Paranoide Schizophrenie Paranoide Schizophrenie: Ein besonderer Urlaub für kranke 46-Jährige

Leuna - Eine Woche auf einem Ferienhof in der Sächsischen Schweiz, ein Besuch in der Therme Bad Schandau, in dem sie „einfach für eine Weile auf der Wasseroberfläche liegen und dabei die entspannende Musik hören“ konnte: Was für viele nach einem ziemlich normalen Sommer-Urlaubs-Ausflug klingt, ist für Manuela Gerlach alles andere als selbstverständlich. Urlaub kannte die 46-Jährige lange nicht. Manuela Gerlach ist psychisch krank, sie leidet unter paranoider Schizophrenie.
Reisestress, große Menschengruppen und ungewohnte Umgebungen können da schnell problematisch werden, Symptome ihrer Krankheit auslösen. „Einen Urlaub ganz allein organisieren, das wäre viel zu viel Aufregung für mich“, sagt sie. Umso dankbarer ist die Frau mit den dunklen Haaren für das Angebot der Tagesstätte des Paritätischen Sozialwerks Behindertenhilfe in Leuna, die einmal im Jahr eine Ferienfahrt organisiert.
28 Klienten
In diesem Jahr sind 28 Klienten der Tagesstätten Leuna, Querfurt und Halle auf den Ferienhof gefahren - Menschen mit ganz unterschiedlichen psychischen Erkrankungen und ebenso verschiedenen Bedürfnissen. „Deshalb müssen wir viel Fingerspitzengefühl beweisen“, so Tagesstätten-Leiterin Elke Strauchmann. Gerlach etwa sei auf persönliche Zuwendung angewiesen, die sie von ihren Betreuern bekomme. Familienmitglieder, sagt einer der Therapeuten der Tagesstätte, Frank Mahncke, seien im Umgang mit psychisch Kranken meist selbst gestresst, überfordert.
Gerlach war 17, als sie das erste Mal Probleme bei sich bemerkte. „Ich habe mich beobachtet, verfolgt gefühlt“, sagt sie. Nicht gewusst, woher das kommt. Und vermutlich nicht im Ansatz geahnt, wie das einmal ihr Leben verändern wird. Gerlach machte zwar eine Ausbildung zur Facharbeiterin für Schreibtechnik, arbeitete fünf Jahre in einem Krankenhaus. Doch auch über diese Zeit sagt sie heute: Sie war problematisch. „Ich dachte immer, die beobachten mich alle. Habe mich unter vielen Menschen schlecht gefühlt.“ Erst 1996 ist die junge Frau in eine Klinik gegangen, vier Jahre später ist sie verrentet worden.
„Ich komme gern hierher“
Alltag, das ist für sie seit 2006 vor allem der tägliche sechsstündige Besuch in der Tagesstätte, wo sie sich am liebsten mit Tonarbeiten oder dem Korbflechten beschäftigt. „Ich komme gern hierher“, sagt sie. Wichtig, so Mahncke, seien Alltagskompetenzen, die Vermittlung fester Strukturen, der Erhalt sozialer Kompetenzen. Für viele sei die Tagesstätte der einzige Ort für soziale Kontakte - auch, weil bei den Gesunden viel Hilflosigkeit herrsche. „Es gibt riesengroßen Aufklärungsbedarf“, sagt Mahncke. Zum Beispiel über angebliche Gefährlichkeit. Menschen wie Gerlach, die seien „genauso aggressiv wie Sie und ich“.
Die 46-Jährige lebt heute allein, mag Quizsendungen im Fernsehen, telefoniert oft mit einer ebenfalls betroffenen Freundin. Und sie hat sich Strategien zurechtgelegt, um den Alltag zu meistern. Wenn es ihr gut geht, erzählt sie, kauft sie so viel ein, dass sie auch über Schübe ihrer Krankheit hinwegkommt. Die sind seltener geworden, seit sie in Behandlung ist. Früher kamen sie im Abstand von zwei Wochen oder einem Monat.
Herzrasen, Unruhe, Angstzustände
Gerlach leidet dann unter Herzrasen, Unruhe, Angstzuständen, fängt an zu zittern, hat Halluzinationen. Dann verschiebt sich die Umwelt, sie sieht Bäume und Häuser, wo keine sind. Für Betroffene sei das oft mit Orientierungslosigkeit verbunden, sagt Mahncke. „Für sie ist das sehr, sehr anstrengend.“ In Akutphasen und unbehandelt könne das über Tage oder Wochen anhalten. Mit Behandlung sind es Stunden. Die Abstände, in denen ein Schub kommt, seien aber unregelmäßig, sagt Mahncke. „Das ist ein Problem.“
Im Urlaub hat Gerlach nun auch bei langen Waldspaziergängen Kraft für den Alltag getankt. Jetzt freut sie sich schon auf den nächsten im kommenden Jahr - die Ostsee würde ihr gefallen. (mz)