Gastronomie fehlen Arbeitskräfte Gastronomie fehlen Arbeitskräfte: Welche Auswirkungen das im Saalekreis hat

Merseburg - Katja Wendt nennt ein Beispiel: Vor 15 Jahren, sagt die Kreisvorsitzende des Deutschen Hotel- und Gaststättenverbandes (Dehoga), haben den Merseburger „Raben“ rund 50 Bewerbungen im Jahr erreicht. „Die Zeit ist vorbei“, sagt Wendt. Heute seien es zwei Anrufe pro Jahr. Was jedenfalls deutlich wird: Für die Gastronomie wird es auch im Saalekreis immer schwieriger, ausreichend Personal zu finden.
Davon kann nicht nur die angehende Chefin des Merseburger Hotels und Lokals ein Lied singen. Die zahlreichen Bewerbungen, die er 2012 bei Übernahme des „Querfurter Hofes“ in der Quernestadt erlebte, gebe es heute so gut wie nicht mehr, sagt auch Igor Wolostnych. „Zumindest nicht aus dem geschulten Bereich.“
28 offenen Arbeitsstellen stehen 159 Arbeitslose gegenüber
Dabei stehen laut Arbeitsagentur im Geschäftsstellenbezirk Merseburg 28 offenen Arbeitsstellen 159 Arbeitslose im Bereich Tourismus-, Hotel- und Gaststättenberufe gegenüber. Doch von 60 bis 70 Namen, die ihm die Agentur schickt, würden sich gerade einmal zehn Prozent melden, sagt Gerd Schlosske, der 2016 das Domherrencafé in Merseburg übernommen hat, dessen Personal auch noch zur Atmosphäre des Hauses passen soll.
Das Problem beginnt für Dehoga-Kreischefin Wendt schon bei der Ausbildung. „Wir konkurrieren hier sehr stark mit der Industrie“, sagt sie. Wenn in der Industrie im ersten Lehrjahr 850 bis 900 Euro geboten werden und in der Gastronomie 440, sei die Frage nach der Ausbildung schnell geklärt.
Gastronomie hat mit ständig steigenden Kosten zu tun
Mehr zahlen? Die Gastronomie habe mit ständig steigenden Kosten zu tun, dem Gast Preissteigerungen für Personal zu erklären, sei schwierig. Viel mehr als Mindestlohn sei für die Masse problematisch, sagt Café-Chef Schlosske. Ihm selbst seien zudem Teilzeitkräfte wegen der Flexibilität lieber als Vollzeitkräfte. Nur: „Eine Frau, Mitte 30, mit Kindern will den Vollzeitjob.“
Bezahlung sei indes ein Teil. Dazu kommen die Arbeitszeiten, sagt nicht nur die Dehoga-Kreischefin. „Finden Sie mal junge Leute, die samstags, sonntags arbeiten wollen oder nach 17 Uhr, wenn Freunde von Schicht kommen und ins Kino gehen. Es ist schwierig, sie noch zu begeistern für den Beruf.“
Folgen der schwieriger gewordenen Personalsuche in der Gastronomie
Weder unter den Top 10 der Ausbildungsstellen noch unter den Top 10 der Bewerber befinde sich ein Gastronomieberuf, heißt es bei der Arbeitsagentur.
Die Folgen der schwieriger gewordenen Personalsuche: „Ich kenne viele Gastronomen, die die Öffnungszeiten reduziert, einen Ruhetag mehr eingelegt oder die Küchenöffnungszeiten verkürzt haben“, so Wendt. Ein Beispiel: Hotel und Gaststätte „Am Stadtstadion“ in Merseburg. Seit Anfang 2017 habe man - unter anderem über die Arbeitsagentur - eine Kellnerin gesucht, sagt Svea Liewald.
Mehr Gewerbeabmeldungen als Anmeldungen in der Gastronomie
Ohne Erfolg. Seit Mai falle nun wochentags der Mittagstisch weg. In den vergangenen beiden Jahren gab es nach Daten der Industrie- und Handelskammer Halle-Dessau im Saalekreis mehr Gewerbeabmeldungen als Anmeldungen in der Gastronomie.
Katja Wendt denkt über einen Pool von Arbeitskräften nach, die unter Gastronomen wechseln könnten - das sei aber wohl Utopie. Café-Betreiber Schlosske wünscht sich zudem Engagement der Stadt Merseburg: Der letzte Restaurantführer sei von 2013. „Das sind in der Gastronomie mehrere Menschenleben.“ (mz)