problem“, sagt auch Marina Kriese, Vorsitzende des Kreiskegelvereins (KKV) Saalekreis. Allein in den vergangenen Jahren hat der Verein rund 300 Mitglieder verloren. „Im kommenden Jahr werden wir vermutlich unter die 1000er-Marke rutschen“, glaubt sie. Eine echte Erklärung, warum dies so ist, hat Kriese nicht. Es seien viele Dinge, die zusammenkämen.

Zum einen wären da die vielen Möglichkeiten, die es heute im Freizeitbereich gibt. „Gerade die Jüngeren können doch aus dem Vollen schöpfen“, sagt Kriese und meint unter anderem die Ablenkungen, die die digitale Welt bietet. Jugendliche, die wiederum sportaffin sind, interessieren sich zum anderen oft für andere Sportarten, was mit einem Grundproblem des Kegelsports zu begründen ist: Während im Fußball oder auch in der Leichtathletik schon Kleinkinder an die Sportarten herangeführt werden, ist dies im Kegeln nur schwer möglich.

Lediglich bei den Damen hatten die Athleten aus dem Saalekreis am Sonntag im Rahmen der Landeseinzelmeisterschaften in Schkopau groß zu feiern. Hier die Ergebnisse im Überblick: Bei den Frauen setzte sich Silke Riedel von der TSG Grün-Weiß Löbejün mit 1 182 Kegeln vor Yvonne Rudek (1 127) vom SV Germania Schafstädt durch. Auf den dritten Platz kam Franziska Flemming (1 112/Sangerhausen).

Bei den U23-weiblich reichte es für Caroline Opitz (1 052/Bad Dürrenberg) für den dritten Platz. Bei den Herren kam Sven Tränkler vom SV Geiseltal Mücheln (1 146) ebenfalls auf den dritten Rang. Bei der U23-männlich verfehlte Andreas Kelm (1 109/Schafstädt) diesen dann allerdings knapp. Am Rande erhielt der frühere Bürgermeister Schkopaus, Andrej Haufe, für seine langjährige Unterstützung vom SKC Buna Schkopau die Ehrennadel in Gold. (mz)

Kegelsport droht auszusterben: Nachwuchs- und Imageprobleme 

„Die Kugeln und Bahnen sind für Kinder überhaupt nicht ausgelegt“, erklärt Andreas Kühn, Mannschaftsleiter beim SV Geiseltal Mücheln, der in dieser Saison nur knapp am Aufstieg in die erste Bundesliga gescheitert ist. Andreas Kühn sieht aber auch Imageprobleme seines Sports, der vielen als altbacken gilt. Gerade Jüngeren fehle da die Coolness.

„In Mücheln versuchen wir seit geraumer Zeit an diesem Punkt anzuknüpfen und eine Art Marke zu etablieren, mit der man sich identifizieren kann“, sagt er. So wurden die „Wölfe“ geboren. Bei Spielen, aber auch offiziellen Anlässen trägt man stolz die Teamkleidung, die bis zum Schlips und sogar zur Unterhose mit einem Wölfe-Logo aufwartet.

Risiko Sportstätten

Kühn nennt zudem ein weiteres Problem. „Es wird immer schwieriger, Leute zu finden, die sich im Verein engagieren wollen“, sagt er. Aktuelle Diskussionen um die Finanzierung der Sportstätten zeigten aber auch, warum das so ist. „Es wäre schade, wenn die Halle in Merseburg tatsächlich geschlossen wird, obwohl sich die Kegler dort engagieren wollen“, sagt Kühn. Er sei froh, dass es in Mücheln damals anders gelaufen sei. Die Stadt hätte dem Verein die Kegelbahn in die Hände gegeben. „Wir halten alles in Schuss, machen unsere Reparaturen selber, die Stadt zahlt nur für das Material, das wir brauchen.“

Aber nicht jeder Verein könne diese gewaltige - und vor allem zusätzliche Arbeit - stemmen. Zumal nicht nur der Nachwuchs fehlt, sondern auch die vorhandenen Mitglieder immer älter werden. Der große Einbruch steht dem KKV nämlich erst in den kommenden Jahren bevor. „Mehr als 60 Prozent unserer Mitglieder sind über 50 Jahre alt“, erklärt Marina Kriese.

Hoffnungsträger seien einzelne junge Spieler. Zu diesen gehört Silke Riedel aus Löbejün. „Mein Vater hat mich als Zehnjährige zum Kegelsport gebracht“, erzählt die inzwischen 28-Jährige. Sich gegen Volleyball oder Fußball entschieden zu haben, bereut die Keglerin keineswegs: 2017 wurde sie nicht nur Landes-, sondern auch Deutsche Meisterin. (mz)