Paddeltour Paddeltour: Fast allein mit Saale und Natur

Merseburg - Als das Merseburger Schloss sich zu unserer Linken im Wasser spiegelt, die Neumarktbrücke davor gespannt, schwankt das Boot noch ein wenig. Von links nach rechts und zurück – so ganz haben wir das Steuern noch nicht raus. „Ihr seid wohl Anfänger?“ Peter Schneider, Schleusenwart in Meuschau, hat uns durchschaut. Während die Pumpen uns in der Schleuse um 2,70 Meter in die Tiefe befördern, gibt er uns eine Lektion auf den Weg: „Beachtet die Signale und habt Geduld in den Schleusen.“ Dann spucken die Schleusentore unser Kajak in die untere Saale aus. Tatsächlich – Geduld wird wichtig sein auf dieser Paddeltour von der Rischmühleninsel in Merseburg zur Ziegelwiese in Halle.
45 Minuten, zwei Angler und ein Motorboot später: Am Merseburger Ruderhaus taucht ein Restaurant mit Steg auf. Es wird das einzige auf der Strecke bleiben. Thoralf Schwade vom Bootsverleih Halle hat uns vorgewarnt: „Mit Restaurants sieht es an der Saale zwischen Merseburg und Halle mau aus.“ Das sei bei Naumburg oder Bernburg anders, wo viele Attraktionen direkt am Fluss liegen und Bootstouristen anlocken. Mit ihnen kam die Infrastruktur an das Saaleufer: Restaurants, Pensionen, Bootsanleger. Durch die Meuschauer Schleuse fahren im Monat jedoch gerade einmal 200 Boote – nicht genug, um Investoren anzulocken.
Abwesenheit touristischer Infrastruktur
Es ist aber auch gerade die Abwesenheit touristischer Infrastruktur, die den 21 Kilometern Flusslauf zwischen Merseburg und Halle ihren Charme verleiht. Weiden ragen über das Ufer, ihre Wurzeln greifen wie Finger nach dem Wasser. Es ist still, und im klaren Wasser kann man Fische schwimmen sehen. Das Kajak durchschneidet den Fluss wie einen Spiegel, über dem schillernd blaue Libellen tanzen.
„Wie auf dem Amazonas“, geht es mir durch den Kopf. Wer will, kann auf der Saale mit der Natur ganz allein sein. Mittags, in Planena, erwartet uns die erste Selbstbedienungsschleuse. Ungeduldige Paddler und Bootsfahrer sorgen hier immer wieder für Betriebsstörungen, weil sie die Technik falsch bedienen. „Dabei ist das ganz einfach“, hat uns Schneider, der Meuschauer Schleusenwart, gesagt. Tatsächlich ist die größte Herausforderung die Wartezeit. Wird gerade in die andere Richtung geschleust, dann kann das dauern – in diesem Fall in Planena eine halbe Stunde.
„Gegenschleusung abwarten“
„Gegenschleusung abwarten“, steht in dieser Zeit auf einem Schild unter der roten Ampel. Die Pause reicht für ein Picknick im Boot und bietet den müden Armen Entspannung. Danach geht alles ganz schnell: Die Schleusentore öffnen sich, und wie auf der Straße gibt eine grüne Ampel den Weg frei. Über Leuchttafeln kommuniziert die Technik mit uns: „Jetzt grünen Hebel ziehen. Kleine Boote hinten festmachen.“ Wir folgen den Anweisungen und fühlen uns, als das Wasser im Becken sinkt, wie in einem Schuhkarton. Hebel ziehen und warten – alles andere erledigt die Computertechnik ganz alleine. Das Schleusen ist doch gar nicht schwer, oder?
„Das Problem ist nicht die Technik, sondern die fehlende gegenseitige Rücksichtnahme“, bestätigt uns ein Schleusenwart an der halleschen Stadtschleuse. Eigentlich funktioniert auch hier alles automatisch, aber weil heute viel Betrieb auf der halleschen Saale ist, schaut ausnahmsweise Personal nach dem Rechten. Gerade haben sich die Schleusentore 50 Meter vor unserer Nase geschlossen.
Ungeduld der Freizeitkapitäne
Nun warten wir wieder an der roten Ampel. „Da hätten die anderen Bootsfahrer mal nach hinten schauen und warten sollen“, urteilt der Schleusenwart, der hauptberuflich Schiffer ist. Er kennt die Ungeduld der Freizeitkapitäne aus seinem Berufsalltag: „Manchmal zwängen sich Sportboote vor die Berufsschifffahrt, obwohl die eigentlich Vorrang hat. Dann müssen wir warten und verlieren kostbare Arbeitszeit.“ Einen Moment lang überwiegt auch bei uns drei Paddlern die Ungeduld. Die Verlockung ist groß, auszusteigen und das Kajak auf die Seite jenseits der Stadtschleuse zu tragen. Dann aber lassen wir uns die Worte des Schleusenwarts eine Lehre sein: Wer freizeitmäßig auf der Saale unterwegs ist, der hat Zeit zu warten.
Tatsächlich ist die 21-Kilometer-Tour eine Gelegenheit, die Stadt aus einem anderen Winkel zu sehen: Da sind Gärten mit Bootsanlegern in Merseburg, Fischreiher und leuchtend blaue Eisvögel im Süden von Halle, außerdem jede Menge urwüchsige Vegetation an den Ufern. „Vom Boot aus ist die Stadt eine andere“, meint Thoralf Schwade vom Bootsverleih. „Das Stück zwischen Merseburg und Halle ist schon besonders schön.“ Und das nicht trotz, sondern wegen der fehlenden touristischen Bebauung.
Sieben Stunden vergehen, bis wir schließlich an der Ziegelwiese anlegen, davon gut zwei Stunden für Wartezeit an Schleusen. Auch für ein Bad in der Saale ist unterwegs Gelegenheit. Fazit: Wer Zeit, ein Picknick und Badesachen mitbringt, kann sich auf der Saale fühlen wie ganz weit weg - eben ein bisschen wie am Amazonas. (mz)

