Prostitution in der DDR Prostitution in der DDR: Wie Frauen zur Messe-Zeit in Leipzig auf Männerjagd gingen

Leipzig - Zweimal im Jahr zog Leipzig Mädchen aus der DDR magisch an. Denn während der Messe-Zeit verdienten sich junge Frauen etwas dazu, indem sie sich auf besondere Weise um Westbesuch kümmerten.
Sie fuhren mit der S-Bahn nach Leipzig. Dort stöckelten die 24-jährige Mona und ihre 21-jährige Freundin Grit dann hinüber zur Bar des Hotel Astoria und warteten auf Westbesuch.
Messezeit in Sachsen, das waren in den Jahren der DDR stets Wochen, in denen zur Männerjagd geblasen wurde. Junge Frauen machten sich auf, das große Geld zu verdienen. Viele kamen auf eigene Faust, andere standen im Dienst der Staatssicherheit, die die Verführbarkeit der angereisten Westmanager nutzte, um Informationen zu sammeln.
Zur Messe-Zeit in der DDR: Junge Frauen als „Hobbynutten“ unterwegs
Die beiden Hallenserinnen sind privat unterwegs. Beide kennen sich aus halleschen Bars, beide sind keine Prostituierten, sondern das, was die Stasi „Hobbynutten“ nennt. Im Visier haben Mona und Grit vor allem Messegäste aus der Bundesrepublik, doch auch Manager aus anderen West-Ländern können bei ihnen landen.
Wenn sie zahlen, wie die beiden bayrischen Herren an diesem Abend im Jahr 1986, von dem eine Stasi-Akte erzählt. Erst Drinks an der Bar, dann ziehen sich die vier auf ein Zimmer zurück. 200 D-Mark kassiert jedes Mädchen, die Kunden bekommen dafür „Oral- und Geschlechtsverkehr", wie Mona später bei der Stasi aussagt. 200 D-Mark sind 1000 DDR-Mark. Für Mona, die als Verkäuferin arbeitet, das Einkommen von fünf Wochen Schichtarbeit.
Volle Kontrolle über Prostitution: Stasi wusste Bescheid
Was die Messe-Kunden der Verkäuferin nicht wissen: Das MfS kontrolliert das älteste Gewerbe der Welt. Ein großer Teil der Frauen steht als IM auf der Lohnliste des MfS. So hat Mona nach Angaben der Stasi-Akten nicht nur über ihre Kunden berichtet, sondern auch über Freundin Grit. Die wiederum Auskünfte über Mona gab.
Doch die Staatssicherheit war nur ein Nutznießer des zur Messe in Leipzig quasi aufgehobenen Prostitutionsverbotes. Der andere war der DDR-Staat, der sich zu Messezeiten als weltoffen und locker präsentieren konnte. Kurze Röcke und tiefe Ausschnitte entsprachen nicht dem Klischee vom grauen Osten, das westliche Besucher mitbrachten. Und halfen der DDR-Führung so bei der positiven Imagebildung: Seht her, bei uns gibt es keine Zuhälter, hieß es zum Beispiel, unsere Frauen sind ihr eigener Herr.
„Hobbynutten“ in der DDR: Auf der Suche nach dem Mann fürs Leben
Das stimmte, denn das MfS entlohnte seine Zuträgerinnen nur mit kleinen Beträgen und ein paar Schachteln Zigaretten. Es stimmte aber auch nicht, denn auch Mona und Grit suchten eigentlich nicht das schnelle Geld, sondern einen Mann fürs Leben, der sie rausholte aus der DDR. „Sie ist der westlichen Lebensweise verfallen und sucht ausbaufähige Kontakte, um in die BRD zu gelangen", schreibt Monas Führungsoffizier. (mz)