1. MZ.de
  2. >
  3. Mitteldeutschland
  4. >
  5. Paul McCartney in Leipzig: Paul McCartney in Leipzig: «Er ist der Cleverste von allen Beatles»

Paul McCartney in Leipzig Paul McCartney in Leipzig: «Er ist der Cleverste von allen Beatles»

Von Jan Wätzold 04.06.2004, 17:08

Halle/Leipzig/MZ. - Rainer Moers hat es von Anfang an gewusst. Als die Medien Anfang März meldeten, die Karten für das einzige Deutschland-Konzert von Paul McCartney seien schon kurz nach dem Vorverkaufsstart "fast alle weg", gähnte der 54-Jährige müde lächelnd vor sich hin. "Künstliche Verknappung - alter Hut auf neu getrimmt", ließ der Chef des halleschen Beatles-Museums seine beiden Auszubildenden damals wissen. Ob das Kalkül hinter den gezielten Panik-Meldungen der Veranstalter aufgehen werde, müsste der Abend im neuen Leipziger Zentralstadion zeigen.

Am Freitag war es soweit: Die Antwort kam Moers in Gestalt dutzender Spekulanten entgegen. "Noch Tickets zu verkaufen", rief es schon im Hauptbahnhof der Messestadt aus heiseren Kehlen. "Supergünstige Karten", tönte es erst recht vor den Eingängen zum Stadion im vielstimmigen Kanon. Dass das erhoffte Geschäft mit dem berühmtesten der beiden noch lebenden Beatles für die Glücksritter in einem Waterloo enden würde, hatte sich schon längst im Internet angedeutet. Noch 24 Stunden vor den ersten Takten in Leipzig waren zum Beispiel Karten-Doppel beim Auktionshaus Ebay für unglaublich preiswerte 6,64 Euro weggegangen. Bei einem ursprünglichen Kaufpreis von 137 Euro für die beiden Tickets dürfte sich der Anbieter gefühlt haben wie Aktionäre nach einem Kurssturz.

Ist Paul McCartney deshalb ein Auslaufmodell? "Auf keinen Fall", meint "Beatles-Professor" Moers, der seine Karte trotz richtigem Riecher ganz ordentlich im Vorverkauf erworben hat. Den Fans der Fabulous Four sei ein Auftritt des laut Guinness-Buch erfolgreichsten Songwriters aller Zeiten noch immer Geld und Mühe wert. "Aber eine wirklich breite Käuferschicht jenseits der treuen Anhängerschaft erreicht Paul einfach nicht mehr", so der 54-Jährige mit dem Walross-Antje-Bart. Die jahrzehntelange Beobachtung der Szene offenbare da ein deutliches Phänomen: "Jedes neue Album von McCartney hält sich im Schnitt nur ein, zwei Wochen in den Top-Ten der Verkaufshitparaden." Genau so lange, bis alle Beatles-Fans eine Platte gekauft hätten. Dem Massengeschmack aber genüge das Material schon seit 15 Jahren nicht mehr.

Unabhängig davon aber genießt der Sonnyboy des Liverpooler Erfolgsquartetts nach wie vor den Ruf eines begnadeten Live-Künstlers.

Und wenn dann, wie am Freitagabend, auch noch die alten Beatles-Klassiker den Konzertton angeben, ist McCartney trotz einiger merkwürdiger Geschäftspraktiken über jeden Zweifel erhaben. Erst im letzten "Things" - dem Monatsmagazin des Beatles-Museums - hat Insider Moers die Frage aufgeworfen, ob Paul tatsächlich dulde, dass Autogrammwünsche an ihn von Ghostwritern erfüllt werden. Eine offizielle Erkundigung blieb bislang ohne Antwort.

Moers, der das Museum in Halle derzeit gemeinsam mit den Auszubildenden Stefan Kruter und Philipp Schreiner am Laufen hält, ist sich zwar sicher: "Paul wäre längst nicht der Superstar ohne seine Beatles-Vergangenheit." Dass er noch immer dick im Geschäft sei und überdies etwa auch Techno-Platten unter Pseudonym veröffentliche, spreche aber für McCartneys künstlerischen Tatendrang. Überhaupt sei er bereits zu Lebzeiten von John Lennon und George Harrison der fleißigste der Beatles gewesen. "Und der cleverste."

Eine ausführliche Konzertkritik erscheint am Montag in der Mitteldeutschen Zeitung.