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Rockerszene in Sachsen-Anhalt Rockerszene in Sachsen-Anhalt: Schüsse auf offener Straße

Von Katrin Löwe 17.10.2014, 06:36
«Hells Angels»
«Hells Angels» dpa

Halle (Saale)/Magdeburg - Die Zahlen sprechen für sich: Sechsmal seit Mitte 2012 sind nach Erkenntnissen der Polizei in Halles krimineller Rockerszene Schüsse gefallen, fünfmal offenbar direkt auf verfeindete Bandenmitglieder. Der jüngste Fall ereignete sich erst im Mai dieses Jahres, als auf ein Bandidos-Mitglied auf offener Straße mehrere Schüsse abgegeben wurden. Halle bleibt aus Sicht der Ermittler damit auch nach massiven Machtverschiebungen innerhalb der Szene in den vergangenen zwei Jahren Brennpunkt der Auseinandersetzungen. In denen geht es letztlich um die Vorherrschaft auf dem Drogen- und Waffenmarkt, im Türsteher- und Rotlichtgewerbe.

Aufgelöst, neu gegründet, aufgelöst

Magdeburg blieb bislang von Schusswechseln verschont. Dabei war gerade im Norden die Gefahr eines Rockerkrieges gestiegen, als sich im vergangenen Jahr die berüchtigten Hells Angels in der Landeshauptstadt niederließen. Kurz zuvor hatten sich die verfeindeten Bandidos Magdeburg selbst aufgelöst, um sich nur einen Monat später als Bandidos „Magdeburg City“ neu zu gründen.

Auch dieser Club gilt inzwischen wieder als aufgelöst, während sich die bis dato kaum vertretenen Hells Angels etabliert haben: In Sachsen-Anhalt sollen sie inzwischen rund 50 Mitglieder zählen, die in Clubs benachbarter Bundesländer, aber auch im 2013 gegründeten Charter East Gate Magdeburg aktiv sind oder waren. In Stendal bildete sich in diesem Jahr eine Hells-Angels-Sektion des Charters Potsdam.

Gänzlich aus blieben Auseinandersetzungen freilich nicht: Im Sommer 2013 gerieten Bandidos und Hells Angels an einer Magdeburger Tankstelle aneinander, es gab zwei Verletzte. In einer Schlägerei artete auch der Irrtum von Rockern aus, die in einer Table Dance Bar wohl nicht mitbekommen hatten, dass die nun von den „Höllenengeln“ kontrolliert wird.

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Die Szene ist enorm in Bewegung. Nahezu täglich, heißt es beim Landeskriminalamt, gebe es Veränderungen: Übertritte, Neugründungen, Selbstauflösungen. Die auch in Halle 2013 aufgelösten Bandidos - Erzfeinde der den Hells Angels nahe stehenden Underdogs - meldeten sich im März 2014 mit einer Webseite zurück.

Im Norden zeichnet sich unterdessen auch eine Entwicklung ab, die bereits bundesweit Trend ist: Bandidos und Hells Angels bekommen Konkurrenz durch rockerähnliche Gruppierungen, die sich vorwiegend aus Migranten rekrutieren und verstärkt ins Rotlicht- und Türsteher-Milieu drängen. Gerade erst hat sich in Magdeburg eine aus Kurden, Syrern, Libanesen und wenigen Deutschen zusammengesetzte Gruppe unter dem Namen AKC (für Allgemeiner Kampfsport Club) gebildet, die nach MZ-Informationen aus 20 bis 30 Personen bestehen soll.

Die Möglichkeit, dass solche Gruppen Zulauf bekommen, wird allgemein als groß eingeschätzt. Auch dem Landeskriminalamt macht dies Sorgen. „Wir werden darauf ganz besonderes Augenmerk legen“, sagt LKA-Sprecher Andreas von Koß.

Kuttenverbot wirkt

Geschwächt wird die Szene aus Sicht des LKA unterdessen durch die Kuttenverbote: Nachdem im August das öffentliche Zeigen von Symbolen der Hells Angels untersagt wurde, gilt dies inzwischen auch für Bandidos, Chicanos, Mongols, Red Devils oder Gremium-Rocker. Das öffentliche Tragen der Kutten und Abzeichen habe ein „nicht zu unterschätzendes Einschüchterungs- und Bedrohungspotenzial“, so LKA-Direktor Jürgen Schmökel. „Das Sicherheitsgefühl ist durch ihr martialisches Auftreten enorm beeinträchtigt.“

Die neuen Verbote zeigten Wirkung, die Rocker hätten sich weitgehend darauf eingestellt, heißt es beim LKA. Bislang gab es vier Anzeigen - eine gegen einen Kuttenträger, drei gegen Internetauftritte von Hells Angels und Bandidos. Dort, wo die Symbole von Vereinsheimen noch nicht verschwunden sind, sollen die Gruppen jetzt durch die Polizei direkt angesprochen werden. (mz)

Die Polizei ermittelt in der Murmansker Straße in Halle nach einer Schießerei.
Die Polizei ermittelt in der Murmansker Straße in Halle nach einer Schießerei.
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