Reichsflagge zum Volkstrauertag Reichsflagge zum Volkstrauertag: Umstrittenes Gedenken in Teutschenthal

Teutschenthal/Halle (Saale) - Überall in Deutschland ist am Volkstrauertag vor einer Woche der Opfer der beiden Weltkriege gedacht worden. Im Bundestag fand die traditionelle, schwermütige Gedenkstunde statt. An Rathäusern und Behörden wehten die Fahnen auf halbmast. Meist die schwarz-rot-goldene der Bundesrepublik, die des Bundeslandes und die der Stadt oder der Europäischen Union, so wie in Halle.
Nur im Teutschenthaler Ortsteil Eisdorf führte die Beflaggung am Volkstrauertag zu ungläubigen Blicken und Kritik. Dort hing an einem Kriegerdenkmal neben der schwarz-rot-goldenen und der Landesfahne auch eine schwarz-weiß-rote Reichsflagge, die aus Zeiten des Kaiserreichs stammt und heutzutage häufig von Neonazis auf Demonstrationen gezeigt wird.
Flagge gehört da nicht hin
Auf Unverständnis trifft das bei Einwohnern wie Felix Lüttich. „Während die Verwendung der ersten beiden Flaggen auf Verständnis und Zustimmung stößt, kann ich die Aufstellung der Letzteren in keiner Weise nachvollziehen“, sagt er.
„Bedenkt man die historische Bedeutung und heutige Verwendung sowie Instrumentalisierung der Reichsflagge in der rechtsextremen Szene, sollte eine Aufstellung dieser Flagge an einem öffentlichen Ort nicht geschehen.“ Hinzu komme, dass die Reichsflagge am Eisdorfer Kriegerdenkmal nicht zum ersten Mal aufgestellt wurde, sondern zu verschiedenen Anlässen immer wieder auftauche.
„Spätestens seit 1947 ist Flagge dem rechtsextremen Lager zuzuordnen“
Für hochproblematisch hält die schwarz-weiß-rote Flagge auch der Zeithistoriker Patrick Wagner, der an der Uni Halle lehrt. Bis 2017 war er Vorsitzender des wissenschaftlichen Beirates der „Stiftung Gedenkstätten Sachsen-Anhalt“. „Die Reichsflagge ist zwar nicht verboten, aber seit der Weimarer Republik eindeutig dem rechten Lager zuzuordnen. Spätestens seit 1947 ist sie dem rechtsextremen Lager zuzuordnen“, sagt er.
Ihren Ursprung haben die Farben Wagner zufolge im deutschen Kaiserreich, wobei schwarz-weiß für Preußen und rot für die Hansestädte stand. Nach dem Ersten Weltkrieg gab es ab 1919 einen Streit, welche Flagge die Weimarer Republik führen würde. „Schwarz-Rot-Gold wurde beschlossen, aber das passte den Rechten nicht. Diese Gruppe wollte sich Schwarz-Weiß-Rot zu eigen machen. Es gab Kampagnen, wobei sie die Flagge als ,schwarz-rot-Mostrich’ verunglimpften.“
„Die schwarz-weiß-rote Flagge hat einen Bedeutungswandel durchlebt.“
Schließlich einigte man sich auf einen Kompromiss: In der Schifffahrt und der Marine wehte eine schwarz-weiß-rote Flagge mit der goldenen Variante im Mini-Format in der oberen linken Ecke. Überall anders galt: schwarz-rot-gold. Die Nationalsozialisten schafften Schwarz-Rot-Gold sofort ab, führten die schwarz-weiß-rote Fahne noch eine Zeit lang parallel zur Hakenkreuzfahne und nutzten irgendwann nur noch diese. Für Wagner steht fest: „Die schwarz-weiß-rote Flagge hat einen Bedeutungswandel durchlebt.“ Heute sei ihre Nutzung sehr kritisch zu sehen.
Auf MZ-Nachfrage erklärt die Gemeinde Teutschenthal, seit dem Jahr 2000 kümmere sich eine Bürgerinitiative um das Kriegerdenkmal und die Flaggen. Bei der Fahne handle es sich nicht um eine „Reichsflagge“ mit rechtsextremen Symbolen, sondern um die „Deutschlandflagge aus dem Jahr 1911“. Aus diesem Jahr stamme auch das Denkmal, das für die Gefallenen des Deutsch-Französischen Kriegs gebaut und später für die Toten des Ersten und Zweiten Weltkriegs umgewidmet wurde.
Flagge als Symbol für den Krieg
Vorsitzender der Bürgerinitiative ist Heino Einführ, der die Aufregung um die Flagge nicht nachvollziehen kann. „Sie war die gängige Flagge, als das Denkmal gebaut wurde und ist Symbol für den Deutsch-Französischen Krieg“, sagt er. „Wir haben das die letzten 19 Jahre so gemacht und wurden noch nie darauf angesprochen.“ Einführ war einer der Männer, die zur Jahrtausendwende das bis dahin ungepflegte Denkmal erneuerten.
Sie entfernen Laub, mähen Rasen und imprägnieren die Steine. Dass ein solches Denkmal und die Symbole ringsherum „ein bisschen heikel“ sind, sei der Bürgerinitiative auch schon vor 19 Jahren bei der Einweihung aufgefallen. „Deshalb haben wir damals extra einen Pastor die Rede halten lassen, und sind jedes Lied durchgegangen, um nicht in die rechte Ecke zu kommen“, so Einführ. Um zukünftig nicht missverstanden zu werden, will er auf das Hissen der schwarz-weiß-roten Fahne verzichten. „Ich hänge nicht daran. Dann lasse ich sie nächstes Jahr eben weg.“ (mz)